Die Blase platzt Erschüttert das Erdbeben im chinesischen Fussball auch Europa?

Von Patrick Lämmle

2.3.2021

Für Alex Teixeira bezahlten die Chinesen 2016 50 Millionen Euro an Schachtjor Donezk. Jetzt muss sich der Brasilianer einen neuen Verein suchen.
Für Alex Teixeira bezahlten die Chinesen 2016 50 Millionen Euro an Schachtjor Donezk. Jetzt muss sich der Brasilianer einen neuen Verein suchen.
Bild: Getty

Vor drei Monaten wird Jiangsu FC zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte chinesischer Fussballmeister. Doch jetzt ist Schluss, der Besitzer-Konzern zieht den Stecker und hinterlässt einen riesigen Schuldenberg.

Von Patrick Lämmle

Vor sechs Jahren hat der Handelskonzern Suning bei Jiangsu übernommen und nun zahlt sich das Engagement endlich aus. Sollte man meinen. Die Realität sieht anders aus. Der Milliardenkonzern will sich fortan auf das Kerngeschäft, den Handel mit Elektronikgütern, konzentrieren und kein Geld mehr in den Klub reinpulvern. In Mailand dürften die Alarmglocken läuten, denn Suning hält auch die Aktien-Mehrheit bei Serie-A-Leader Inter. Verbindungen gibt es auch in die Premier League, ist doch das Unternehmen Besitzer einer chinesischen Streamingplattform im Sport.

Jiangsu investierte Unsummen in mehr oder weniger namhafte Spieler wie Ramires oder Alex Teixeira, auf der Trainerbank sass bis 2018 Trainerlegende Fabio Capelo. 2019 scheiterte das Unterfangen, Gareth Bale nach China zu lotsen. Den Meistertitel hat man auch ohne den launischen Grossverdiener gewonnen, doch die Freude darüber währt nicht lange. Am vergangenen Sonntag liess der Besitzerkonzern die Bombe platzen. Suning, der grösste nichtstaatliche Einzelhändler in China, gab bekannt, die Pandemie setze ihm zu und deshalb fliesst kein Geld mehr an Jiangsu.

Die Folge: Der Verein hat den Spielbetrieb per sofort eingestellt. Auch beim Frauenteam und dem Nachwuchs wurden die Lichter gelöscht. Offenbar wurde der Verein für einen symbolischen Betrag zum Verkauf angeboten. Die Nachfrage blieb aus, denn die neuen Besitzer müssten auch die geschätzten 100 Millionen Franken Schulden übernehmen. In einer Stellungnahme schreibt der Klub: «Wir lassen die Spieler nicht gerne ziehen, suchen aber weiterhin nach neuen Besitzern, die interessiert sind, den Klub weiterzuentwickeln.» Es dürfte ein frommer Wunsch bleiben.

Was bedeutet der Rückzug für den europäischen Fussball?

Die Verantwortlichen bei Inter Mailand dürften ernsthaft besorgt sein. Der Verein hat den ersten Scudetto seit 2010 vor Augen, doch abseits des Platzes herrscht wohl Alarmstufe Rot. Suning hält seit 2016 die Mehrheit der Aktien an Inter Mailand und kürzlich kursierten bereits Gerüchte, die Mailänder seien auf der Suche nach neuen Geldgebern. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Suning Anteile loswerden will. Offenbar gehört der chinesische Onlinehändler Alibaba zu den Interessenten, noch ist nichts unter Dach und Fach. Und so erstaunt es nicht, dass Inter-CEO Alessandro Antonello bereits vor gut einem Monat meinte, der Klub befinde sich in einer «delikaten finanziellen Situation». Nun ist auch klar, wie delikat die Situation tatsächlich ist.

Für TV-Deals nicht bezahlt

Suning gehört auch die chinesische Streamingplattform PP Sports, die die TV-Rechte der Serie A und der Premier League für den chinesischen Markt hielt. Wegen ausstehender Zahlungen hat PP Sports diese verloren. 700 Millionen Dollar hätte die Plattform alleine für drei Saisons Premier League bezahlen müssen. Wie die Premier League meldet, wurden nur 215 Millionen bezahlt. Die Plattform «Sportsbusiness» berichtet, dass sich die Liga und PP Sports gegenseitig verklagt haben. Die Spiele der Premier League und der Serie A werden in China inzwischen von anderen Anbietern übertragen.

Bereits im Herbst 2020 musste PP Sports wegen der Verluste des Mutterkonzerns Suning sowie offensichtlichen Fehlkalkulationen diverse TV-Verträge nachverhandeln. Davon betroffen waren etwa auch die Bundesliga, Champions- und Europa League.

Der Fall Jiangsu ist nur die Spitze des Eisbergs

Ein Einzelfall ist Jiangsu nicht. So durfte etwa Shandong Luneng wegen finanzieller Probleme nicht an der asiatischen Champions League teilnehmen. Das dürfte im Fall Jiangsus nicht anders sein, sollte nicht doch noch ein «Retter» gefunden werden. Insgesamt sind letzte Saison elf chinesische Fussball-Profivereine aufgrund finanzieller Probleme disqualifiziert worden. Fünf zogen sich aus freien Stücken zurück. Die Blase ist geplatzt.

Auch weil der Staat offenbar die Lust am Spiel verloren hat. Denn den Boom erst so richtig ausgelöst hatte einst Staatspräsident Xi Jinping, der vom Weltmeister-Titel Chinas träumte und von der wichtigen Rolle des Fussballs schwadronierte. Viele Unternehmen wollten Xi Jinping wohl schmeicheln und investierten in der Folge Millionen in den Fussball. Inzwischen soll den Verantwortlichen bewusst geworden sein, dass man die Ziele nicht erreichen wird. Weder die TV-Quoten noch die Zuschauerzahlen sind im erhofften Umfang gestiegen und die Klubs haben es in ihren Gebieten nicht geschafft, eine Fanbasis aufzubauen.

Wird auch GC geopfert?

Auch der «Blick» berichtet über die geplatzten Träume des chinesischen Fussballs, der am Ende sei. So wolle auch West-Brom-Besitzer Lai Guochuan den Verein so schnell als möglich verlassen und Fosun schraube die Stadionbaupläne bei Wolverhampton drastisch zurück. Und sollte Fosun die Lust am Fussballgeschäft verlieren, dann dürfte das auch GC eher früher als später zu spüren bekommen.