Nations League Die Nati muss um jeden Preis den Abstieg verhindern – einfach wird das nicht

Von Patrick Lämmle

2.9.2020

Granit Xhaka wird die Schweizer Nati in schwierigen Spielen als Captain anführen.
Granit Xhaka wird die Schweizer Nati in schwierigen Spielen als Captain anführen.
Bild: Getty

Bei der ersten Ausgabe der Nations League erreichte die Schweiz als Gruppensieger das Final-Four-Turnier und belegte am Ende hinter Portugal, Holland und England Platz vier. Bei der zweiten Ausgabe darf ein solcher Exploit nicht erwartet werden.

Die Schweiz wurde in eine Hammergruppe gelost. Die Gegner heissen Ukraine, Deutschland und Spanien. Dass unsere Nati am Ende von der Tabellenspitze grüsst und erneut das Final-Four-Turnier erreicht, käme einer Sensation gleich. Viel mehr geht es darum, nicht den letzten Platz zu belegen und so den Abstieg in die Liga B zu verhindern. Das ist wichtig, weil man sich nur in der Liga A mit absoluten Topmannschaften messen kann. In der Liga B spielen aktuell Mannschaften wie Nordirland, Schottland oder Bulgarien – auch für die Nati-Fans würden die Auftritte in der Nations League dadurch massiv an Attraktivität verlieren. Im Folgenden nehmen wir die Schweizer Nati und ihre Gegner genauer unter die Lupe.

Umfrage
Was trauen Sie der Schweizer Nati in der Nations League zu?
Schweizer Nati startet mit Rumpftruppe

Bei der ersten Austragung wurde noch in Dreiergruppen gespielt und so reichte der Schweiz am Ende ein einziger Exploit gegen Belgien, um sich als Gruppensieger für das Finalturnier im Juni 2019 zu qualifizieren. Dort setzte es im Halbfinal gegen den späteren Sieger Portugal (1:3) und im Spiel um Platz drei gegen England (5:6 nach Elfmeterschiessen) zwei Niederlagen ab. Für die EM, die eigentlich in diesem Sommer hätte stattfinden sollen, qualifizierte sich die Schweiz als Gruppensieger, dies, obwohl sie gegen Dänemark nur einen Punkt holte (3:3, 0:1). Ausrutscher gegen «Kleine» leistete sich unsere Nati schon lange keine mehr, doch in der Nations League warten nun drei harte Brocken. Dass die Schweiz beim Auftakt gegen die Ukraine auf mehrere arrivierte Spieler verzichten muss, macht die Ausgangslage noch komplizierter, als sie ohnehin schon ist.


Ukraine strotzt nur so vor Selbstvertrauen

Nach dem Gruppen-Aus an der EM 2016 übernahm der ehemalige Weltklassespieler Andriy Shevchenko das Traineramt. Die WM 2018 verpasste er zwar, doch in der folgenden EM-Quali überzeugte das Team auf ganzer Linie und qualifizierte sich, ohne auch nur einziges Spiel zu verlieren, als Gruppensieger vor Portugal für die Endrunde. In den Heimspielen gingen Shevchenkos Mannen immer als Sieger vom Platz. Rund die Hälfte der Spieler steht bei Schachtar Donezk, dem Halbfinalisten der Europa League, unter Vertrag. Dass die Ukrainer das Turnier ernst nehmen und grosse Ambitionen hegen, zeigt auch der Umstand, dass die Mannschaft seit vorletzter Woche gemeinsam trainiert. Um drei Punkte aus der Ukraine zu entführen, muss die Nati ein Topspiel abliefern.

Das wiedererstarkte Deutschland ist schlagbar

Nach der missglückten WM 2018 setzte es für die Deutschen auch in der Nations League eine herbe Schlappe ab. Das Team von Jogi Löw belegte in der Gruppe mit Frankreich und Holland den letzten Platz und stieg aus der Liga A ab. Nur dank einer Modusänderung und der damit verbundenen Aufstockung der Liga A von 12 auf 16 Teams darf Deutschland nun doch in der höchsten Liga antreten. Dass sie zweifelsohne auch dort hingehören, zeigten sie in der darauffolgenden EM-Quali, die sie vor Holland souverän als Gruppensieger abschlossen. Der nach der WM 2018 eingeleitete Umbruch scheint langsam aber sicher zu fruchten.

Allerdings gewährt Löw nun einigen Stammkräften Sonderlaub. Von Champions-League-Sieger Bayern München fehlen Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Serge Gnabry, von Halbfinalist RB Leipzig Lukas Klostermann und Marcel Halstenberg. Die Bayern-Spieler Thomas Müller und Jérôme Boateng sind ohnehin nicht mehr Teil der DFB-Elf. Ganz ohne Bayern-Spieler muss Löw aber doch nicht auskommen: Leroy Sané (wechselte von ManCity nach München) und Niklas Süle sind dabei, beide kehrten erst in den letzten Wochen von Kreuzbandrissen zurück.

Löw wird also nicht aus dem Vollen schöpfen können, auch auf der Goalieposition. Denn Marc-André ter Stegen, der in Abwesenheit von Neuer im Tor gesetzt gewesen wäre, liess sich nach der Saison an der Patellasehne operieren und fällt längere Zeit aus. Mit Arsenal-Keeper Bernd Leno, Kevin Trapp (Frankfurt) und Oliver Baumann (Hoffenheim) stehen dennoch drei mehr als solide Keeper zur Verfügung. Aufgrund all der Absenzen ist klar: Deutschland ist schlagbar – wenn nicht jetzt, wann dann?

Spanien: Grosse Ziele trotz radikaler Verjüngungskur

Für die Spanier ist es wohl kein Nachteil, dass die EM um ein Jahr verschoben wurde. Denn Ende letzten Jahres musste Robert Moreno nach dem souveränen Erreichen der EM seinem Vorgänger Luis Enrique Platz machen – das Ganze löste in Spanien ein Erdbeben aus.



Inzwischen liegt dieser Knatsch in weiter Ferne und so steht das Sportliche wieder im Zentrum. Und da überrascht der neue alte Coach, dessen Tochter  vor ziemlich genau einem Jahr im Alter von nur neun Jahren verstorben ist, mit seiner Nomination. Bei seinem Comeback figurieren sieben Neulinge im Kader. «Ich schaue nicht auf das Alter», erklärte Enrique seinen Entscheid und sagte etwa über das 17-jährige Talent Ansu Fati: «Er verfügt über die nötige Qualität, er hat exzellente Statistiken. Nur Lionel Messi war bei Barcelona in dem Alter noch besser.» Dafür fehlen im Aufgebot einige grosse Namen, etwa Jordi Alba (Barcelona), Isco (Real Madrid), Alvaro Morata und Saúl (beide Atlético). Ganz ohne die «alten Hasen» geht es aber nicht. Angeführt wird die Auswahl von Abwehr-Boss Sergio Ramos (34) und dem 29-jährigen Triple-Sieger Thiago. Auch Barcelonas Sergio Busquets (32) ist dabei.

2008 und 2012 hat Spanien die EM gewonnen, 2010 die WM. Zwar will der 50-Jährige seine Mannschaft nicht mit jener der «goldenen Generation» vergleichen, und doch schwebt ihm Grosses vor: «Bei der EM im kommenden Jahr ist es unser Ziel, den Titel zu gewinnen!» Den Grundstein auf dem Weg dorthin will er in der Nations League legen. Die Spiele seien «sehr wichtig», denn als Nationaltrainer habe man nicht so viele Termine um mit der Mannschaft zu arbeiten. «Da sind solche Spiele, auf so einem Niveau, eine gute Möglichkeit für uns.»

Aufgrund der unglaublichen Dichte an Topspielern muss Spanien in der Nations League, wie auch an der EM im kommenden Jahr, zu den Topfavoriten zählen. Stellt sich bloss die Frage, ob der Umbruch im Eilzugstempo gelingt. Die Schweiz trifft am 10. Oktober auf Spanien.

Zurück zur StartseiteZurück zum Sport