Vor der dritten Bundesliga-Saison mit Borussia Dortmund erklärt Trainer Lucien Favre seine auffallende Zurückhaltung an der Seitenlinie und macht klar, wieso er auch in Zukunft auf junge, wilde Spieler setzen wird.
Der Start in die neue Saison ist Lucien Favre und seiner Mannschaft nach Wunsch geglückt. Im DFB-Pokal schlägt Dortmund am Montagabend den Drittligisten Duisburg gleich mit 5:0 und zeigt sich dabei in Spiellaune. Vor allem die junge Garde um Jadon Sancho, Erling Haaland (beide 20) oder Giovanni Reyna (18) stellt ihr grosses Potential unter Beweis. Mit Jude Bellingham stiehlt ihnen ein 17-Jähriger mit einem überragenden Pflichtspieldebüt für die Borussia aber die Show.
Nachdem sich der Engländer in der Vorwoche bereits zum jüngsten U21-Torschützen seines Heimatlandes macht, ist er seit Montag auch der jüngste Schütze eines Pflichtspiel-Treffers beim BVB. Bellingham beeindruckt aber nicht nur mit dem Tor zum zwischenzeitlichen 2:0 in der 30. Minute.
Das Geburtsdatum interessiert Favre nicht
Nach der Partie schwärmt Trainer Lucien Favre: «Er ist ein Spieler, der als Sechser oder Achter spielen kann. Er verteidigt gut, kann aber auch in der Offensive Grosses leisten». Zudem habe er eine gute Beschleunigung und einen grossen Spieleinfluss. «Mit ihm können wir das System variieren. Was mir wichtig ist, ist nicht sein Geburtsdatum, sondern seine spielerische Intelligenz», macht der 62-Jährige im Interview mit Keystone klar.
Das gilt nicht nur für Bellingham. «Wir haben das Glück, grosse Talente in unserem Kader zu haben – mit Reyna, Bellingham, aber auch mit dem 18-jährigen Brasilianer Reinier, der von Real Madrid ausgeliehen ist. Yousouffa Moukoko, der im November 16 Jahre alt wird, kann ebenfalls in Betracht gezogen werden», zählt Favre seine jüngsten Ausnahmekönner auf. «Und natürlich sind da noch Jadon Sancho und Erling Haaland, die erst 20 Jahre alt sind. Warum also diesen Reichtum nicht ausnutzen?»
«Es hat keinen Sinn, wie verrückt zu schreien»
Dass beim BVB gleich fünf potentielle Stammspieler weniger als 21 Jahre auf dem Buckel haben, sieht Favre als Chance. Die Schwierigkeit sei, im Team die richtige Balance zu finden, merkt der Schweizer an: «Man muss ein Gleichgewicht finden. Die erfahrenen Spieler sollten uns sowohl Stabilität als auch Ruhe geben».
Zudem werde der dichte Spielplan mit vielen englischen Wochen vor allem für die jungen Spieler herausfordernd. «Heute müssen all diese jungen Menschen mit einem sehr grossen Druck fertig werden. Es hilft dir, zu wachsen», glaubt der Erfolgstrainer.
Favre weiss, von was er spricht. Kaum ein Trainer in Deutschland steht unter einem solchen Erwartungsdruck wie er. Oft kritisiert wird seine Zurückhaltung während den Spielen an der Seitenlinie. «Es hat keinen Sinn, wie verrückt zu schreien. Nach zehn Minuten hast du keine Stimme mehr», erklärt Favre darauf angesprochen. Von einer fehlenden Kommunikation will er aber nichts wissen. «Im Training spreche ich manchmal 25 Minuten ohne anzuhalten, um eine taktische Übung zu erklären. Ich mache das vor den Spielern, ohne Publikum, ohne Kameras. Ich brauche wirklich kein Schauspieler zu sein.»