FC Liverpool Fünf Jahre Klopp – was den Meistermacher ausmacht

Tobias Benz

8.10.2020

Jürgen Klopp gewann mit Liverpool diesen Sommer die englische Meisterschaft. Es ist die erste für den Klub seit 30 Jahren. 
Jürgen Klopp gewann mit Liverpool diesen Sommer die englische Meisterschaft. Es ist die erste für den Klub seit 30 Jahren. 
Bild: Getty

Am 8. Oktober 2015 übernimmt Jürgen Klopp das Traineramt beim FC Liverpool. Die «Reds» treiben zu dem Zeitpunkt hilflos im Tabellenmittelfeld. Fünf Jahre später zählen bei Liverpool nur noch die Titel – etwas anderes kann man sich gar nicht mehr vorstellen.

«I’m the normal one», mit diesen Worten stellte sich Jürgen Klopp heute vor fünf Jahren im Presseraum des FC Liverpool an der Anfield Road vor. Viel weiter daneben hätte der neue Trainer dabei kaum sein können. An Klopp ist etwa so viel normal wie an seinen neuen Zähnen. Dabei beschreiben die operierten Beisser den Werdegang des Klubs seit dem Amtsantritt des Deutschen in Perfektion.

Gehen einher mit der Form des FC Liverpool: Klopps Zähne 2015 (links) und 2020.
Gehen einher mit der Form des FC Liverpool: Klopps Zähne 2015 (links) und 2020.
Bild: Getty

2015 ist Liverpool ein Verliererklub. Mit Ausnahme des Gewinns der Champions League 2005 und dem Mini-Triple 2001 bleibt der Traditionsklub seit der letzten Meisterschaft im Jahr 1990 fast gänzlich erfolglos. Mit Klopp ändert sich das nicht schlagartig, dafür wohl langfristig. Nach mehreren Final-Niederlagen, unter anderem in der Europa League 2016 und der Champions League 2018, gewinnen die «Reds» 2019 die Champions League, den Super Cup, und krönen sich zum Klubweltmeister.

2020 folgt dann der Heilige Gral. Klopp schafft, was bei seinem Amtsantritt nur die grössten Opportunisten für möglich gehalten haben, und gewinnt mit dem FC Liverpool zum ersten Mal nach 30 Jahren die englische Meisterschaft. Die vielen Titel sind aber nur ein Teil von dem, was den Mythos Klopp in Liverpool ausmacht.

Viel Erfolg zu kleinem Preis

Von wenig Geld zu sprechen ist im heutigen Fussballgeschäft unmöglich. Selbst die 127 Millionen Euro, die Jürgen Klopp seit seiner Amtsübernahme in Liverpool ausgegeben hat, sind eine enorme Summe. Im Verhältnis zur Spendierfreudigkeit der Konkurrenz ist das aber fast schon Kleingeld.

Tatsächlich hat Klopps Liverpool natürlich mit 532 Millionen deutlich mehr für Transfers ausgegeben als die gerade genannte Zahl. Allerdings flossen in derselben Zeitspanne auch 405 Millionen durch Verkaufserlöse in die Kassen zurück. Übrig bleiben 127 Millionen, das sind exakt 25,4 Millionen Euro pro Jahr.

Mit diesem Budget hätte so mancher Klub Mühe, überhaupt in der Premier League zu verbleiben, geschweige denn sie zu gewinnen. Schon gar nicht, wenn die Konkurrenz gleichzeitig das x-fache ausgibt. Hier eine kleine Liste.

Die Big-Spender des Weltfussballs seit Jürgen Klopps Amtsantritt 2015. (Auf dieser Liste nicht ersichtlich: Klopp verpflichtete im Winter 2016 Marko Grujic für 6 Millionen Euro von Roter Stern Belgrad.)
Die Big-Spender des Weltfussballs seit Jürgen Klopps Amtsantritt 2015. (Auf dieser Liste nicht ersichtlich: Klopp verpflichtete im Winter 2016 Marko Grujic für 6 Millionen Euro von Roter Stern Belgrad.)
Bild: Transfermarkt.de

Weitsichtiges Handeln mit Nähe zum Verein

Klopps Liverpool ist keine Eintagesfliege. Die Mannschaft, die der 53-Jährige im Nordwesten Englands zusammengestellt hat, strotzt nicht nur aktuell von Qualität, sie hat immer noch Potenzial. Im Durchschnitt sind die Kicker an der Anfield Road 26,3 Jahre alt. Superstars wie Mohamed Salah (28), Sadio Mané (28) oder Virgil van Dijk (29) sind im besten Fussballalter und werden ihren Fans noch etliche erfolgsverwöhnte Jahre schenken.

Gleichzeitig wächst eine zweite Generation heran, die aber jetzt schon in die Mannschaft integriert ist. Viele dieser jungen Spieler wie Trent Alexander-Arnold (22), Curtis Jones (19) oder Joe Gomez (23) sind noch dazu Eigengewächse, erstere beiden sogar gebürtig aus Liverpool.

Das macht Liverpool nicht nur zu einer besseren Mannschaft, es bindet das Team auch auf eine ganz spezielle Art und Weise an die Fans – gibt es für sie doch nichts Schöneres als «Einen von Ihnen» auf dem Platz anzufeuern. Klopp gibt ihnen diese Gelegenheit.

Jürgen Klopp beorderte das Liverpooler Eigengewächs Trent Alexander-Arnold 2016 in die erste Mannschaft. Mittlerweile gehört der Rechtsverteidiger zu den Besten der Welt. 
Jürgen Klopp beorderte das Liverpooler Eigengewächs Trent Alexander-Arnold 2016 in die erste Mannschaft. Mittlerweile gehört der Rechtsverteidiger zu den Besten der Welt. 
Bild: Getty

Ehrlichkeit, Offenheit und witzige Sprüche

Es gibt genügend griesgrämige Fussballtrainer auf dieser Welt. Und selbst Klopp liess nach Niederlagen schon mal den Giovanni Trapattoni heraushängen. Trotzdem ist der charismatische 53-Jährige einer der wenigen, die es verstehen, die Presse und die Fans gleichermassen mitzureissen.

Sei es ein ehrliches Platzinterview, ein übertriebener Jubel an der Seitenlinie oder ein lockerer Spruch an einer sonst öden Pressekonferenz, Klopp weiss immer zu überzeugen. Sogar wenn aufgrund der Coronakrise keine Fans im Stadion sind, bringt er die TV-Zuschauer zum Schmunzeln. So gab er erst kürzlich folgenden Spruch zum Besten: «Als ich ein Spieler war, spielte ich auch in leeren Stadien. Aber nicht weil niemand kommen durfte, sondern weil es niemanden interessierte.»

Diese Zeiten sind definitiv vorbei. Heute ist Jürgen Klopp der Hauptgrund, weshalb der englische, aber vor allem der Liverpooler Fussball so beliebt ist wie noch nie.

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