Interview Ivan Rakitic: «Ich vermisse viele Dinge, wenn ich an die Schweiz denke»

Jan Arnet, Marko Vucur, Patrick Lämmle

18.2.2019

Ivan Rakitic im Gespräch 
Ivan Rakitic im Gespräch 

In der Schweiz vermisst, in Kroatien ein Held und beim grossen FC Barcelona seit Jahren eine feste Grösse: «Bluewin» hat Ivan Rakitic, 30, zum Gespräch getroffen und ihn auch gefragt, was er besser kann als Lionel Messi.


Ivan Rakitic, Sie haben mit Kroatien letzten Sommer sensationell den WM-Final erreicht. Wie lange haben Sie gebraucht, um die Niederlage zu verdauen?
Das war nicht einfach. Du musst eine solche Niederlage nicht verdauen, du musst sie vergessen. Das Ganze war für uns mehr als ein Traum. Irgendwann ist der Stolz über das Erreichte grösser als der Frust über die Niederlage.

Haben Sie sich das Endspiel noch einmal angeschaut?
Nein. Keine einzige Sequenz. Es ist noch zu frisch. Aber ich denke schon, dass ich mir das Spiel irgendwann noch anschauen werde.

Den grössten Klub-Wettbewerb haben Sie indessen bereits gewonnen: die Champions League. Warum gewinnt Barça in diesem Jahr?
Wir wollen einfach die beste Mannschaft sein. Wir respektieren jeden Gegner, aber wir verspüren grosse Lust, den Titel nach 2015 wieder zu gewinnen.

Hatte die Hände 2015 bereits am Henkelpott: Ivan Rakitic.
Hatte die Hände 2015 bereits am Henkelpott: Ivan Rakitic.
Bild: Keystone

Im Achtelfinal ist Barcelona gegen Lyon klarer Favorit. Kann das gefährlich sein?
Das mit der Favoritenrolle ist so eine Sache und heutzutage nicht mehr so einfach wie früher. Lyon hat eine hervorragende Mannschaft, tolle Spieler und einen Trainer, der auf Details achtet. Es ist kein Zufall, dass dieses Team in den Achtelfinals steht. Sie haben in der Gruppenphase permanent gute Leistungen gezeigt, und es wird für uns nicht einfach, soviel ist klar.

Eine spanische Zeitung hat Sie kürzlich zitiert: «Ich möchte noch viele Jahre in Barcelona bleiben». Barça hat nun im zentralen Mittelfeld ordentlich nachgerüstet. Im Sommer kam Rafinha zurück, Arthur und Arturo Vidal wurden verpflichtet. Im Winter stiess mit Carles Aleñà ein Mann aus der eigenen Jugend zum Team, und im Juli folgt auch noch 75-Millionen-Mann Frenkie de Jong. Würden Sie sich auch mit einem Platz auf der Ersatzbank zufriedengeben?
Ja, der «alte Sack» bleibt noch hier (lacht). Nein, im Ernst. Es ist klar, dass sich der Verein verändert, Transfers macht und junge Spieler nachzieht. Es ist richtig, dass wir Talente fördern und in die Mannschaft integrieren. Gute Spieler sind bei uns immer willkommen. Mein Ziel aber bleibt: Ich bin hier, um zu spielen – wenn das nicht mehr so ist, dann muss ich mit dem Trainer darüber sprechen. Aber ich bin glücklich bei Barcelona. Ich geniesse jeden Tag, jedes Training und jedes Spiel sowieso. Von meiner Seite her brauche ich nichts zu verändern. Wenn sich die Jungen einen Platz suchen wollen, sollen Sie dies auf einer anderen Position tun (lacht).

Sie haben die Bundesliga erlebt und spielen seit acht Jahren in Spanien. Würden Sie die Premier League, die Serie A oder die Ligue 1 reizen?
Ich fürchte, so viel Zeit bleibt mir nicht mehr. Ich bin sehr glücklich in Spanien. Ich schaue gern englischen oder italienischen Fussball. Manchmal auch französischen. Aber im Moment gehen meine Gedanken nicht in Richtung eines Wechsels.

Angebote hatten Sie bestimmt zur Genüge. Gab es eines, bei dem Sie länger überlegen mussten?
Natürlich, das ist doch ganz normal. Und ich habe meine Situation immer gut analysiert und reflektiert. Aber ich spiele seit viereinhalb Jahren beim grössten Verein der Welt, habe am meisten Einsätze – und ich war damit immer glücklich und zufrieden. Und ich will mich weiterhin verbessern.

Was sagt Ivan Rakitic, wenn ein Verein aus Manchester im Sommer anruft und mitteilt, dass er Sie verpflichten möchte?
Danke (lacht). Natürlich sind solche Anfragen schmeichelhaft. Das Interesse eines grossen Vereins ist immer Beleg dafür, dass du auf dem richtigen Weg bist. Aber nochmals: Ich bin glücklich hier und denke nicht über einen Wechsel nach.

Sie sind mit 30 Jahren im besten Alter, aber trotzdem nicht mehr der Jüngste. Mit Xavi (er spielt in Katar) und Iniesta (Japan) lassen zwei Barça-Legenden ihre Karriere im fussballerischen Nirgendwo ausklingen. Könnten Sie sich ein solches «Abenteuer» auch vorstellen?
Da kann ich weder Ja noch Nein sagen. Das müsste ich ganz genau anschauen und mir mit meiner Familie auch die Frage stellen, was für uns am besten ist. Die Familie kommt an erster Stelle, das war schon immer so. Weit vor dem Fussball.



Mit Basel und Schalke haben Sie den Cup gewonnen, mit Sevilla die Europa League und mit Barcelona alles, was es zu gewinnen gibt. Schweizer Meister sind Sie aber noch nicht geworden. Ist das vielleicht noch ein Ziel?
Als Bernhard Heusler in Basel noch Präsident war, haben wir darüber gesprochen. Was wäre, wenn ... Inzwischen habe ich leider nicht mehr so viel Kontakt mit dem Verein. Mein Traum war immer, dass man mich in Basel in guter Erinnerung behält. Leider konnte ich mit dem Klub nicht Meister werden, aber wer weiss ...

Was vermissen Sie, wenn Sie an die Schweiz denken?
Viele Dinge! Rivella, Snacketti, Chlöpfer, Basler Läckerli, Kaffee trinken auf dem «Barfi». Die Karriere eines Fussballers geht ihren eigenen Weg, aber man vergisst nie, wo man herkommt.

Sie haben einmal gesagt, dass Christian Gross einer Ihrer wichtigsten Trainer war. Inzwischen haben Sie mit vielen bekannten Coaches gearbeitet: Luis Enrique, Unai Emery, Felix Magath und aktuell Ernesto Valverde. Welcher war der Einflussreichste und warum?
Jeder hat seinen Teil zu einem bestimmten Zeitpunkt beigetragen. Im Alter von 17, 18 Jahren war Christian Gross für mich beim FCB unheimlich wichtig. Ich hatte auch in Deutschland Glück, dass ich immer Top-Trainer hatte. Ich bin jedem Trainer, den ich hatte, dankbar.

Juni 2007: Ivan Rakitic im Austausch mit dem damaligen FCB-Trainer Christian Gross.
Juni 2007: Ivan Rakitic im Austausch mit dem damaligen FCB-Trainer Christian Gross.
Bild: Keystone

Können Sie sich vorstellen, irgendwann selbst Trainer zu sein?
Das weiss ich nicht. So weit will ich auch nicht vorausdenken. Vielleicht mache ich einmal den Trainerschein, der dann aber in einer Schublade zuhause verschwindet. Für mich ist klar, dass ich dem Fussball auch über mein Karriereende hinaus verbunden bleiben möchte. Aber ich kann nicht sagen in welcher Form.

Sie haben das Privileg, jahrelang mit dem bis anhin vielleicht besten Fussballer zu spielen. Was haben Sie von Lionel Messi gelernt?
Wenn es so einfach wäre, das zu tun, was er mit dem Ball macht, dann würde ich es auch machen (lacht). Für mich war immer beeindruckend, wie hungrig Lionel in jedem Training, in jedem Spiel und in jeder Saison ist. Er hat ja schon so viel gewonnen. Seine Einstellung ist einzigartig.

Jetzt bitte keine falsche Bescheidenheit. Was können Sie besser als Messi?
Kochen oder die Latte treffen. Vielleicht bin ich auch bei Kopfbällen besser (lacht).

Lionel Messi und Ivan Rakitic: Seit 2014 im selben Team.
Lionel Messi und Ivan Rakitic: Seit 2014 im selben Team.
Bild: Keystone

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