Stephan Lichtsteiner spricht über sein Temperament und hitzige Diskussionen mit Teamkollegen. Er verrät, welche Spieler er am meisten wachrütteln musste, und spricht über sein Verhältnis mit Xherdan Shaqiri.
15 Jahre lang spielte Stephan Lichtsteiner in europäischen Topligen, bis er in diesem Sommer seine erfolgreiche Karriere beendete. In seiner langen Laufbahn hat der 108-fache Internationale viel erlebt, an der Seite von absoluten Weltstars gespielt und entwickelte sich selbst zu einem Topspieler. Eine Eigenschaft begleitete den Aussenverteidiger dabei stets: sein grosses Temperament.
Immer wieder war zu sehen, wie Lichtsteiner Mitspieler und auch Schiedsrichter zusammenstauchte, wenn ihm etwas nicht passte. Im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» spricht der 36-Jährige nun über seine emotionalen Ausbrüche und erklärt, warum er auch oft auf dem Spielfeld laut wurde.
«Es kam vor, dass der Trainer mich vor einem Match zur Seite nahm und sagte: ‹Hör mal, Steph, der oder der Spieler sieht heute nicht besonders wach aus. Kannst du bei ihm ein bisschen Gas geben?›», erzählt Lichtsteiner. Das habe er dann auch gemacht – im Wissen, dass seine Art nicht immer nur gut ankommt. «Aber meistens erfüllte es den Zweck, und wir gewannen.»
«Im Training wurde es manchmal heiss»
Verstellt habe er sich nie. Deshalb war er auch in jeder Mannschaft akzeptiert, auch in der Garderobe – selbst wenn er manchmal lauter wurde. In seinen sieben Jahren bei Juventus Turin gehörte Lichtsteiner zu den absoluten Führungsspielern und hatte auch keine Angst davor, mal einem Superstar die Meinung zu geigen. Einen Gianluigi Buffon musste er natürlich nie wachrütteln, «er ist ähnlich geschnitzt wie ich. Ich nahm mich eher den Südamerikanern an, die alle brutal viel Talent besitzen, aber zwischendurch auch einmal dachten: ‹Morgen bezwingen wir Cesena locker.›»
Diesen Spielern habe er dann klargemacht, dass sie bei einer 3:0-Führung so denken können, vorher aber nicht. «Jeder wusste, wie ich bin. Ich erlebte so viele Momente, in denen es heiss war, auch im Training, da ging die Post ab», so Lichtsteiner. «Aber ich entschuldigte mich auch x-mal, wenn ich über das Ziel hinausgeschossen war. Trotz allem passte es zwischenmenschlich stets. Ich sagte zwar, wenn mir etwas nicht gefiel, gleichwohl kam ich mit allen sehr gut aus.»
Nachtragend sei nie jemand gewesen – zumindest nicht in Italien. «In Deutschland und in der Schweiz ist das etwas anders. Da braucht es etwas mehr, um vergessen zu können. Was die Mentalität angeht, bin ich eher nach Süden orientiert», so der Innerschweizer.
«Shaqiri und ich waren ein super Duo»
Auch Xherdan Shaqiri nahm sich Lichtsteiner in der Nati ab und zu zur Brust, weshalb die Öffentlichkeit oftmals spekulierte, die beiden würden sich nicht vertragen. «Wir lachten über das, was da zum Teil hineininterpretiert wurde, wenn wir auf dem Platz miteinander auffällig kommunizierten. Wir wussten immer beide, um was es geht und was wir wollen», erklärt Lichtsteiner.
Und weiter: «Wir waren ein super Duo. Ob wir als Best Friends rüberkommen, das war uns nie wichtig. Während Jahren prägten wir zusammen in der Nationalmannschaft die rechte Seite. Das klappte nicht zuletzt deshalb, weil wir uns gut verstanden.»
Dazu habe auch immer die gegenseitige Kritik gehört, stets im Sinne der Spieloptimierung. «Und das musste jeweils auf dem Feld und sofort passieren, nicht erst im Nachhinein, weil es da zu spät war, um etwas zu korrigieren.»