NBA- und NFL-Spiele in London, die italienische Supercoppa in Saudi-Arabien und der Final der Copa Libertadores in Madrid. Aufhören, bitte!
In den letzten Jahren hat die Kommerzialisierung des Sports rapide zugenommen. Ticketpreise steigen stetig, TV-Rechte werden in Milliardenhöhe versteigert und Werbung schmückt mittlerweile auch die Trainingskleidung der Stars.
Der Kreativität der Agenturen sind dabei keine Grenzen gesetzt. In Fussballstadien gibt es mittlerweile nicht nur bis zu drei Werbebanden hinter- oder übereinander, sie können sogar unterschiedlich bespielt werden. Gewisse internationale Spiele werden von beiden Längsseiten mit TV-Kameras aufgenommen. Der Grund: So können auf beiden Seiten unterschiedliche Bandenwerbungen dem Zielmarkt entsprechend platziert werden.
Hilfreich ist das zum Beispiel, wenn Deutschland gegen England kickt. Die deutschen und englischen Fernsehzuschauer sehen das Spiel dann von einer anderen Seite und werden mit Bandenwerbung in der entsprechenden Sprache bespielt.
Bitburger-Werbung für die Deutschen ...
... und Ladbrokes-Werbung für die Engländer.
So weit, so gut. Der Sportfan verkraftet das. Selbst Ärmelsponsoren und Einlaufkinder mit Werbekleidung kann man durchgehen lassen. Problematisch wird es aber, wenn die Gier dazu führt, dass Sportevents nicht mehr dort stattfinden, wo sie eigentlich herkommen, sondern dort, wo sie besser vermarktet werden können.
Geographische Neuorientierung
Am Donnerstag gewannen die Washington Wizzards das NBA-Spiel gegen die New York Knicks mit 101:100. In London.
In der NBA ist es schon fast Tradition, dass jedes Jahr einige Spiele im Ausland stattfinden. Unter dem Slogan «NBA Global Games» wird so seit den 80er Jahren versucht die Sportart weltweit beliebter zu machen.
2005 kopierte die NFL das Prinzip und trägt seither jährlich Spiele in London aus. Die aktuellste Ausgabe der «NFL London Games» gab es im vergangenen Herbst. Vom 14. bis zum 28. Oktober fanden im Wembley-Stadium drei American-Football-Spiele statt.
Auch der italienische Fussballverband hat die Idee übernommen. Die Supercoppa zwischen Meister und Pokalsieger fand in den letzten zehn Jahren nur noch dreimal in Italien statt. Die diesjährige Ausgabe ging diese Woche im King Abdullah Sports City Stadium in Dschidda in Saudi-Arabien über die Bühne.
Das wohl bekannteste Beispiel einer solchen geographischen Neuorientierung war letztes Jahr aber das Endspiel der Copa Libertadores. Weil es vor dem Rückspiel zwischen den Boca Juniors und River Plate zu heftigen Ausschreitungen vor dem Stadion von River Plate kam, wurde die Partie kurzerhand neu angesetzt und nach Madrid verlagert.
Ob das Finale nächstes Jahr wieder in Südamerika stattfindet, ist fraglich. Nicht zuletzt, weil der südamerikanische Kontinentalverband mit der Idee spielt, in Zukunft den Final nicht mehr als Hin- und Rückspiel, sondern als einzelne Partie austragen zu lassen. Und weil der diesjährige Event in der spanischen Hauptstadt ein voller Erfolg war. Leider.
Die lokalen Fans müssen den Kopf hinhalten
Unter solchen Wechseln der Austragungsorte leiden vor allem die lokalen Fans. Wer seine Mannschaft weiterhin vor Ort unterstützen möchte, muss teils unglaubliche Hürden überwinden.
Für den Final der Copa Libertadores flogen tausende Anhänger aus Argentinien nach Madrid und bezahlten dafür horrende Summen. Die Rechnung ist wahnwitzig.
Die Online-Platform «The Bubble» rechnete damals vor: Der Direktflug von Buenos Aires nach Madrid kostete mit «Iberia» gnadenlose 2'856 Franken. Das Ticket noch einmal gut 1'000 Franken. Das sind Kosten, die bei einer Austragung in Buenos Aires nie und nimmer angefallen wären. Wohlgemerkt: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Argentinien beträgt ledliglich 14'320 Franken.
Was aber fast noch skandalöser ist: Von den über 80'000 Tickets gingen lediglich je 5'000 an die Anhänger der beiden Mannschaften. Fast gleich viele (9'000) gingen an die Anhänger von Real Madrid. Die restlichen Tickets wurden in Spanien verkauft oder gingen an Organisatoren und Sponsoren.
Der Sport wehrt sich
Die neusten Entwicklungen in Spanien zeigen, dass es auch anders geht. Der Sport kann sich wehren. Nachdem die spanische La Liga letztes Jahr einen Vertrag mit dem US-amerikanischen Unternehmen «Relevent Sports» einging, um künftig Spiele in den USA auszutragen, gingen Spieler und Fans auf die Barrikaden.
Mit gemeinsamen Kräften verhinderten sie das Vorhaben des Ligaverbandes und zwangen diesen zur Kehrtwende. Das Spiel zwischen Girona und dem FC Barcelona, das eigentlich in den USA hätte stattfinden sollen, wurde am 6. Januar ganz normal im Coliseum Alfonso Perez in Girona ausgetragen.
Kosten für Anreise der Heimfans und Ticket: umgerechnet rund 80 Franken.