«Widerlich!» Medien und Prominente toben nach Metzelder-Verurteilung

tbz

30.4.2021

Christoph Metzelder muss trotz Schuldspruch nicht ins Gefängnis.
Christoph Metzelder muss trotz Schuldspruch nicht ins Gefängnis.
Bild: KEYSTONE

Ex-Fussballer Christoph Metzelder wird im Verfahren um Kinderpornografie zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Ein zu mildes Urteil? Die Meinungen in Deutschland sind gespalten.

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30.4.2021

Aus der Anklage, die Staatsanwältin Kathrin Radtke am Donnerstag verliest, geht hervor, um was für Fotos es sich im Fall Metzelder handelt. Es sind Bilder, die der ehemalige deutsche Nationalspieler per WhatsApp an drei Frauen verschickt hat. Darauf sind Kinder «deutlich unter 14 Jahren» zu sehen, die schwer sexuell missbraucht und vergewaltigt werden. Es sind harte pornografische Motive – nicht zumutbar, sie an dieser Stelle genauer zu beschreiben. Viele der Mädchen sind unter zehn Jahre alt.

Am Donnerstagnachmittag legt Metzelder ein Teilgeständnis ab, nachdem ihm das Gericht ein Angebot gemacht hatte. Laut Urteilsverkündung ist es erwiesen, dass er in 26 Fällen Dateien weitergegeben hat. In einem Fall wurde er für den Besitz von 18 Dateien bestraft. Der 40-jährige Träger des Landesverdienstordens Nordrhein-Westfalen und des Bundesverdienstkreuzes wird zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Lukas Podolski: «Widerlich!»

Weltmeister Lukas Podolski – ehemaliger Teamkollege von Metzelder – ist mit dem Verdikt nicht einverstanden. «Für das Urteil zehn Monate auf Bewährung habe ich kein Verständnis», sagte der 35-Jährige der «Bild». «Es geht hier nicht darum, ein Zeichen an einem prominenten Täter zu setzen. Es geht darum, dass so etwas grundsätzlich härter bestraft werden sollte. Auch ein Teilgeständnis darf keine Entlastung sein, wenn es um Kinderpornografie geht!»

Und weiter: «Da fehlt mir die abschreckende Wirkung. Wer sich gegen Kinder versündigt, muss mit aller möglichen Härte des Gesetzes bestraft werden. Noch mal: Es werden Kinder geschädigt! So wie ihre Eltern und Familien! Die Strafe wird dem Vergehen nicht gerecht.»

Auf Twitter bezeichnet Podolski das Urteil als «widerlich».

Kevin Kuranyi: «Das ist Deutschland»

Auch Ex-Profi Kevin Kuranyi zeigt sich am Freitag verärgert über das Strafmass. Auf Instagram vergleicht er den Schuldspruch mit demjenigen einer 84-Jährigen Frau, die wegen Diebstahls verurteilt wurde. Dazu schreibt Kuranyi: «Das ist Deutschland».

Oliver Pocher: «an Widerlichkeit nicht zu überbieten»

«Jedes Foto, da reicht auch nur eins, das man von dieser Art und Weise besitzt und weiterleitet, ist für mich schon Tatsache genug, dass man das schon sehr verwerflich finden sollte», so Oliver Pocher nach dem Urteil.

«Beim Thema Kinderpornografie gibt es keine zwei Meinungen (...) Das ist an Widerlichkeit nicht zu überbieten.» Pocher stört sich auch an der Strategie von Metzelders Verteidigern, die versuchten, die Tat zu «verhamlosen» und ihm sogar mit einer Klage gedroht hätten.

«Ich wurde versucht mundtot zu machen, ich habe eine Klage erhalten und sollte 10’000 Euro Schmerzensgeld an Christoph Metzelder bezahlen. Da frage ich mich, wie kann so jemand überhaupt Schmerzensgeld fordern?»

Die Zeit: «ein schaler Beigeschmack»

«Natürlich gilt für Christoph Metzelder wie für jeden Angeklagten und jede Angeklagte, dass ein Geständnis strafmildernd zu bewerten ist, und so wie er es vorgetragen hat, ist man geneigt, ihm seine Reue abzunehmen – und doch bleibt der schale Beigeschmack, dass all das taktisch motiviert sein könnte. Wer sein Unrecht erst einsieht, als er erwischt wird; wer seinen Anwalt ausschickt, um eine Zeugin zu diffamieren und ihr öffentlich vorwerfen zu lassen, im Verbund mit Polizei und Bild eine Intrige gegen den Ex-Fussballer gesponnen zu haben; wer es gar toleriert, Rafaela Jahn zu unterstellen, sie sei gar nicht fähig gewesen, die Posts in dem inkriminierenden Chat selbst zu verfassen, weil die Sprachkenntnisse der gebürtigen Serbin dazu angeblich nicht ausreichten – der muss sich die Frage gefallen lassen, ob er wirklich bereut, was er getan hat. Oder es nur bereut, erwischt worden zu sein.»

Die Bild: «ekelhaftes Selbstmitleid»

«Als Metzelder sein Geständnis vorliest, stockt die Stimme, er kämpft mit den Tränen. Es ist ein aufrichtiger, glaubhafter Moment. Er zeugt von einem zerstörten Leben. Seinem eigenen Leben. Aber um das geht es hier gar nicht. Es geht um die Kinder, verdammt! Metzelder behauptet, er sei nicht pädophil. Und spricht von einer Zäsur, er könne nicht mehr arbeiten, kriege seit der Razzia vor anderthalb Jahren keine Aufträge mehr. Bitte was? Will er sich hier zum Opfer erklären? Dieses ekelhafte Selbstmitleid. Unfassbar!»

Sueddeutsche Zeitung: «Alltagsdelikt»

«Der Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie sind, so furchtbar das klingt, ein Alltagsdelikt. Und wäre Metzelder nicht ein prominenter Ex-Fussballer, ein Mann, dem das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde ausgerechnet für seinen Einsatz für Kinder – sein Fall hätte vor den Amtsgerichten dieser Republik keinerlei Aufsehen erregt (...) Wer bekannt ist und wegen Kinderpornografie vor Gericht steht, bekommt in Deutschland die härteste Strafe: die Verbannung aus der Gesellschaft. Leider scheint das nicht abschreckend genug zu wirken.»

RTL: «Kaum jemand betrachtet diese Fälle nüchtern»

«Oft genug kommen solche Urteile der Öffentlichkeit zu mild vor – vor allem, wenn der Täter um eine reale Haftstrafe herumkommt. Viele fordern martialische Strafen. Kaum jemand betrachtet diese Fälle nüchtern. Genau das ist aber die Aufgabe von Gerichten, egal, wie verachtenswert die Tat sein mag. Das Gericht trifft am Ende ein Urteil im Rahmen der bestehenden Gesetze. Das zweite Urteil trifft die Öffentlichkeit. Metzelder hat selbst gesagt: ‹Die Anklage hat mein Leben zerstört!› – er hat wohl recht. Die Folge seiner Taten: Lebenslängliche Verbannung aus der Mitte der Gesellschaft. Das Urteil wird nicht zur Bewährung ausgesetzt.»

Stellungsnahme der Kinderschutzorganisation «Roter Keil»

«Christoph Metzelder ist am 29. April 2021 vom Amtsgericht Düsseldorf-Oberbilk zu einer 10 monatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Er hat sich von 2001 bis 2006 bei roterkeil.net engagiert. Mit der Gründung seiner eigenen Stiftung im Jahr 2006 endete dieses Engagement. Wir sind in Gedanken bei den Kindern, die auf den Bildern abgelichtet sind. Ihnen wurde unermessliches Leid angetan, welches nicht wieder gutzumachen ist. Der Besitz und der Vertrieb von kinderpornografischem Material darf in keiner Weise bagatellisiert werden. Hierbei handelt es sich, wie beim physischen Missbrauch, um sexualisierte Gewalt, die Kindern und Jugendlichen angetan wird. Eine Stärkung des gesellschaftlichen Problembewusstseins ist hier weiterhin dringend notwendig.»

Natascha Ochsenknecht: «Zum Kotzen»

Auch Ex-Model und Reality-Show-Kandidatin Natascha Ochsenknecht findet auf Instagram deutliche Worte zum Fall Metzelder.