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Sport-Rückblick 2018 Merci Xherdan, das hätte ich nicht für möglich gehalten

Toby Benz

1.1.2019

Xherdan Shaqiri hat in Liverpool zurzeit viel zu Grinsen.
Xherdan Shaqiri hat in Liverpool zurzeit viel zu Grinsen.
Bild: Getty

2018 war alles dabei: Olympia, Fussball-WM und Höchstleistungen im Firmensport. Einer hat mich dabei besonders überrascht – Xherdan Shaqiri.

Das sportliche Highlight des Jahres? Einfach. Die Machtdemonstration des SC Hota St. Gallen. Der Dominator im St. Galler Firmenfussball zerpflückte in der vergangenen Saison die Gegner und gewann alle 14 Spiele. Torverhältnis: 59:8. Seltsamerweise hielt sich die Begeisterung der Massen in Grenzen. Liegt wohl an der fehlenden medialen Aufmerksamkeit einer regionalen Firmensportmannschaft.

Deutlich mehr Aufmerksamkeit generierte 2018 eine andere, mir sehr vertraute Fussballmannschaft, der FC Liverpool. Grossen Anteil daran hat mittlerweile auch ein Schweizer. Für mich das zweite sportliche Highlight des Jahres.

Der Wechsel

Melwood, Liverpool, 13. Juli 2018, 13:01 Uhr Ortszeit

Ich will ehrlich sein. Als die Website des FC Liverpool am frühen Nachmittag verkündet, der Transfer eines gewissen Xherdan Shaqiri von Stoke City an die Anfield Road sei perfekt, freue ich mich nicht. Mit Stirnrunzeln und zuckenden Nasenflügel klicke ich mich durch die pompöse Bildergalerie. Xherdans Grinsen ist umwerfend. Ich stelle mir vor, wie sein Gesicht auf der Ersatzbank von Spieltag zu Spieltag länger wird und überlege mir jetzt schon die passenden Negativschlagzeilen. Kopfschüttelnd sitze ich da und habe keine Ahnung, wie unglaublich falsch ich liege.

Der Einstand

Michigan Stadium, 28. Juli 2018, 18:45 Uhr Ortszeit

Bei seinem Debüt vor 101’254 Zuschauern ballert Shaqiri das Leder per Fallrückzieher in die Maschen. Liverpool schlägt Manchester United glatt mit 4:1. Xherdans Grinsen ist umwerfend. Ich streiche eine meiner Negativschlagzeilen.

War das bloss Glück oder könnte er tatsächlich schaffen, was zuletzt Philipp Degen kläglich versäumte? Könnte er der erste Schweizer seit Stéphane Henchoz werden, der bei meinem FC Liverpool etwas bewegen kann? Vermutlich nur Glück, schliesslich wird er in einem Ernstkampf gegen die Erzrivalen aus Manchester nie und nimmer ein Tor erzielen, geschweige denn auf dem Platz stehen. Kopfschüttelnd sitze ich da und …

Der Ritterschlag

Anfield, Liverpool, 16. Dezember 2018, 18:28 Uhr Ortszeit

Wieder spielt Liverpool gegen Manchester United, dieses Mal ist es ein Ernstkampf. Das Heimteam ist drückend überlegen, aber nach 70 Minuten steht es 1:1-Unentschieden. Ein Tor muss her, so sieht das auch Trainer Jürgen Klopp und er schickt Xherdan Shaqiri aufs Feld. Der Schweizer hat in dieser Saison nun schon ein paar Mal gezeigt, dass er Tore schiessen kann. Aber ist er der Richtige in solch einer wichtigen Partie?

Noch bevor ich diesen Satz fertig denken kann, knallt Shaqiri den Ball mit voller Wucht via Unterlatte ins Tor. Vier Kilometer entfernt in einem Pub im Liverpooler Stadtzentrum fliegt mein Pint mit ähnlicher Geschwindigkeit in Richtung Tischnachbar. Ich liege in den Armen eines dicken, haarigen Engländers, der mir aus Versehen mit seiner Pranke eine schallende Ohrfeige verpasst. «Sorry Xherdan», brüllt er mir ins Ohr. Als Schweizer hat man hier jetzt keinen eigenen Namen mehr. Nun heisst man entweder «Big Shaq», «Powercube» oder einfach Xherdan.

«Big Shaq» hat sich in die Herzen der Fans des FC Liverpool geschossen.
«Big Shaq» hat sich in die Herzen der Fans des FC Liverpool geschossen.
Bild: Getty

Und mein neuer Namensvetter kommt gerade erst in Fahrt. Er spürt die Nervosität, die in Anfield beim Stand von 2:1 gegen Manchester United immer noch herrscht und sorgt in der 80. Minute für klare Verhältnisse. Einen Doppelpass mit Firmino nimmt Shaqiri mit seinem linken Fuss direkt und erneut zappelt der Ball im Netz. Das Stadion explodiert. 52'908 Zuschauer schlagen den Schweizer zum Ritter.

Meine Negativschlagzeilen nehmen denselben Weg wie zuvor mein Pint – sie verschwinden. Ungläubig stehe ich inmitten der jubelnden Menge und starre auf den Fernseher. Xherdans Grinsen ist umwerfend. Ich grinse zurück.

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