Kein spanischer Fussballer war so erfolgreich wie Andrés Iniesta. Obwohl er nie zum Weltfussballer gekürt wurde, gehört der stille Zeitgenosse mit den magischen Füssen zu Besten aller Zeiten seines Fachs.
Am 11. Juli 2010 in Johannesburg machte sich Andrés Iniesta unsterblich. In der Verlängerung schoss er die Spanier gegen die Holländer zum WM-Titel. «Das Ding musste einfach rein», meinte er danach.
«Es fühlt sich für mich an, als ob mein Tor ein ganzes Land bewegt hätte». Der WM-Sieg sei «ein Traum für jeden Fussballer, selbst wenn nicht ich das Siegtor erzielt hätte. Aber weil ich das eben erzielte, ist es ein Traum hoch 1000», erläutert «Don Andrés»
Am Dienstagabend auf Teleclub Zoom:
Di 12.05. 20:00 - 21:30 ∙ Teleclub Zoom D ∙ ES 2020 ∙ 90 Min
Sendung ist älter als 7 Tage und nicht mehr verfügbar.
Beim Jubel zeigte der 1,71 Meter kleine Mann aus Fuentealbilla, einem 2000-Seelen-Dorf aus Kastilien-La Mancha, warum er nicht nur einer der grössten Fussball-Legenden, sondern neben seiner herausragenden Technik auch ein feiner Mensch ist.
Bei seinem Jubellauf zog er sich das Nationaltrikot aus, darunter trug er ein weisses Leibchen mit der Aufschrift: «Dani Jarque, siempre con nosotros», (zu deutsch: «Dani Jarque immer mit uns»). Es war eine Hommage an den 2009 an Herzversagen verstorbenen Freund aus gemeinsamen Juniorentagen.
Persönliche Krise im sportlichen Hoch
Dessen Verlust nagt am sensiblen Künstler mehr, als die Öffentlichkeit ahnt. Iniesta litt seit dem Sommer 2009 an Depressionen. Zuvor hatte er noch mit Barcelona das Triple geholt. Iniesta rettete sein Team im Champions-League-Halbfinal höchstpersönlich mit einem Treffer gegen Chelsea in allerletzter Sekunde.
«Man fühlt, dass man nicht sich selbst ist – man hat keine Freude oder Gefühle mehr. Am Ende fühlt man sich innerlich leer. Und dann gibt es einen Moment, in dem man merkt, dass man es nicht mehr aushält», beschreibt Iniesta gegenüber «antena3» seinen inneren Kampf. Er holt sich psychologische Hilfe und schafft es langsam aus der Abwärtsspirale heraus, bis er in Südafrika wieder der «alte» Iniesta ist.
Schwierigkeiten und schwere Phasen zu überstehen lernte er schon früher. Als Zwölfjähriger holte ihn Barça zu sich in die Talentschmiede «La Masia», er litt fürchterlich an Heimweh, biss sich aber durch.
Nachdem er bei den Katalanen alle Jugendteams durchlief, hatte er «Mühe in der ersten Mannschaft einen Platz zu finden , weil die Konkurrenz so stark war», gesteht Iniesta im Interview mit «Marca». «Aber ich habe immer Vertrauen in mich gehabt.»
Lichtgestalt des Fussballs
Kein Wunder, schliesslich war sein Talent nicht zu übersehen. Mit seinen Dribblings und Pässen nervte er jeden Gegner. Sein Lehrmeister Pep Guardiola bezeichnete ihn treffend als «Meister über Raum und Zeit». Neben dem Platz nahm man den jungen Mann mit dem schütteren Haarwuchs dafür kaum wahr, ohne Tattoos und Starallüren fiel er im sonst so grellen Fussball-Zirkus aus der Reihe. Zu Beginn seiner Karriere konnotierten dies einige einheimische Medien fälschlicherweise mit Langeweile – eigentlich sollte ja ein bescheidener und ehrlicher Charakter gewürdigt statt belächelt werden.
Nach 22 Jahren in Diensten des FC Barcelona und einer langen Karriere in der Nationalmannschaft lachte niemand mehr über den Welt- und Europameister, der insgesamt 32. Titel gewann – mehr als jeder andere Spanier. 2012 wurde er sogar Europas Fussballer des Jahres.
«Je näher ich am Ball sein kann, desto besser»
Iniesta denkt mit Vorliebe vor allem an eine Zeit zurück: «Speziell die Jahre mit Pep auf der Bank und mit Xavi und Messi auf dem Platz (...) haben mir im Fussball am meisten Spass gemacht, und da hatten wir auch den meisten Erfolg.»
Im Sommer 2018 wechselte Iniesta zum japanischen Erstligisten Vissel Kobe. Der 36-Jährige hat beim Klub von Trainer Thorsten Fink noch einen Vertrag bis 2021. Er wünsche sich, auf irgendeine Art und Weise mit dem Sport verbunden sein zu können, erläutert Iniesta seine Plänen nach der Karriere.
Vielleicht macht er es seinem kongenialen Partner Xavi nach, der sich im Trainerbusiness versucht. Er beobachte dessen Weg jedenfalls genau, so Iniesta. Oder er tritt in die Fussstapfen eines anderen Künstlers, Andrea Pirlo, der sich dem Weinbau widmet. Auch Iniesta gehört in seinem Heimatdorf ein grosses Weingut. Aber sicher wird man die Barça-Legende, die durch ihr Auftreten überall Respekt geniesst, immer mit dem Ball am Fuss sehen. Denn eines hat Iniesta in seiner atemberaubenden Karriere gelernt: «Je näher ich am Ball sein kann, desto besser.»