Vor 16 Jahren «Ihr spielt, ich mache den Rest» – Der Schiedsrichter-Skandal um Robert Hoyzer

dpa/jar

21.8.2020 - 04:34

Robert Hoyzer pfeift das Ende des Cupspiels zwischen Paderborn und Hamburg
Robert Hoyzer pfeift das Ende des Cupspiels zwischen Paderborn und Hamburg
Source: Getty

Paderborn gegen Hamburg steht wie kein anderes Spiel für den Manipulationsskandal, der den deutschen Fussball vor der Heim-WM erschüttert. Vor 16 Jahren pfeift Robert Hoyzer den Aussenseiter zum Sieg.

Was am 21. August vor etwas mehr als 7000 Zuschauern in Paderborn ablief, sah aus der Ferne zunächst nach einer typischen Cup-Blamage aus. Der Bundesligist Hamburger SV war mit 2:4 am Drittligisten Paderborn gescheitert. Es war nicht die erste Peinlichkeit, die sich die Hamburger leisteten, und sollte nicht die letzte sein. Doch für einmal waren die Norddeutschen tatsächlich geprellt worden. «Ich habe schon nach wenigen Minuten gesagt: Das ist doch gesteuert», erinnerte sich der damalige HSV-Trainer Klaus Toppmöller vor einem guten Jahr im Gespräch mit der dpa. «So etwas spürt man. Ich habe das nie wieder vorher und nie wieder nachher bei einem Spiel gedacht. Aber damals wurde jede Aktion bewusst gegen uns gepfiffen. Das war unglaublich.»

Die Hamburger führten in Paderborn nach einer halben Stunde mit 2:0. Dann nahm die Partie eine seltsame Wendung. Ein diskutabler Penalty, eine Rote Karte gegen den komplett entnervten belgischen HSV-Stürmer Emile Mpenza vor der Pause und ein weiterer unerklärlicher Penalty-Entscheid nach dem Seitenwechsel sorgten für die Sensation.

Auch die Spieler des HSV zweifelten schnell. «Es wurde schon zur Pause gemunkelt, dass etwas nicht stimmt», sagt Innenverteidiger Bastian Reinhardt Jahre später in einem Interview von «Spiegel TV». «Irgendetwas läuft hier, irgendetwas ist hier komisch», meinte Reinhardt. «Aber man will das einfach nicht wahrhaben.»

In einem Beitrag der «Sportschau» sagt sein Teamkollege Christian Rahn: «Wir haben anscheinend schon vor dem Anpfiff verloren.» Rahn berichtet zudem von aufgeschnappten Wortfetzen, die Hoyzer gegenüber den Paderborn-Spielern geäussert haben soll: «Ihr spielt die 90 Minuten einfach runter, ich mache den Rest.»

Hoyzer landet im Gefängnis

Direkt nach der Partie drehte sich die Berichterstattung aber mehr um die heftigen Reaktionen der HSV-Fans als um die Leistung der vermeintlich Unparteiischen. Erst Monate später kam heraus, dass Hoyzer von der kroatischen Mafia Geld bekommen hatte, um Paderborn zum Sieg zu pfeifen. Drahtzieher war ein gewisser Ante Sapina, der von einem Berliner Café aus Geld auf Spiele setzte und für das erwünschte Resultat beteiligte Personen bestach. Ein lukratives Geschäft: Das Cup-Erstrundenspiel brachte Sapina über 770'000 Euro ein. Davon gingen nur 20'000 an Hoyzer. Insgesamt soll der damals 25-jährige Student 67'000 Euro und einen Flachbildschirm-TV für alle seine Manipulationen – in der 2. Bundesliga, der Regionalliga und im Cup – erhalten haben.

Das Spiel vom 21. August 2004 sorgte für das Karriereende von Schiedsrichter Robert Hoyzer.
Das Spiel vom 21. August 2004 sorgte für das Karriereende von Schiedsrichter Robert Hoyzer.
Bild: Getty

Dass Hoyzer als junger Schiedsrichter überhaupt in die Position kam, solche wichtigen Spiele zu beeinflussen, zeigt wie steil seine Karriere lange Zeit verlaufen war. Schon als 24-Jähriger durfte er in der zweithöchsten Liga pfeifen. Der Weg an die internationale Spitze schien vorbestimmt, zumal er innerhalb des deutschen Verbandes auch viel Unterstützung erhielt. Nur bei den Schiedsrichter-Kollegen war er weniger beliebt und ab jenem Spiel in Paderborn hegte der eine oder andere einen Verdacht, in erster Linie Manuel Gräfe und Lutz Fröhlich, beide wie Hoyzer Berliner. Sie zeigten ihn Anfang 2005 beim deutschen Verband an.

Die Anschuldigungen wurden rasch publik gemacht. Hoyzer gab ein umfassendes Geständnis ab, nannte zahlreiche Personen, die ebenfalls an Manipulationen beteiligt gewesen waren. Es folgen Untersuchungshaft und dann 14 Monate Gefängnis wegen gewerbs- und bandenmässigen Betrugs in acht Fällen. Vom deutschen Verband erhielt Hoyzer eine lebenslange Sperre. Eine Strafe, die später abgemildert wurde: Er leitet zwar nie mehr einen Match, darf aber selber spielen und war sogar vor einigen Jahren als Technischer Direktor bei zwei unterklassigen Berliner Vereinen tätig.

Zwei Millionen für den HSV

Der Match Paderborn gegen Hamburg wurde nicht wiederholt, weil bereits weitere Cuprunden stattgefunden hatten. Für die Norddeutschen gab es aber eine Entschädigung: 500'000 Euro und die Zuschauereinnahmen in Höhe von 1,5 Millionen Euro aus einem Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft. Toppmöller war bereits nicht mehr HSV-Trainer, als herauskam, dass sein Verdacht gerechtfertigt war. Nur sieben Wochen nach der Cup-Blamage wurde er entlassen. Danach arbeitete er nie mehr im deutschen Fussball.

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