Die Zukunft von US-Coach Gregg Berhalter ist nach Bekanntwerden einer lange zurückliegenden Gewalttat gegen seine Frau offen. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die Eltern von Spieler Giovanni Reyna.
Giovanni Reyna stand bei der WM kurz vor dem Rauswurf aus der US-Nationalmannschaft. Chefcoach Gregg Berhalter bestätigte, dass er einen Spieler fast nach Hause geschickt habe, den Namen nannte er jedoch nicht. Reyna spielte bei der WM nur eine Ergänzungsrolle im US-Team, das im Achtelfinale gegen die Niederlande ausgeschieden war.
«Bei dieser letzten Weltmeisterschaft hatten wir einen Spieler, der auf und neben dem Platz die Erwartungen eindeutig nicht erfüllt hat. Als Mitarbeiter sassen wir stundenlang zusammen und überlegten, was wir mit diesem Spieler machen würden. Wir waren bereit, ein Flugticket nach Hause zu buchen, so extrem war es», hielt Berhalter bei einem Leadership-Briefing bei charterworks.com fest.
Schliesslich habe sich Reyna, der offenbar im Training lustlos agierte, bei der Mannschaft entschuldigen müssen. «Das andere, was wir zu ihm gesagt haben, war, dass er sich bei der Gruppe entschuldigen müsse. Aber er müsse sagen, warum er sich entschuldigt. Es muss tiefer gehen als nur «Leute, es tut mir leid»», so Berhalter. Nach der Aussprache habe es mit dem Spieler kein Problem mehr gegeben.
Giovanni Reyna «enttäuscht»
Dass es sich dabei um den BVB-Spieler gehandelt hat, wurde spätestens einen Tag nach Auftauchen der Vorwürfe klar. Der 20-Jährige meldete sich auf Instagram und zeigte sich dort «äusserst überrascht» davon, dass Interna aus dem US-Nationalteam an die Öffentlichkeit gelangt sind.
Berhalter habe «immer gesagt, dass Probleme, die in der Mannschaft auftauchen, im Haus bleiben, damit wir uns auf die Einheit der Mannschaft und den Fortschritt konzentrieren können», schrieb der Offensivspieler. Er sei enttäuscht, dass weiterhin über «die Angelegenheit» berichtet werde.
«Ich bin ein sehr emotionaler Mensch», meinte Reyna. Das habe auch seine Trainingsleistungen und sein Verhalten beeinflusst. «Ich habe mich bei meinen Mannschaftskameraden und meinem Trainer dafür entschuldigt, und man hat mir verziehen», hielt Reyna fest.
Berhalter macht Gewalt-Geständnis publik
Die ganze Angelegenheit nahm aber diese Woche eine überraschende Wendung, als sich Berhalter am Dienstag via Twitter mit einem überraschenden Statement meldete.
«Während der WM kontaktierte eine Person den US-Verband und sagte, dass sie Informationen über mich hätte, die mich ‹zu Fall bringen› würden – ein offensichtlicher Versuch, etwas sehr Persönliches aus längst vergangenen Zeiten zu nutzen, um das Ende meiner Beziehung zu U.S. Soccer herbeizuführen», so Berhalter.
«Im Herbst 1991 lernte ich meine Seelenverwandte kennen. Ich war gerade 18 Jahre alt geworden und studierte im ersten Semester, als ich Rosalind kennenlernte. Eines Abends hatten Rosalind und ich einen heftigen Streit, der sich draussen fortsetzte, während wir in einer örtlichen Bar etwas tranken. Es wurde handgreiflich und ich trat ihr in die Beine», schreibt der 49-Jährige.
Berhalter führt weiter aus, dass die Behörden nie involviert waren und dass er danach eine Beratung aufsuchte. Das Paar versöhnte sich sieben Monate später, heiratete und hat vier Kinder. «Die Lektionen, die wir in dieser Nacht vor über drei Jahrzehnten gelernt haben, wurden zur Grundlage für eine liebevolle, hingebungsvolle und unterstützende Beziehung, die wir mit unserem 25-jährigen Hochzeitstag am vergangenen Wochenende gefeiert haben», so Berhalter.
Mutter von Reyna kritisch – Verband ermittelt
Das Gewalt-Geständnis kam bei Danielle Reyna, der Mutter von Giovanni, nicht gut an. «Ohne ins Detail zu gehen, spielen die Aussagen den Missbrauch in der fraglichen Nacht deutlich herunter. Rosalind Berhalter war meine Mitbewohnerin, Mannschaftskameradin und beste Freundin, und ich habe sie durch das folgende Trauma hindurch unterstützt», schrieb sie in einem Statement.
Dort hält sie fest: «Ich habe lange gebraucht, um Gregg zu verzeihen und ihn zu akzeptieren, aber ich habe hart daran gearbeitet, ihm Gnade zu gewähren, und schliesslich beide und ihre Kinder zu einem wichtigen Teil meines Familienlebens gemacht. Ich hätte mir gewünscht und erwartet, dass er Gio die gleiche Gnade entgegenbringt. Deshalb ist die jetzige Situation so verletzend und hart.»
Wie «ESPN» berichtet, der anonyme Hinweis an US-Sportdirektor Earnie Stewart stammt – wenig überraschend – von ihr. Danielle Reyna bestätigte, einen Kontrakt zu Sportdirektor Earnie Stewart nach dem WM-Aus gehabt zu haben, wies jedoch Erpressungsvorwürfe zurück.
«Ich fand es besonders unfair, dass Gio, der sich für sein unreifes Verhalten in Bezug auf seine Spielzeit entschuldigt hatte, immer noch durch den Dreck gezogen wurde, während Gregg um Verzeihung für etwas viel Schlimmeres im gleichen Alter gebeten hatte und diese auch erhielt.»
Auch ihr Mann, Claudio Reyna – selbst mal in der Bundesliga als Profi aktiv und im Nationalteam langjähriger Teamkollege von Berhalter – soll gemäss «ESPN» nach dem WM-Aus mehrere Verbandsmitglieder diesbezüglich informiert haben. Er dementierte aber gemäss dem Bericht die Vorwürfe.
Die beiden Familien sind seit langem eng befreundet. Im Sommer beschrieb Berhalter in einem Interview nach einem Joker-Einsatz von Gio Reyna das spezielle Verhältnis folgendermassen: «Es ist fast so, als würde man ein Familienmitglied ins Spiel bringen.»
Die ganze Schlammschlacht hat auch bereits sportliche Auswirkungen. Der Verband hat eine externe Anwaltskanzlei damit beauftragt, welche die Sache unter die Lupe nehmen soll. Weiter gab man bekannt, dass der derzeitige Assistenztrainer Anthony Hudson das Team während eines Trainingslagers im Januar in Kalifornien leiten wird. Stewart wurde von der Verbandsspitze beauftragt, eine Trainerempfehlung abzugeben. Auch ein Verbleib von Berhalter sei Stand jetzt nicht ausgeschlossen, betonte Stewart. Die Prognose sei gewagt: Die Geschichte wird auf allen Seiten nur Verlierer hervorbringen.