Eine so talentierte Fussball-Nationalmannschaft hatte Norwegen wahrscheinlich noch nie. Dortmunds Haaland, Real Madrids Ödegaard – diese Namen wecken Fantasie. Den Sprung zur EM im nächsten Jahr hat dieses Team trotzdem überraschend verpasst.
Was für eine Generation! In Norwegens Angriff spielt das Dortmunder Naturereignis Erling Haaland und gleich daneben der Leipziger 20-Millionen-Euro-Einkauf Alexander Sörloth. Als Joker steht Milans 20-jähriger Neuzugang Jens Petter Hauge zur Verfügung.
Dahinter noch ein «Wunderkind» namens Martin Ödegaard, das schon mit 16 Jahren bei Real Madrid unterschrieb. Der norwegische TV-Experte und frühere Frankfurter Stürmer Jan Aage Fjörtoft zählte in einem Interview mit der «Süddeutschen» noch andere Vertreter der «goldenen Generation» auf. Er nannte den 22-jährigen Mittelfeldspieler Sander Berge (Sheffield United) oder den ebenfalls 22-jährigen Verteidiger Kristoffer Ajer (Celtic Glasgow).
Fjörtofts Fazit: «Das alles belegt, dass der Verband, die Klubs, aber auch die Spieler selbst in den letzten Jahren vieles richtig gemacht haben.» Im Kader der «Løvene» befindet sich auch der 26-jährige Mohamed Elyounoussi, der früher beim FC Basel spielte und nun bei Celtic engagiert ist.
Alle Beobachter sind sich einig: Das ist die beste und vor allem zukunftsträchtigste Fussball-Nationalmannschaft, die die grosse Ski- und Handball-Nation Norwegen jemals hatte. Allerdings bleibt dieser Mannschaft gleich ihre erste grosse Bühne im nächsten Jahr verwehrt, denn Haaland und Co. scheiterten überraschend in den Playoff-Spielen zur Europameisterschaft 2021 mit 1:2 nach Verlängerung an Serbien.
Haalands Wutausbruch: «Ziemlich sauer»
«Ich will nicht fluchen, aber ich bin ziemlich sauer», hielt der erst 20-jährige Haaland danach in einem Interview des TV-Senders «TV2» fest. «Wir hatten eine gute Möglichkeit, um zur EM zu kommen, aber wir sind ganz einfach nicht gut genug. Serbien ist besser als wir und sie haben verdient gewonnen.» Das sei «eine Enttäuschung».
Dabei klang die Strategie der Norweger sehr vielversprechend. Sie sahen die vielen Talente, die im Land heranwachsen, und brauchten vermeintlich nur noch jemanden, der sie zu einem wettbewerbsfähigen Team formt. Die Wahl fiel vor drei Jahren auf den Schweden Lars Lagerbäck, der zwar mittlerweile 72 Jahre alt ist, dafür aber in seiner langen Karriere schon mehrfach sein Heimatland, die «Super Eagles» aus Nigeria (WM 2010) und selbst den krassen Aussenseiter Island (EM 2016) zu grossen Turnieren geführt hatte.
Seit der Niederlage gegen die Serben aber glauben viele, dass ein konservativ denkender Trainer und eine Ansammlung von Hochbegabten, die im Ligaalltag mit ihren Spitzenklubs fast jeden Gegner dominieren, vielleicht doch nicht so gut zusammenpassen. «Ich habe mich überhaupt nicht ins Spiel involviert gefühlt», klagte Haaland hinterher. Das wird ihm nun als Kritik an Lagerbäck ausgelegt. Die norwegische Zeitung «Dagbladet» forderte unmissverständlich: «Es hat keinen Sinn, dass er weitermacht.»
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – Hattrick als Start in eine bessere Zukunft
Der erfahrene Trainer kennt diese Diskussionen um seine vermeintlich zu vorsichtige Taktik und sein fehlendes Vertrauen in junge Spieler. Er hat sie schon geführt, als er als Nationaltrainer Schwedens mit dem damals erst 24 Jahre alten Zlatan Ibrahimovic zur WM 2006 reiste und nach einer nur glücklich überstandenen Vorrunde im Achtelfinal gegen den Gastgeber Deutschland verlor.
«Ich habe kein Problem damit, zur Seite zu treten, falls mein Arbeitgeber dies wünscht», so Lagerbäck nach dem Platzen der EM-Träume. Er sagte zur Einordnung dieser grossen Enttäuschung aber auch: «Ich denke, unsere Fans haben unser Team überschätzt und Serbien unterschätzt. Sie haben eine sehr erfahrene Mannschaft.»
Nach dem aktuellen Stand der Dinge will der norwegische Verband seinem schwedischen Trainer weiter vertrauen und ihm einen neuen Anlauf zur WM 2022 in Katar zugestehen. Bei diesem Turnier wäre Haaland erst 22, Sörloth erst 26 und Ödegaard erst 23 Jahre alt. Die grosse Zukunft dieses Teams kann dann immer noch beginnen.
Dass Norwegen Fussball spielen kann, bewiesen sie beim 4:0-Sieg in der Nations League über Rumänien. Haaland gelang ein Hattrick, bei seinen ersten beiden Treffern wurde er von Real-Madrid-Wunderkind Martin Ödegaard bedient. Ein Lichtblick nach der grossen Enttäuschung.