Aleksander Ceferin spricht Klartext: Der UEFA-Präsident ist kein Fan des Videoschiedsrichters und hält dessen Umsetzung für chaotisch. Eine Abschaffung der neuen Technologie wäre aber tödlich.
Der Videoschiedsrichter, auch bekannt als «VAR», sollte eigentlich die Brisanz aus den ewig wiederkehrenden Schiedsrichter-Diskussionen herausnehmen. Aber obwohl nie als der grosse Heilsbringer angekündigt – seit der Einführung des VAR von einer positiven Entwicklung zu sprechen, wäre eine masslose Übertreibung.
Egal ob Handspiel, Abseits oder Elfmeter – viele Entscheide sorgen für mehr Diskussionsstoff rund um die neue Technologie und nun spricht sogar UEFA-Präsident Aleksander Ceferin von chaotischen Zuständen. «Heutzutage stehst du im Abseits, wenn du eine lange Nase hast», so der 52-Jährige in einem Interview mit dem englischen «Mirror». «Zudem zieht der VAR die Linien. Es ist also eine subjektive Zeichnung von objektiven Kriterien.»
Ceferin hat recht. Wann verlässt der Ball den Fuss? Kann dieser Moment überhaupt exakt bestimmt werden? «Wir werden das mit unseren Schiedsrichtern anschauen. Unser Vorschlag wäre, eine Toleranz von 10 bis 20 Zentimetern einzuführen», erklärt der Slowene und tritt sofort ins nächste Fettnäpfchen. Sollte der VAR nicht ursprünglich für Schwarz-Weiss-Entscheide eingesetzt werden? Wie soll man denn eine Linie ziehen, wenn man nun plötzlich noch eine Zahnbürstenlänge Entscheidungsspielraum hat?
«Wir wissen überhaupt nichts!»
Dass viele Entscheidungen auch mit dem VAR keine einfache Angelegenheit sind, erläutert Ceferin an einem eindrücklichen Beispiel. Vor einigen Wochen trafen sich am «Elite Club Coaching Forum» der UEFA in Nyon die besten Trainer des Kontinents.
›«Jürgen Klopp, Pep Guardiola, Max Allegri, Carlo Ancelotti, Zinédine Zidane – alle Top-Trainer sind da und unser Schiedsrichterchef Roberto Rossetti zeigt ihnen ein Handspiel. Dann fragt er: ‹Handspiel oder nicht?› – die Hälfte des Raumes sagt ‹Ja›, die andere Hälfte sagt ‹Nein›. Sagen Sie mir, wie klar die Regel ist. Wir wissen überhaupt nichts!»
Unklare Regeln sind aber nicht das einzige Problem. Auch bei der Umsetzung der neuen Technologie gibt es Verbesserungspotenzial. Ein grosser Kritikpunkt vieler Fussballfans sind zum Beispiel die unglaublich langen Wartezeiten. Das hängt auch mit der Konsultation des VAR-Bildschirms im Stadion zusammen.
«Schiedsrichter in England führen gar keine Checks durch», so Ceferin. «In Italien checken sie eine halbe Stunde lang. Es ist ein Chaos.» Aber nicht nur das – auch die verschwindenden Emotionen der Spieler beim Torjubel sind ein Problem. Sie nehmen dem Sport einen Teil seiner Seele. «Die Spieler? Die jubeln gar nicht. Jetzt warten sie zuerst auf den VAR», sagt Ceferin.
Abschaffung ausgeschlossen
Den Videoschiedsrichter wieder aus dem Spiel zu verbannen, ist für Ceferin derweil keine Option. Der VAR müsse weiterhin eingesetzt werden: «Ich bin kein grosser Fan, aber wenn wir ihn nicht mehr benutzen, dann sind wir tot. Die Mannschaften werden sich alle beschweren, wenn es einen Fehler gegen sie gibt.»
Richtig, das werden sie. Aber das tun sie ja auch jetzt schon.