Ein Job als Tellerwäscher, ein Wachstumsschub im Alter von 17 Jahren und eine Nahtoderfahrung drei Jahre später – Virgil van Dijks Werdegang hat es in sich. Ehemalige Teamkollegen und Weggefährten erinnern sich.
1991 erblickt Virgil van Dijk in Breda das Licht der Welt, wo er zusammen mit seiner Mutter und den zwei jüngeren Geschwistern aufwächst. Der Vater verlässt die Familie, als Virgil 12 Jahre alt ist. Irgendwann bricht der Kontakt ganz ab. Bis heute steht aus diesem Grund Virgil und nicht van Dijk auf dem Trikot des Innenverteidigers.
Seine Fussballkarriere lanciert er beim heimischen Amateurklub WDS'19, wo er in ganz jungen Jahren aufläuft. Mit neun Jahren wechselt van Dijk in die Nachwuchsabteilung des Erstligisten Willem II Tilburg, wo er seriös ausgebildet wird. Im Interview mit «spox» erinnert sich sein damaliger Teamkollege Thijs van de Berg: «Willem stellte einen Bus zur Verfügung, der ihn täglich in Breda abholte. Um acht Uhr morgens begann die Schule, danach war Training, um acht Uhr abends war er zurück in Breda.» Mit dem Auto muss van Dijk für eine Fahrt eine halbe Stunde einberechnen – bei günstigem Verkehr.
Dementsprechend lang sind die Tage für den Holländer. Freizeit gibt es kaum, und wenn, dann nutzt van Dijk diese, um Geld zu verdienen. Am trainingsfreien Mittwoch heuert er von 18.00 Uhr bis um Mitternacht in einem Restaurant als Tellerwäscher an – genau wie am freien Sonntag. «Ich habe gearbeitet, um am Samstagabend in der Stadt ausgehen zu können.
Ein «durchschnittlicher» Rechtsverteidiger
Zu dieser Zeit ist van Dijk einer Tätigkeit als Tellerwäscher näher als einer Karriere als Fussballprofi. «Er war ein durchschnittlicher Rechtsverteidiger und sass meistens auf der Bank», erinnert sich van de Berg an den damals unscheinbaren Teamkollegen. «Er war ein kleiner Bub und ziemlich schüchtern. Kein Mensch der vielen Worte. Keiner, der lustige Witze gemacht hat.» Und dann kommt der Sommer 2008, der alles auf den Kopf stellen sollte.
Im Alter von 17 Jahren erlebt van Dijk nämlich einen regelrechten Wachstumsschub und wird innert weniger Monate um 20 Zentimeter länger. «Nach dem Wachstumsschub kamen auf dem Platz auf einmal seine wahren Fähigkeiten zum Vorschein. Alle seine Bewegungen sahen plötzlich so leicht und elegant aus. Und dazu noch diese Explosivität», schildert van de Berg. Plötzlich nimmt man den Verteidiger als Führungsspieler wahr, in der U19 avanciert er zum Kapitän. «Wegen seiner körperlichen Präsenz hatten die Leute auf einmal Respekt vor ihm.»
Der Durchbruch beim FC Groningen
Mit 19 Jahren wagt van Dijk den nächsten Schritt, zieht aus und wechselt zum FC Groningen. Dort wird ihm im ersten halben Jahr vor allem eingetrichtert, welch hohe Bedeutung die Trainingsarbeit hat. «Virgil war im Training manchmal ein bisschen zu locker», bestätigt der damalige Teamkollege und heutige Nationalspieler Finnlands, Tim Sparv. «Ihm war nicht klar, was man tun muss, um ein Profifussballer zu werden.»
Aber van Dijk lernt schnell und verdient sich die ersten beiden Einsätze in der obersten holländischen Liga, zu denen er in Groningen aber erst gegen Ende seiner ersten Saison kommt – und zwar als Joker im Sturm. Auf die neue Saison erkämpft er sich dann einen Stammplatz in der Innenverteidigung und liefert im Oktober 2011 sein erstes grosses Spiel ab. «An dieses Spiel kann ich mich bis heute ganz genau erinnern«, sagt Sparv. «Es war die erste Spielminute, als der Ball in der eigenen Hälfte halbhoch in Richtung Virgil flog. Er hat ihn angenommen und dann etwa 40 Meter nach Linksaussen zu Tadic (Dusan, heute bei Ajax, Anm. d. Red.) geschlagen, der daraufhin das 1:0 schoss. Dieser schwierige Pass sah bei ihm so mühelos und elegant aus.» Später im Spiel erzielt van Dijk auch noch sein erstes Liga-Tor – mit einem Weitschuss aus ungefähr 30 Metern.
«Dem Tod in die Augen gesehen»
Ab da geht es für van Dijk stetig nach oben. Mit einer gewichtigen Ausnahme: Im April 2012 wird er mit einer Blinddarm- und Bauchfellentzündung ins Krankenhaus eingeliefert und muss operiert werden. In Folge des Eingriffs verliert er 15 Kilogramm Körpergewicht, die Lage ist ernst. «Ich habe mit meiner Mutter zu Gott gebetet. Irgendwann musste ich Formulare unterschreiben, so etwas wie ein Testament. Ich habe dem Tod in die Augen gesehen», sagte er dem Magazin «Voetbal International» einst. Doch zur neuen Saison ist er zurück und entwickelt sich in Groningen zum absoluten Führungsspieler.
Im Sommer 2013 folgt für van Dijk im Alter von 21 Jahren dann der Wechsel ins Ausland zu Celtic Glasgow – für nur drei Millionen Euro. «Ich konnte mein Glück nicht fassen, dass wir ihn so billig bekommen haben. Er hatte alles», erzählt der damalige Trainer Neil Lennon. Nach der ersten Trainingseinheit habe er ihn beiseitegenommen und gesagt: «Geniesse deine Zeit, du wirst nicht lange hier sein.»
Zwei Jahre und zwei Meistertitel später ist es soweit: Southampton holt den Innenverteidiger für rund 16 Millionen Euro in die Premier League. Seither brilliert van Dijk in England beinahe pausenlos und rein gar nichts erinnert mehr an den schüchternen, durchschnittlichen Rechtsverteidiger aus Breda. Oder mit den Worten von Jay Rodriguez, dem damaligen Teamkollegen in Southampton: «Du kannst versuchen, ihm davonzurennen – aber er ist schneller als du. Oder du kannst versuchen, ihm mit Härte zu begegnen – aber er ist härter als du.»