Hansi Flick legt los. Und schon am ersten Arbeitstag legt sein Kapitän die Messlatte auf Maximalhöhe. Gelingen soll das Projekt WM-Titel mit dem neuen Bundestrainer mit bewährten Bayern-Methoden.
Angespornt von der triumphalen Sieben-Titel-Zeit mit Hansi Flick beim FC Bayern löschte Manuel Neuer die missglückte EM einfach aus und verblüffte zum Neustart mit sehr forschen Tönen.
«Wir möchten grosse Ziele erreichen für das nächste Jahr. Deswegen bin ich weiter dabei. Ich möchte Weltmeister werden mit der Mannschaft», sagte der vom neuen Bundestrainer im Amt bestätigte DFB-Kapitän.
Rumms! Neuers grosse Worte verblüfften am Montag im regnerischen Stuttgart. Sie befeuerten zugleich die Aufbruchstimmung beim Nationalteam nach zwei Frust-Turnieren und dem Fussball-Stillstand in der Endphase von Joachim Löw. Zugleich legte Käpt'n Klartext die Messlatte für den 56-jährigen Flick gleich auf die Maximalhöhe.
Wie bei Bayern
Es soll alles laufen wie in München, als Flick im Herbst 2019 Niko Kovac als Chefcoach ablöste und in nur 15 Monaten mit dem Münchner Starensemble zum europaweit bestaunten Allesgewinner aufstieg. Für Neuer dient die gemeinsame Bayern-Zeit quasi als DFB-Blaupause.
«Für mich ist sehr wichtig, dass wir eine Einheit auf dem Platz sind, dass wir eine Ausstrahlung haben, dass wir aktiv sind und eine sehr hungrige Mannschaft auf dem Platz haben, die immer siegeswillig ist und versucht, den grösstmöglichen Erfolg rauszuholen», sagte Neuer. Rund 15 Monate sind es jetzt bis zum 18. Dezember 2022, dem Tag, an dem in Katar das WM-Finale ausgetragen wird.
Nach zwölf Jahren als Nationaltorwart und 104 Länderspielen erlebt Neuer erst den zweiten Bundestrainer. Das sei «schon eine komische Situation», bekannte der 35-Jährige. Der Blick geht strikt nach vorne, kurzfristig auf die Spiele am Donnerstag in St. Gallen gegen Liechtenstein anschliessend danach gegen Armenien und Island. Das neue Vorbild für Deutschland benannte Neuer noch vor dem ersten Training unter Flick auch gleich: Es ist der Europameister.
Vorbild Italien
«Italien ist eine Einheit gewesen auf dem Platz. Man hat gemerkt, wie aktiv sie waren, wie sie zusammengehalten haben. Es hat wirklich Spass gemacht, den Italienern zuzuschauen. So muss es bei uns auch werden. Sie haben es uns vorgemacht», sagte Neuer. Man habe – gerade auch bei den Fans – «etwas gutzumachen». Freude und Spass an Länderspielen sollen in naher Zukunft wieder «überschwappen in die Wohnzimmer».
Neuer glaubt, dass das fussballerische Können von Flicks Team nur neu aktiviert werden muss. «Ich weiss, welches Potenzial wir wirklich haben in der Mannschaft. Das haben wir bei den letzten Turnieren nicht abrufen können», sagte der Torwart, der die Nummer 1 bleibt.
Flick selbst würde vom WM-Titel nie sprechen. Auch wenn der Auftrag, die Nationalelf wieder in die Weltspitze zu führen, seinem eigenen Anspruch entspricht. «Ich möchte eine Mannschaft, die lebt, die sich gegenseitig pusht. Wir wollen erfolgreichen, schönen, modernen und aktiven Fussball spielen», sagte er in Stuttgart dem ARD-Hörfunk.
Teamwork als Erfolgsformel
Flick sieht Erfolg als Gemeinschaftswerk – und keinesfalls als eine One-Man-Show. Das belegte gleich der erste Arbeitstag. Flick ist zwar der Chef. Dennoch betont er das «Wir». Und so entsandte er zur ersten Pressekonferenz gleich mal seinen gesamten Assistentenstab. Also Danny Röhl, den er als Co-Trainer und engen Vertrauten vom FC Bayern mitgebrachte hat, Torwartcoach Andreas Kronenberg vom SC Freiburg, den dänischen Standard-Spezialisten Mads Buttgereit sowie als Konstante Marcus Sorg, der schon Löw treu als Assistent diente.
«Hansi legt grossen Wert darauf, als Team zu agieren», sagte der 32 Jahre alte Röhl. «Alle, die hier im Boot dabei sind, sind gefragt», betonte Flick, also Spieler, Trainer, das gesamte Team hinter dem Team. Auch beim FC Bayern war Flick so verfahren. Er schuf ein Klima für Erfolg. Und er fühlt sich im DFB-Job an seine Anfänge in München erinnert. Er hat kaum Zeit, er muss auf Anhieb liefern. «Wir haben hier wenig Tage. Genauso war es bei Bayern München. Da waren es auch zwei Trainingseinheiten bis zum ersten Spiel», erinnerte Flick.
Im November 2019 gelang ihm als Chefcoach in München ein Topstart: 2:0 gegen Olympiakos Piräus in der Champions League, danach zwei eindrucksvolle 4:0-Siege in der Bundesliga gegen Borussia Dortmund und Düsseldorf. Gegen Liechtenstein, Armenien und Island sind ebenfalls «neun Punkte» die von Flick formulierte Vorgabe.
Gelingen soll das mit Fussball, der Lust auf mehr machen soll. Röhl formulierte «drei grosse Schlagworte» für die ersten zehn Flick-Tage mit dem Nationalteam. «Tempo, Intensität und Aktivität» sollen zum Markenkern des Fussballs à la Flick werden.