Das Duell Warum das Panini-Fieber einfach zur WM gehört – und warum eben nicht

René Weder & Martin Abgottspon

22.3.2018

Bilder, wie man sie auch heute noch von Pausenhofs in der ganzen Schweiz kennt.
Bilder, wie man sie auch heute noch von Pausenhofs in der ganzen Schweiz kennt.
Bild: Getty Images

So mancher Erwachsener erinnert sich noch an ganz spezielle Paninibilder-Momente aus seiner Kindheit. Für die einen ist es bis heute einfach Kult, andere wenden sich ab. Morgen startet der Verkauf: Zwei Ansichten aus der Redaktion.

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Blenden wir mal die negativen Begleiterscheinungen aus: Zu teuer, Gruppendruck in der Schule und das Heft verschwindet spätestens nach der WM in der auf dem Dachboden verstauten Erinnerungsbox. Da bleibt es dann auch, bis man 20 Jahre später zufällig beim Ausmisten wieder darauf stösst. Doch dann sind sie unmittelbar wieder da: Die Gefühle der Vorfreude, die Erinnerungen an die Kindheit. An die grossen Stars. Maradona, Lineker, Butragueño und wie sie alle hiessen.

Meine Erinnerungen an die WM 1986 sind lebhafter, als etwa jene 2010 in Südafrika. Daran hat auch Panini seinen Anteil. Irak war dabei. Das Aztekenstadion fasst über 80’000 Zuschauer. Wüsste ich alles nicht mehr ohne Panini. Wichtig? Rational nicht, emotional selbstverständlich.

Der Tausch in der Schule wurde damals zelebriert, fünf Karten für ein Wappen einer unbedeutenden Mannschaft oder gegen einen Superstar. Und das alles nur der Vollständigkeit zuliebe. Heute haben die Kids den Tausch perfektioniert, es gibt die unterschiedlichsten Methoden: «Bläsle und wärfe» sind nur zwei davon. Und auch ältere Generationen lassen sich nicht davon abhalten, mitzumachen. Nicht auf dem Pausenplatz vielleicht, eher mit den eigenen Kindern – oder den Freunden der Kinder. Nicht zu vergessen die Arbeitskollegen, die natürlich auch nicht widerstehen können. Schlimmstenfalls sucht man sich die letzten Bilder online zusammen. Dabei geht es nicht nur um die inhaltliche Vorbereitung auf das grösste und bedeutendste Fussball-Turnier der Welt. Vielmehr sind wir ein Volk von Sammlern, das es gerne korrekt und vollständig hat.

Das Sammeln von Paninibildern ist einfach Kult. Nichts bringt Menschen aller Generationen so zusammen, wie diese kleinen Fussballbilder, die leidenschaftlich getauscht werden können – und das schon seit Jahrzehnten. Es gibt fürwahr seltsamere Traditionen. Ein volles Album zu besitzen ist aber etwas ganz Besonderes. Eine persönliche Errungenschaft. So etwas wie ein kleiner, persönlicher WM-Titel, auf den man lange stolz sein kann. Auch wenn das Heft danach verschwindet, vergilbt und erst viel später wieder für Glücksgefühle sorgt.

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Es fühlte sich an wie im siebten Himmel, als ich vor der WM 1994 alle doppelten WM-Panini-Bilder meines Onkels geschenkt bekam. Er hatte sein Album vervollständigt, ich für meinen Teil war noch kaum zur Hälfte fertig. Ich fühlte mich reich wie nie zuvor in meinem Leben, hatte wieder Tauschmaterial für den Pausenhof oder verzockte Bilder beim sogenannten «Handklatsch».

Erinnerungen, die ewig halten, sich aber nicht reproduzieren lassen. Heute hat das Bildchensammeln jeglichen Reiz verloren. Einerseits weil man am Kiosk mal eben so eine ganze Box kaufen kann und deswegen nicht gleich am Hungertuch nagt, andererseits weil das ganze Tauschgeschäft heute einfach nicht mehr den gleichen Charme hat. Früher feilschte man um Schweizer-Spieler und Wappen, wofür man teilweise bis zu zehn «normale» Bilder abstauben konnte. Unter Erwachsenen geht das heute viel nüchterner über die Bühne. Im besten Fall gibt es noch einen Eins-zu-Eins-Tausch, oft heisst es aber einfach: «Nimm, was du brauchst.» Das ist ja eigentlich eine nette Geste, macht das ganze Event aber auch irgendwie langweilig.

Als grosser Technologie-Fan habe ich mir nun im Vorfeld tatsächlich Gedanken gemacht, ob ich es nicht doch wieder mal versuchen will. Panini kündigte nämlich schon länger an, dass man im Zuge der Digitalisierung eine grosse Neuerung geplant habe. Konkret sieht die so aus: Mit einer App kann ich alle bisher erstandenen Bilder einscannen und verfüge so zusätzlich über ein digitales Bilderbuch. Der Mehrwert gegenüber einer handgeschriebenen Liste mit Zahlen, die nach wenigen Tagen aussieht, als wäre man sie schon drei Mal in der Waschmaschine gelandet, ist nicht wirklich gegeben.

Und wenn ich dann auch noch gezwungen bin, ständig Coca Cola zu trinken, nur um noch exklusive Promo-Codes zur Vervollständigung des Albums zu erhalten , dann kann ich auch dieses Jahr problemlos dem Sammelfieber widerstehen.

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