SRF-Expertin Martina Moser spricht vor dem Final in der Women's Super League über die Entwicklung in der Schweizer Liga.
Martina Moser war eine Pionierin im Frauenfussball und setzte sich stets für die Entwicklung ein. Im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA spricht die 38-Jährige über das dritte Finalduell in der Super League zwischen Servette Chênois und Zürich. Sie sagt, warum die anderen Teams aufgeholt haben, und weshalb verschiedene Klubphilosophien erfolgreich sein können. Und die 129-fache Nationalspielerin und heutige SRF-Expertin erklärt, warum sie hofft, bald keine Playoffs mehr zu sehen.
Martina Moser, am Sonntag stehen sich im Playoff-Final der Women’s Super League zum dritten Mal Servette Chênois und Zürich gegenüber. Wer ist für Sie favorisiert?
«Wenn man die vergangenen Saisons anschaut, als der FCZ jeweils auch als Zweiter der Qualifikation in den Final kam und gewann, spricht das für die Zürcherinnen. Über die ganze Saison gesehen schätze ich Servette Chênois aber etwas stärker und konstanter ein, unter anderem auch, weil sie über ein breiteres Kader verfügen. Es wird sicher sehr spannend.»
So 26.05. 14:45 - 18:00 ∙ SRF zwei ∙ 195 Min
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YB forderte Servette Chênois im Cupfinal, und Basel scheiterte im Halbfinal knapp an Zürich. Die beiden Topteams scheinen nicht mehr so hochüberlegen wie in früheren Jahren. Täuscht dieser Eindruck?
«Nein. Die anderen Klubs haben auch gute Arbeit geleistet und ihre Teams weiterentwickelt. Auf der einen Seite der FC Basel, der ein komplett neues Team zusammenstellte und mit vielen Spielerinnen sowie einer Trainerin aus dem Ausland arbeitete. Andererseits YB, das mit vielen Spielerinnen aus dem eigenen Nachwuchs agierte. Beide haben extrem aufgeholt und können um den Titel spielen. Auch andere Teams haben sich gut entwickelt und dazu beigetragen, dass es in der Meisterschaft spannender wird.»
Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?
«Das sind die Folgen der Professionalisierung. Trainerposten werden mit Vollzeitstellen besetzt, Staffs weiter vergrössert, Strukturen stetig verbessert, und es wird in die Weiterentwicklung investiert. Der Frauenfussball ist auf der ganzen Welt viel professioneller geworden in den letzten Jahren, und es ist heute auch eine Imagefrage für einen Verein, ob er Frauenfussball als wichtig ansieht und bereit ist, den Sport weiterzubringen.»
Sie erwähnten YB und Basel, die doch ganz unterschiedliche Strategien verfolgen. Überrascht es Sie, dass beide erfolgreich sind?
«Nein. Ganz unterschiedliche Konzepte können zum Erfolg führen. Es ist wichtig, dass die Mischung stimmt. Dass jeder Verein einen Weg findet, wie er den Frauenfussball weiterentwickeln will. In Basel brauchte es etwas Zeit, bis sich die vielen neuen Spielerinnen eingelebt haben und die Trainerin ihre Spielidee implementieren konnte. Trotz dieser Findungsphase kam der FCB weiter voran. YB auch, das sich punktuell verstärkte, aber seiner Philosophie treu blieb und auf den eigenen Nachwuchs setzt. Es sind nicht nur Spielerinnen oder Trainerinnen, die für den Erfolg verantwortlich sind. Es muss der gesamte Verein professionalisiert werden, damit es in der Entwicklung vorangeht.»
Das Gefälle zwischen den Halbfinalisten und den Teams am Tabellenende scheint aber nach wie vor gross. Bestehen Chancen, dass die Liga ausgeglichener wird in den nächsten Jahren?
«Die Teams unten müssen sich ebenfalls weiterentwickeln und investieren, damit dieses Gefälle kleiner wird. Luzern ist zwar in die AG integriert, aber es trägt noch nicht wie gewünscht Früchte, Thun ist aktuell Breitenfussball, obwohl sie das Aushängeschild im Berner Oberland wären, und Aarau geht als Red Boots Aarau einen eigenständigen Weg. Diese Klubs müssen ihre Strukturen professionalisieren, damit sie konkurrenzfähiger werden. Ansonsten wird das Gefälle gross bleiben. Aber das ist natürlich auch immer eine Frage der Finanzen.»
Wie realistisch ist es denn angesichts der Entwicklung, dass die Spielerinnen irgendwann nicht mehr zwingend ins Ausland müssen, um weiterzukommen?
«Die Schweizer Liga soll professioneller werden, aber ich begrüsse es nach wie vor, dass Spielerinnen, die sich in der Women’s Super League durchgesetzt haben, den Schritt ins Ausland machen. Dort können sie Profi werden. Die hohen Lebensunterhaltskosten in der Schweiz erschweren eine ganzheitliche Professionalisierung der Liga sehr. Daher glaube ich, dass es mehr Sinn macht, wenn die Schweizer Liga eher eine 'Ausbildungsliga' bleibt und die Topspielerinnen möglichst schnell den Schritt ins Ausland wagen. Damit sie auch ihre Komfortzone verlassen und sich persönlich weiterentwickeln.»
Sie haben sich schon zu Ihrer Aktivzeit für die Entwicklung eingesetzt und etwa bewirkt, dass die Spielerinnen im Nationalteam nicht mehr die ausrangierten Kleider der Männerteams tragen müssen. Gibt es heute genügend Leute wie Sie, die auch die Entwicklung im Blick haben?
«Die gibt es auf jeden Fall. Ich denke zum Beispiel an Lara Dickenmann und Sandra Betschart, die bei GC und YB in wichtigen Rollen sind oder waren. Als Spielerinnen haben wir Pionierarbeit geleistet. Wir hatten praktisch nichts, aber erreichten trotzdem stetige Verbesserungen. Die Spielerinnen, die jetzt jung sind, haben natürlich um Welten bessere Bedingungen. Das soll auch so sein. Wir können jetzt Rollen und Jobs ausführen, die es früher im Frauenfussball gar nicht gegeben hat und so wieder Pionierarbeit leisten.»
Zum Beispiel als SRF-Expertin.
«Ja. Ich darf mit Rachel Rinast zusammen als eine der ersten Frauen auch bei Spielen der Männer Super League als Expertin tätig sein. Auch das ist ein wichtiger Schritt vorwärts. Auch die Spiele des Nationalteams, die mit Studio begleitet werden. Zu meiner Zeit waren wir froh, wenn überhaupt mal eine Partie übertragen wurde und waren entsprechend nervös. Heute ist es zum Glück normal, dass diese Spiele im Fernsehen zu sehen sind. Wenn ich in meiner Rolle als Expertin über den Frauenfussball reden kann, bringt ihn das auch weiter.»
Zurück zum Final in der Super League. Bei der ersten Austragung 2022 waren Sie als Spielerin dabei und beendeten danach Ihre Karriere. FCZ-Stürmerin Fabienne Humm ist jetzt in derselben Situation. Machte es Ihren Abschied noch spezieller, dass es in diesem Spiel in Lausanne um alles ging?
«Es hat die Nerven strapaziert. (lacht). Natürlich war es speziell, ein solches Finalspiel zu bestreiten. Aber wenn ein Meister in einem einzigen Spiel auserkoren wird, finde ich das immer noch einen lächerlichen Modus. Im Cup gibt es ein K.o.-System, das braucht es in der Meisterschaft nicht auch noch. Wenn es ein Modus wäre wie jetzt bei den Männern, wo die Liga zweigeteilt wird, haben die Leistungen der gesamten Saison einen Einfluss darauf, wie du am Ende dastehst.»
Würde dieser «schottische» Modus denn bei den Frauen auch funktionieren?
«Ich denke schon. Es ist fairer, wenn die Konstanz einer Mannschaft belohnt wird, anstatt dass K.o-Spiele entscheiden, die in den Viertelfinals fast gar nicht spannend sind, in den Halbfinals etwas mehr, aber bisher blieben die Überraschungen ja aus. Und im Final entscheidet dann ein einziges Spiel. Das ist nicht fair. Servette-Chênois war jetzt dreimal in Folge das beste Team der Qualifikation, und wenn sie es auch diesmal nicht schaffen, Meister zu werden, ist das schon verdammt hart. Ich hatte damals einfach das Glück, auf der siegreichen Seite zu sein, aber ich frage mich schon, wie würdig es ist, wenn ein Meister im Penaltyschiessen gekürt wird.»
Argumentiert wird oft mit Spannung und der Hoffnung auf grösseres Publikumsinteresse.
«Ja, aber letztes Jahr in St. Gallen waren gerade einmal um die 2000 Zuschauer im Stadion. Man kann diese Spannung nicht künstlich erzeugen. Wenn es die Leute interessiert und die Spiele auch publikumsfreundlich angesetzt werden, wird man auch zahlreich ins Stadion kommen.»
Mit Ihrer Modus-Kritik sind Sie in der Szene bei weitem nicht allein.
«Nein. Wer über diesen Modus entschieden hat, war wohl selber nie in dieser Situation. Es wäre wichtig, die Spielerinnen abzuholen und in solche Entscheide einzubinden. Ich bin überzeugt, dass die allermeisten der Meinung sind, dass eine Meisterschaft über Konstanz und nicht Playoffs entschieden werden muss.»