Fussball-Märchen Wie ein Provinzklub den deutschen Fussball aufmischt

Von Patrick Lämmle

21.6.2020

Der 1. FC Heidenheim darf weiter auf den Aufstieg in die Bundesliga hoffen.
Der 1. FC Heidenheim darf weiter auf den Aufstieg in die Bundesliga hoffen.
Bild: Getty

Am Sonntag kommt es in der 2. Bundesliga zu einer Partie, die Fussball-Deutschland in Atem halten wird. Der 1. FC Heidenheim empfängt den HSV und könnte den Traditionsverein ins Elend stürzen. Doch der Provinzklub verfolgt eigene Ziele.

Heidenheim an der Brenz liegt auf der schwäbischen Alb, gelegen zwischen München, Nürnberg und Stuttgart. Heidenheim, ein 50'000-Einwohner-Städtchen mit einem Fussballstadion, das 15'000 Zuschauern Platz bietet. Am Sonntag wird die schmucke Voith-Arena leer bleiben, obschon eines der grössten Spiele der äusserst bemerkenswerten Klubgeschichte ansteht.

2004 ist ein erfolgreiches Jahr für den 1. FC Heidenheim. Nach 25 Jahren kehrt der Klub in die viertklassige Amateuroberliga Baden-Württemberg zurück – noch immer ganz weit weg vom Profigeschäft. Doch die Reise ist da noch lange nicht zu Ende. Im Jahr 2009 schafft der Klub aus dem Süden Deutschlands den Sprung in die 3. Bundesliga. Die erste Saison schliesst Heidenheim im 6. Rang ab, eine bemerkenswerte Leistung.

Die Erfolgsgeschichte nimmt kein Ende

So richtig in den Fokus der Öffentlichkeit rückt die Mannschaft dann erstmals am 30. Juli 2011. In der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals schaltet der Provinzklub Werder Bremen aus. In der zweiten Runde schnuppert er dann an der nächsten Sensation, scheitert aber denkbar knapp an Borussia Mönchengladbach – nach 120 torlosen Minuten endet das Märchen im Elfmeterschiessen.

Am 19. April 2014 schafft der 1. FC Heidenheim den nächsten Meilenstein und sichert sich am 35. Spieltag den direkten Aufstieg in die 2. Bundesliga. Bis heute konnte die Klasse gehalten werden, nur in der Saison 2017/18 war der Provinzklub in den Abstiegskampf verwickelt. In der Folgesaison konnte man mit dem 5. Rang die beste Platzierung der Vereinsgeschichte eintüten und im DFB-Pokal war erst im Viertelfinal Schluss. Gegen Bayern München setzte es in einer unvergesslichen Partie eine 4:5-Niederlage ab.

Das Spiel des Jahres

Und nun, ein weiteres Jahr später, ist die Bundesliga zum Greifen nah. Am kommenden Sonntag empfängt der im 4. Rang klassierte 1. FC Heidenheim (52 Punkte) am zweitletzten Spieltag den grossen Hamburger SV (54), der hinter Stuttgart (55) als Tabellendritter auf dem Relegationsplatz steht. Während Bielefeld bereits als Zweitligameister und Aufsteiger feststeht, verkommt der Kampf um die Plätze zwei (direkter Aufstieg) und drei (Relegation) zu einem echten Krimi.

Einer, der die ganze Reise mit dem 1. FC Heidenheim mitgemacht hat, ist Frank Schmidt. Seit 2003 ist der 46-Jährige an den Verein gebunden, erst als Spieler und seit 2007 als Trainer. Vor dem Duell gegen die Hanseaten meint Schmidt: «Wenn man vor der Saison gesagt hätte, wir können am 33. Spieltag den HSV überholen, das hätten wir nicht wirklich geglaubt. Dass es nun zu so einem Showdown kommt, ist schon irgendwie verrückt.» Sich einfach mit Platz vier zufrieden geben, das wird man sich in Heidenheim nicht. «Wir haben jetzt ein Halbfinale. Dieses Mal muss man gewinnen, da reicht kein Punkt. Wir wollen ins Finale», so der aufstiegserprobte Trainer. 

Der Vertrag von Schmidt, der übrigens in Heidenheim zur Welt kam, wurde längst bis ins Jahr 2023 verlängert. Zeit, den Aufstieg in die Bundesliga zu schaffen, hat er also noch genug.

Frank Schmidt ist seit 2007 Trainer beim 1. FC Heidenheim.
Frank Schmidt ist seit 2007 Trainer beim 1. FC Heidenheim.
Bild: Keystone

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