Die Young Boys haben sich in dieser Saison eindrücklich zurückgemeldet. Dem Double-Gewinner ist personell wieder einmal vieles gelungen.
Fast könnte man es vergessen: Die Young Boys sind im letzten Sommer nicht mit der ganz breiten Brust in die Saison gestartet, die im dritten Double der Vereinsgeschichte mündete, sondern als deutlich entthronter Meister mit einem neuen Trainer. Raphael Wicky übernahm eine Mannschaft, die in der Super League mit 16 Punkten Rückstand auf den FC Zürich nur Dritter geworden und im Cup früh gescheitert war.
Wicky hat die Mannschaft wieder auf Vordermann gebracht. Er machte aus dem exzellenten Kader ein gut geöltes Team, obwohl das frühe Out im Europacup das Spieler-Management erschwerte. Die einstigen Werte, die in der vergangenen Saison nicht mehr offensichtlich waren, wurden neu belebt. Jeder stand auf und neben dem Platz für den anderen ein. Das zeigte sich nicht zuletzt am Sonntagnachmittag im Cupfinal, als es mehr brauchte als spielerische Qualität, um den FC Lugano in Schach zu halten.
«Fantastisch», nannte Wicky den Cupsieg, so wie er einige Tage zuvor schon die ganze Saison noch vor dem sichergestellten Double als fantastisch bezeichnet hatte. «Es ist nicht einfach, die Meisterschaft zu gewinnen. Diese Konstanz zu haben. Auch wenn es einfach aussieht», unterstrich er, nachdem er dem Verwaltungsrat und Christoph Spycher für das in ihn gesetzte Vertrauen gedankt hatte.
Der dritte Goalie
Das YB-Führungsgremium hat bei der Trainerwahl wieder einmal ein glückliches Händchen gehabt. Der frühere Schweizer Internationale drängte sich durch seine letzten Aufgaben in den USA für den Posten nicht unbedingt auf. Er war nach seiner Entlassung bei den Chicago Fire mehrere Monate ohne Job, bevor er in Bern unterschrieb. Nach David Wagner, dem einzigen Fehlgriff in den jüngsten Berner Erfolgsjahren, war Wickys Engagement ein riskanter Zug. Aber scheinbar ein wohl überlegter.
Der Meister und Cupsieger mag mehr Geld haben als die Konkurrenz und somit einfacher an das gewünschte Personal kommen. Er ist darüber hinaus aber auch bemerkenswert vorausschauend und geschickt, wenn es um den Aufbau der Mannschaft geht. Gutes Beispiel dafür ist Marvin Keller. Der im Februar von Wil gekommene 20-jährige Keeper stand im Cupfinal unerwartet im Mittelpunkt.
Weil Stammgoalie David von Ballmoos längere Zeit ausfällt, holte YB das grosse Goalie-Talent im Februar als Nummer 2 hinter Anthony Racioppi, der sich im Frühjahr aber nun auch verletzte. Keller war gefordert und lieferte ab, in der Meisterschaft und im Cupfinal gegen Lugano. Dort zeigte er in der 85. Minute die Parade, die das 2:2 verhinderte und gleichzeitig das 3:1 einleitete.
Europacup als Lösung
Nicht alles war in dieser Saison für YB rosig. Das frühe Out im Europacup war eine Enttäuschung und eine Herausforderung. Während auf der Goalieposition die Kräfte ausgingen, waren sie anderswo im Überfluss vorhanden. Jean-Pierre Nsame deutete nach dem Cupfinal in den Katakomben des Wankdorfs an, dass er sich schwer getan hat mit den für ihn vielen auf der Ersatzbank verbrachten Minuten. Wäre Cedric Itten nicht verletzt gewesen, wäre der Kameruner womöglich im Cupfinal Reservist gewesen – genauso wie Loris Benito, Kastriot Imeri oder Fabian Lustenberger.
Wicky dürfte das Management der Einsatzzeiten in der nächsten Saison etwas leichter fallen. Das Luxusproblem löst sich dann fast von alleine: YB hat die Teilnahme an einer Europacup-Gruppenphase als Meister auf sicher – entweder in der Champions League oder in der Europa League. Dass Wicky auch im internationalen Geschäft erfolgreich sein kann, hat er schon bewiesen: 2017 führte er den FC Basel in den Achtelfinal der Champions League.