Zlatan Ibrahimovic hat mit seinem Doppelpack beim 4:1-Sieg von Milan über Sampdoria Geschichte geschrieben. Und auch Ciro Immobile steht kurz vor einem grossen persönlichen Triumph – zu einem guten Teil auch dank der Regelauslegung in der Serie A.
Mit seinen zwei Toren ist der Schwede der erste Spieler, der 50 Tore in der Serie A für beide Mailänder Klubs erzielte. Bei Inter stürmte er von 2006 bis 2009 und erzielte in der Meisterschaft in 88 Partien 57 Treffer. Für Stadtrivale Milan machte er 2010 bis 2012 in 61 Spielen 42 Buden. Im Januar 2020 kehrte er zu den Rossoneri zurück und stellte auch im hohen Fussballalter von 38 Jahren seine Klasse unter Beweis. Mit 9 Toren in 17 Partien ist er ein wichtiger Erfolgsfaktor an der Wiederauferstehung von Milan.
Im Kampf um die Torschützenkrone ist «Ibracadabra» aber aus dem Rennen. Dort kämpfen Ciro Immobile und Cristiano Ronaldo um den Titel. Mit seinem Tor kurz vor Schluss gegen Brescia am Mittwoch hat sich der Italiener womöglich den Sieg gesichert. Der Lazio-Angreifer steht nun bei 35 Saisontreffern, CR7 blieb aufgrund der 0:2-Pleite gegen Cagliari auf seinen 31 Toren sitzen.
Juve empfängt zum Abschluss die AS Roma, während Lazio auswärts bei Napoli ran muss. Das Szenario, dass der Portugiese vier Tore erzielt und Immobile gleichzeitig leer ausgeht, darf man als unwahrscheinlich einstufen.
So wird der 30-Jährige wohl nicht nur Toptorjäger der Serie A, sondern auch Gewinner des Goldenen Schuhs. Diese Auszeichnung wird jährlich an den erfolgreichsten Skorer einer Saison in Europa vergeben. Bis vor Kurzem schien noch Robert Lewandowski mit seinen 34 Toren das Rennen zu machen, nun muss sich der Bayern-Stürmer geschlagen geben.
Damit wird höchstwahrscheinlich zum ersten Mal seit 2006/07 (Francesco Totti/26 Tore) wieder ein Spieler der Serie A den Goldenen Schuh gewinnen, während die Bundesliga seit 1971/72 (Gerd Müller/40 Tore) auf diese Auszeichnung wartet.
Immobile könnte sich sogar einen weiteren Rekord krallen. In der Geschichte der Serie A hat bisher nur Gonzalo Higuain (36 Tore in der Saison 2015/16) mehr Treffer erzielt als er.
Spezielle Regelauslegung in der Serie A
Die Rekordjagd des Lazio-Angreifers – und von Juve-Star Cristiano Ronaldo – ist aber auch dem Umstand geschuldet, dass die beiden Stürmer von der Hyperinflation von Penaltys im Land profitieren. Nirgends in Europa gibt es so oft Elfmeter wie in Italien.
«La mania dei rigori» (der Elfmeterwahn), schrieb die «Gazzetta dello Sport» kürzlich dazu. In der Tat zeigt eine Auswertung (Stand: 27.7) ein skurriles Bild:
Serie A: 177 Elfmeter in 360 Spielen – 0,49 pro Spiel
La Liga: 148 Elfmeter in 380 Spielen – 0,39 pro Spiel
Premier League: 92 Elfmeter in 380 Spielen – 0,24 pro Spiel
Ligue 1: 87 Elfmeter in 279 Spielen – 0,31 pro Spiel
Bundesliga: 72 Elfmeter in 306 Spiele – 0,24 pro Spiel
Fast jeder dritte Penalty in der Serie A erfolgt dabei wegen Handspiels. Vor zehn Jahren hatte diese Quote in Italien bei nur 14 Prozent gelegen, wie die «Süddeutsche» schreibt. Der italienische Schiedsrichterverband will von einer anderen bzw. härteren Bestrafung im Sechzehner in ihrer Liga aber nichts wissen. Warum also dort die Unparteiischen und der VAR das Regelwerk – speziell bei Handelfmeter – so eng auslegen, bleibt unklar.
Die Stürmer der Serie A werden sich sicher davor hüten, die einheimische Praxis zu kritisieren. Immobile hat heuer 14 Elfer verwandelt, Ronaldo deren 12. Lewandowski hat hingegen nur 5 Penalty-Treffer auf seinem Konto.
In der Bundesliga wurden 2019/20 81,9 Prozent der Elfmeter verwandelt, in der Serie A 82 Prozent, in der Premier League 78,3 Prozent und in LaLiga sogar 83,8 Prozent.
Immerhin kann sich der Pole damit trösten, dass er die bessere Penalty-Quote als seine Kollegen hat. In seiner Karriere verwandelte er starke 92,5 Prozent aller Elfmeter, während Ronaldo nur auf 85,6 Prozent kommt. Immobile hat hingegen nur 82 Prozent seiner Strafstösse (41 Tore/9 Fehlversuche) verwandelt.