Die Spitzenteams der Super League Zürich, Young Boys und Basel sind unterschiedlich in die Rückrunde gestartet. Eine Frage ist, wie lange das Meisterrennen ein Dreikampf bleibt.
Der Rahmen war würdig. 31'120 Zuschauerinnen und Zuschauer waren am Sonntag bei prächtigem Früh-Frühlingswetter zugegen in Bern, das Stadion Wankdorf zum ersten Mal in dieser Saison für eine Super-League-Partie ausverkauft, was letztmals vor über zwei Jahren, am 26. Januar 2020 vorgekommen war. Beide Male war es das Duell von den Young Boys gegen Basel, das die Massen mobilisierte, und beide Male sollte der amtierende gegen den früheren Serienmeister die Oberhand behalten.
Es war eine Partie mit schön herausgespielten Toren, intensiv geführten Zweikämpfen, strittigen Schiedsrichterentscheidungen und Platzverweisen. Eine unterhaltsame Begegnung also, wie sie sich der neutrale Beobachter wünscht, wenn sich die besten zwei Teams der letzten zwölf Saisons gegenüberstehen.
Etwas war aber diesmal anders. Zweimal waren sich YB und der FCB in den letzten Jahren im entscheidenden Spiel um die Meisterschaft gegenübergestanden, und obwohl am Sonntag erst die 21. Runde ausgetragen wurde, schien dem Spiel doch ein gewisser Finalissima-Charakter anzuhaften wie anno 2008 und 2010, zu ambitioniert scheint eine Rückkehr ins Meisterrennen nach einer Niederlage. Und das hat vor allem mit dem Dritten zu tun, der sich in dieser Saison in den Kampf um die goldene Trophäe eingeschaltet hat: Der FC Zürich.
Breitenreiters Zurückhaltung
Die Mannschaft von André Breitenreiter überzeugte am Sonntag gegen Lugano nur phasenweise. Dass nach 90 Minuten aber dennoch ein 3:0 zu Buche stand, zeigt, wie gefestigt die Zürcher mittlerweile auftreten. In der letzten Saison noch in den Abstiegskampf verwickelt und nur knapp der Barrage entgangen, ist der FCZ nun offenbar endlich das, was er im Selbstverständnis von Präsident Ancillo Canepa längst ist: Ein Spitzenteam.
Die letzten neun Partien hat Zürich allesamt gewonnen und damit den eigenen Rekord aus der Saison 1962/63 egalisiert. Damals wurde der FCZ nach 26 Partien mit vier Punkten Vorsprung auf Lausanne Meister. Es ist ein verheissungsvoller Blick zurück, der Euphorie auslösen könnte beim Stadtclub, die Hoffnung auf den 13. Meistertitel der Vereinsgeschichte, den ersten seit 2009. Doch Trainer Breitenreiter lässt sich darob nicht aus der Ruhe bringen, streicht lieber heraus, dass seine Mannschaft nach dem 1:0 passiv gespielt habe und sich bei Torhüter Yanick Brecher bedanken könne, habe dieser den Penalty von Luganos Reto Ziegler pariert und so den Aufschwung der Tessiner gebremst.
Diese Ruhe und Sachlichkeit im Umfeld ist neben der Fähigkeit, auch mit weniger überzeugenden Leistungen zu punkten ein weiterer Puzzlestein des derzeitigen Erfolgs beim FCZ.
Neulinge im Berner Lazarett
Bei den Young Boys hätten sie sich gewünscht, ein 3:1 gegen den FCB wäre ein richtig starkes Zeichen, ein Muskelspiel gegenüber der Konkurrenz auf dem Weg zum im Selbstverständnis fest eingeplanten fünften Meistertitel in Serie. Jetzt ist es in Anbetracht der aktuellen Flughöhe des FCZ mit 10 Punkten Vorsprung einfach mal ein Sieg. David Wagner verleiht diesem in seiner Analyse das Adjektiv «gross», und der YB-Trainer hat bei dieser Einordnung vor allem im Kopf, unter welchen Umständen die Berner zum Verfolgerduell hatten antreten müssen.
Wieder einmal musste der Deutsche auf zahlreiche potenzielle Stammspieler verzichten. Mohamed Ali Camara brach sich am Samstag im Training den linken Unterarm, Joël Monteiro und Felix Mambimbi fielen kurzfristig aus und gesellten sich zum in dieser Saison meist üppig besetzten Lazarett, dem sich nach 35 Spielminuten mit Fabian Lustenberger ein weiterer Spieler anschliessen sollte. «Mit der vollen Kapelle» wollte Wagner nach der Winterpause attackieren. «Jetzt ist die Kapelle leider wieder alles andere als voll, aber attackiert haben wir trotzdem. Das ist schön zu sehen.» Nach dem enttäuschenden 3:3 in St.Gallen in der Vorwoche ist die Zuversicht in Bern wieder gewachsen.
Der FC Basel schaut derweil nach nur einem Sieg beim damaligen Schlusslicht Luzern auf einen durchzogenen Start in die Rückrunde. Im Duell mit den Young Boys agierte er zwar stabiler als auch schon, zeigte aber vorab offensiv wenig Durchschlagskraft. Er wäre jedenfalls eine Überraschung, sollte sich der FCB noch einmal in den Kampf um Platz 1 einschalten.