Bei Sauber macht sich Sergio Perez einst als Reifenflüsterer einen Namen. Den ganz grossen Durchbruch schafft der Mexikaner aber nie. Auch diese Saison fährt er seinen eigenen Ansprüchen hinterher.
Als Sergio «Checo» Perez im Oktober 2010 mit Peter Sauber seinen ersten Vertrag als Formel-1-Fahrer unterschrieb, rümpften nicht wenige die Nase. Der junge Mexikaner musste mit dem Image des «Bezahl-Fahrers» leben. Viele dachten, dass ihm hauptsächlich das Geld seines milliardenschweren Förderers und Landsmanns Carlos Slim den Weg in die Formel 1 geebnet hatte.
Doch Perez brauchte nicht lange, um seine Kritiker vom Gegenteil zu überzeugen. Er zeigte gleich bei seinem Debüt im März 2011 sein Können und fuhr in Australien als Siebter sensationell in die Punkte. Die nachträgliche Disqualifikation wegen reglementswidriger Heckflügel an beiden Sauber-Autos schadete zwar der Stimmung, die Gewissheit, auf der grössten Bühne des Automobilrennsports bestehen zu können, war Perez aber nicht mehr zu nehmen. Mexiko hatte nach 30 Jahren endlich wieder einen Formel-1-Fahrer.
Seine Kurve zeigte nach dem verheissungsvollen Debüt weiter steil nach oben. In seiner zweiten Saison im Hinwiler Rennstall fuhr Perez gleich dreimal aufs Podest, in Malaysia fehlte dem Emporkömmling aus Guadalajara als Zweiter hinter Fernando Alonso indes nur wenig zum Sieg. Bei seinen Auftritten überzeugte Perez immer wieder mit seinem reifenschonenden Fahrstil, was ihm gelegentlich einen Boxenstopp ersparte. Die starken Leistungen blieben von der Konkurrenz natürlich nicht unbemerkt. Bald einmal machten Gerüchte die Runde, die Topteams würden um Perez buhlen.
Als Mitglied der Nachwuchsakademie von Ferrari wäre eine Anstellung bei der Scuderia die logische Folge gewesen. Doch statt bei den Roten aus Maranello, landete Perez 2013 bei McLaren. Er konnte an der Seite von Jenson Button den hohen Erwartungen jedoch nicht gerecht werden. Nach nur einer Saison wurde Perez zu Force India weitergereicht.
Zähne zeigen
Dort sorgte er ab 2014 und bis zum finanziellen Kollaps des Teams im letzten Sommer in regelmässigen Abständen für Erstaunen. Im Gegensatz zu seinen Teamkollegen Nico Hülkenberg und Esteban Ocon schaffte es Perez mit dem Privatteams mehrfach aufs Podest – in viereinhalb Saisons insgesamt fünfmal.
Ab und zu stand ihm aber auch sein Temperament im Weg. So bewegte er sich in der letzten Saison im teaminternen Duell mit dem äusserst talentierten Ocon teilweise über dem Limit. Die beiden machten keinen Hehl daraus, dass sie nicht mehr die besten Freunde werden. Dass der stets lächelnde Mexikaner auch auf der Rennstrecke Zähne zeigen kann, hatte für seine sportliche Zukunft jedenfalls keine negativen Folgen. Während Ocon für 2019 kein Cockpit mehr erhielt, durfte Perez beim Nachfolgeteam Racing Point bleiben.
Erst jüngst hat Perez seinen Vertrag mit dem vom kanadischen Milliardär Lawrence Stroll und weiteren Investoren übernommene Rennstall um drei Jahre bis 2022 verlängert. Ein Zeichen, dass Perez dem Team vertraut, in Zukunft wieder einen Schritt nach vorne zu machen. Andererseits ist sich der 29-Jährige vermutlich auch bewusst, dass seine Chancen, sich ein zweites Mal bei einem Topteam beweisen zu können, schwindend klein sind. Perez gehört zu jenen Exponenten, die sich von der angestrebten Budgetobergrenze im Zuge der geplanten Reglementsänderung für 2021 einiges erhoffen.
Nachwehen der Insolvenz
Das Jahr 2019 war für Racing Point bislang kein einfaches. Zu schwer wogen die Turbulenzen der letzten Saison mit der Insolvenz im August und dem darauffolgenden Besitzerwechsel. Der entstandene Rückstand auf die Konkurrenz konnte bis dato nicht wettgemacht werden. Enttäuscht ist Perez vor allem deshalb, weil die Weiterentwicklung des Autos in den vergangenen Jahren stets eine der Stärken des Teams war.
Seit der Sommerpause ging es bei Perez resultatmässig wieder aufwärts. In fünf Rennen erreichte der Fahrer mit der Startnummer 11 zuletzt viermal die Punkteränge. In der WM-Gesamtwertung liegt Perez vier Saisonrennen vor Schluss mit 37 Zähler auf Platz 9. Die Differenz zu seinem auf Rang 15 klassierten Teamkollegen Lance Stroll, dem Sohn des kanadischen Team-Investors Lawrence Stroll, beträgt 16 Punkte.
Ungeachtet der durchzogenen Resultate im bisherigen Saisonverlauf kann Perez am Sonntag im Heimrennen auf die grosse Unterstützung seiner Landsleute zählen. Der Grand Prix im Autodromo Hermanos Rodriguez gilt seit seiner Rückkehr 2015 als einer der stimmungsvollsten im Rennkalender. Die Strecke liegt gut 2200 Meter über Meer, die Fahrt durch das Baseball-Stadion Foro Sol bietet eine spektakuläre Atmosphäre.
Vielleicht holt Perez – beeindruckt von der bunten Fiesta – im viertletzten Rennen der Saison zum grossen Schlag aus. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich der Reifenflüsterer auf leisen Sohlen nach vorne schleicht und für eine Überraschung sorgt.