Der Nonkonforme ist wieder Formel-1-Weltmeister. Lewis Hamilton geht seinen Weg trotz Kritiken konsequent. Den Spagat zwischen Spitzensportler und Lebemann meistert der Engländer perfekt.
Carpe diem. Nichts könnte Lewis Hamiltons Gesinnung besser umschreiben als der lateinische Sinnspruch. Der Brite "nutzt und geniesst den Tag". Jeden einzelnen - als Formel-1-Fahrer und als Privatmensch. "Ich lebe jeden Tag so, als sei er mein letzter. Unsere Zeit ist begrenzt. Also mache ich das Beste aus dem Heute", sagte er kürzlich in einem Interview.
Der Superlativ begleitet den Sportler Lewis Hamilton seit seinem Einstieg in die Formel 1. Das Beste ist seit jeher das Ziel, nach dem er sich richtet. Halbheiten toleriert er nicht. Er fordert von sich und seinem Umfeld das Optimum. Seit nunmehr vier Jahren bietet ihm sein Arbeitgeber Mercedes die idealen Bedingungen, dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Der aktuelle WM-Titel war sein dritter in diesem Zeitraum. Mehr geht auch für einen Hochbegabten wie ihn fast nicht.
Hamilton weiss um seinen Status des Privilegierten. Für ihn sind Geld, Ruhm und Ehre keine Selbstverständlichkeit. Sein Weg vom talentierten Jungen zum gefeierten Superstar lässt solche Gedanken nicht zu. Die Erinnerung an die Zeit, als sein Vater Anthony Tag und Nacht schuftete, um die Karriere des Filius in Gang zu setzen, ist stets präsent. Die Inhalte des "wahren" Lebens sind Hamilton bekannt. Als Spross einer Arbeiterfamilie mit Wurzeln in der Karibik weiss er, was soziale und finanzielle Not bedeutet. Das Menschliche ist ihm ebenso wichtig wie Siege und Titel. Sein spastisch behinderter jüngerer Bruder Nicolas führt ihm täglich vor Augen, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt als das schnellstmögliche Umrunden einer Rennstrecke.
Das Leben als Experiment
Nur Rennfahrer zu sein wäre Hamilton ohnehin zu eintönig und zu fad. Er mag sich nicht auf den Weltmeister reduzieren lassen. Bei ihm dreht sich im Gegensatz zu den meisten seiner Konkurrenten nicht alles um seinen Beruf. Er verfolgt unzählige andere Interessen, sein Leben sieht er als Experiment. "Ich versuche, Neues zu lernen, mich persönlich zu entwickeln und die gebotenen Möglichkeiten zu maximieren."
Die Musik fasziniert Hamilton schon lange. Er spielt Gitarre, übt sich im Klavierspielen und will schon über 100 Songs geschrieben haben. Oder da ist die Schauspielerei, in der er mit einer kleinen Nebenrolle in der Komödie "Zoolander 2" bereits die ersten zaghaften Schritte getan hat. Der Film, bei dem der amerikanische Comedian Ben Stiller Regie führt, hat im Februar vergangenen Jahres Premiere gefeiert.
Das Anders-Sein
Hamilton will anders sein. Er nimmt sich die Freiheit, das Uniforme zu ignorieren, sich nicht in ein Schema passen zu lassen. Sich selber sein zu können ist ihm wichtig. Fernab der Autodrome tut er deshalb das, was ihm gefällt und Spass macht. Sein ab und zu ausschweifender Lebensstil ist hinlänglich bekannt. Auf den sozialen Netzwerken hält der Engländer seine Fan-Gemeinde auf dem Laufenden und reduziert so seine Privatsphäre bewusst aufs Minimum. "Ich liebe es, mit Menschen zu kommunizieren. Social Media ist ein grossartiges Instrument, mit Abertausenden in Kontakt zu sein."
Mit seinem Hang zum Extrovertierten bietet Hamilton Angriffsfläche. Er ist sich bewusst, sich auf einem schmalen Grat zu bewegen. Der Hang zur Extravaganz und zu unseriösem Lebenswandel werden ihm zum Vorwurf gemacht. Brillanten im Ohr, Nasen-Piercing und schwere Goldketten sind aus der Warte der Kritiker mit der Rolle des Spitzensportlers ebenso wenig in Einklang zu bringen wie ausschweifende Partys. Hamilton ignoriert die Meinungen in der Überzeugung, das Richtige zu tun. Die Fokussierung aufs Wesentliche hilft ihm dabei. Das Zusammenspiel zwischen hochkonzentriertem Arbeiten auf dem Rennplatz und dem Abschalten zwischen den Grand-Prix-Wochenenden klappt vorzüglich.
Das Vertrauen der Chefs
Um Hamiltons Fähigkeit, Beruf und Freizeit strikte zu trennen, wissen sie auch in der Chefetage von Mercedes. Entsprechend lassen sie ihren Champion gewähren. Dieser dankt für das Vertrauen mit Top-Leistungen am Fliessband. Seine Bilanz mit nun vier WM-Titeln, 62 Grand-Prix-Siegen, insgesamt 116 Klassierungen unter den ersten drei und der Rekordmarke von 72 Pole-Positions beeindruckt. Zahlen als Beweis dafür, dass Hamilton sehr vieles richtig macht in seinem Leben. Als Spitzensportler und als Privatmensch.
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