Das Formel-1-Team Ferrari zeigt erste Ansätze auf dem Weg zurück zu alter Stärke. Es braucht aber weitere Schritte, um den eigenen Ansprüchen dereinst wieder zu genügen.
Charles Leclerc würde es am Sonntag nur allzu gerne Louis Chiron gleichtun. Sein Landsmann war 1950, in der ersten Saison der Formel-1-WM, im Grossen Preis von Monaco Dritter geworden. Chiron hatte es im stattlichen Alter von fast 51 Jahren in einem Maserati überraschend aufs Podium geschafft.
Ein Podestplatz für Leclerc käme am Sonntag ebenfalls einer Überraschung gleich, für den Monegassen selber würde ein Traum in Erfüllung gehen – dort, wo er aufgewachsen ist und noch heute lebt, wo er jede Ecke kennt, viele Freunde und Bekannte hat, von wo aus er sich zum dritten Formel-1-Fahrer seines Landes hochgearbeitet hat. Olivier Beretta, der Dritte im Bunde, hatte in der Saison 1994 neun Grands Prix für den französischen Rennstall Larrousse ohne zählbares Ergebnis bestritten.
Verbesserungen in allen Bereichen
Träumen ist gut und recht. Doch Leclerc stellt lieber die Realität in den Vordergrund. Und die besagt, dass er es zurzeit aus eigener Kraft unter normalen Umständen nicht schafft, seinen Wunsch umzusetzen, dass er für Klassierungen unter den ersten drei auf Fehler und Mängel der übermächtigen Konkurrenz von Mercedes und Red Bull angewiesen ist.
Die aktuelle Realität zeichnet für Leclerc gleichwohl ein erfreuliches Bild. Mit dem Ferrari SF21 steht ihm ein Fahrzeug zur Verfügung, das in allen relevanten Bereichen im Vergleich zum Vorgänger deutliche Verbesserungen aufweist. Die Ingenieure der Scuderia haben es verstanden, die umfangreichen Mängel des SF1000 grösstenteils zu beheben – eine erstaunliche Leistung in Anbetracht der wegen der Homologierung der Autos beschränkten Möglichkeiten.
Im Detail ist es den Technikern in Maranello gelungen, den Luftwiderstand des Autos zu senken, die Aerodynamik allgemein zu verbessern und die Leistung des Motors zu erhöhen. Gerade die Arbeit am Antriebsstrang war eine Gratwanderung. Es galt, mehr PS zu finden, ohne die Stabilität des vielschichtigen Aggregats zu gefährden.
Teamchef Mattia Binotto sieht seine Equipe nach der missratenen letzten Saison im Plan. «Wir sind auf dem richtigen Weg zurück an die Spitze.» Der in Lausanne geborene Italiener sieht aber weiteren Nachholbedarf, um dereinst den eigenen Erwartungen gerecht werden und wieder um Siege und Titel mitkämpfen zu können.
Entscheidende nächste Schritte
Die nächsten Schritte im Hinblick auf die nächste Saison sind von noch grösserer Bedeutung, sie werden die Weichen für die unmittelbare Zukunft stellen. Das Reglement schreibt dannzumal für die folgenden drei Jahre die Einstellung der Entwicklungsarbeiten auf Antriebsseite vor. Ab der nächsten Saison ist in der Formel 1 zudem der sogenannte E10-Kraftstoff Vorschrift. Das «E» bedeutet Ethanol, die «10» den Prozent-Anteil der durch alkoholische Gärung gewonnenen Substanz, die dem Benzin beigemischt wird.
Mit der Zukunft mag sich Leclerc noch nicht beschäftigen. Für ihn zählt die Gegenwart, die mit je zwei vierten und sechsten Rängen in den ersten vier Formel-1-Rennen der Saison vielversprechend begonnen hat. In der WM-Wertung liegt er an fünfter Stelle, zusammen mit seinem neuen Teamkollegen, dem Spanier Carlos Sainz, hat er dafür gesorgt, dass Ferrari wieder dritte Kraft in der Formel 1 werden kann.
Für die Fortsetzung der guten Ergebnisse braucht Leclerc in Monaco (auch) das Glück, das ihm bei seinen bisherigen zwei Starts im Heimrennen gefehlt hat. Vor drei Jahren schied er als Fahrer des Teams Alfa Romeo Sauber nach einer Kollision mit dem Deutschen Nico Hülkenberg im Renault aus, zwölf Monate später endete seine Fahrt mit einem Unfall. Wegen Bremsversagens war er mit hoher Geschwindigkeit ins Heck des Toro Rosso mit dem Neuseeländer Brendon Hartley geprallt.
Eine Klassierung unter den ersten zehn muss es diesmal im Minimum sein. Wenn es Leclerc gelingt, es Landsmann Chiron gleichzutun, umso besser.