Erster GP-Sieg Tom Lüthi: Hoch gepokert und erstmals gewonnen

SDA

15.5.2020 - 04:19

Der erste Grand-Prix-Erfolg von Tom Lüthi, damals 18 Jahre alt und in einem kleinen Team in der 125-ccm-Klasse unterwegs, ist eine Überraschung mit Ankündigung.

Seit Jacques Cornus letztem Triumph im Sommer 1989 war die Schweizer Nationalhymne bei einer Siegerehrung an einem Motorrad-GP nicht mehr zu hören gewesen. Fast 16 Jahre später, am 15. Mai 2005 in Le Mans, änderte sich dies dank Tom Lüthis überlegenem Sieg. Dieser Sieg war deshalb eine Überraschung, weil der Emmentaler Teenager 2004 aus mehreren Gründen eine miserable Saison hingelegt hatte und zugleich der vom Basler Daniel Epp geführte Elit-Rennstall finanziell nicht auf Rosen gebettet war. Im Vergleich mit dem KTM-Werkteam der zwei Hauptkonkurrenten Mika Kallio und Gabor Talmacsi war man gar im Low-Budget-Bereich anzusiedeln.

Ein Erfolg mit Ankündigung war es hingegen, weil Lüthi im vierten Saison-GP zum vierten Mal von der ersten Reihe startete – in Le Mans sogar erstmals von der Pole-Position. Auf dem französischen Traditions-Circuit war gegen den Berner kein Kraut gewachsen, ab der zweiten von 24 Runden lag er immer an der Spitze. Vor allem der Moment, als er jubelnd über die Ziellinie gefahren sei, sei ihm noch sehr gut präsent, sagt Lüthi 15 Jahre später.

Auf der Ehrenrunde stehengeblieben

Auch an andere Dinge erinnert er sich noch erstaunlich detailliert: «Wir haben damals bei der Wahl des Hinterreifens gepokert und eine weichere Mischung als die anderen Fahrer gewählt.» Während die Konkurrenz zweifelte, dass dieser Pneu über die ganze Renndistanz halten würde, ging der Elit-Rennstall das Wagnis ein. Dieses ging, da auf abtrocknendem Asphalt der Reifenabrieb geringer ist, auf. Lüthi überquerte mit dem komfortablen Vorsprung von mehr als drei Sekunden jubelnd die Ziellinie.

Wobei Jubel: Bei der darauffolgenden Siegerehrung hielt sich Lüthis Freude sichtlich in engen Grenzen. Eher machte der Youngster sogar einen etwas zerknirschten Eindruck. «Das hatte ich dann eher schon verdrängt», gibt Lüthi im Rückblick schmunzelnd zu Protokoll. Weil die 125er-Honda auf der Ehrenrunde nach beendetem Rennen ohne Benzin stehengeblieben war, fürchtete der Schweizer damals auf dem Podest um den Premierensieg. «Im Reglement steht, dass das Motorrad zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Ende des Rennens im sogenannten 'Parc fermé' stehen muss. Auch muss noch eine Benzinprobe entnommen werden können. Ich hatte also Angst, dass mein Sieg nicht zählt.»

Erst kurz nach der Zeremonie kam die definitive Bestätigung, dass alles korrekt vonstatten gegangen war. Lüthi und Epp, der auch heute noch sein Manager ist, durften sich nun ungetrübt freuen. Ebenso taten es an diesem Pfingstsonntag 2005 auch die zahlreichen Anhänger Lüthis in dessen Heimatgemeinde Linden im Emmental. Die spontane Sieger-Party im lokalen Pub dauerte bis tief in die Nacht – und nicht nur Tom Lüthis Vater Hansueli war heilfroh, dass auch der Montag noch ein Feiertag und damit arbeitsfrei war.

Unbekümmert und schnell

Mit dem Sieg in Le Mans katapultierte sich Lüthi endgültig in den engeren Kreis der Anwärter auf den Titel. Anfang Juni übernahm er mit dem 2. Platz in Mugello bereits die Führung in der Gesamtwertung. «Ich fuhr damals, es war ja immer noch in den Anfängen meiner Karriere, ohne gross nachzudenken. Ich hatte ganz einfach Spass, auf dem Töff schnell zu fahren. Das hat irgendwie gut funktioniert», erinnert sich der mittlerweile 17-fache GP-Sieger, der mehr als 60 Top-3-Platzierungen vorzuweisen hat, fast ein bisschen wehmütig an seine damalige Unbekümmertheit.

Im Jahr 2005 krönte sich Lüthi gar zum ersten Schweizer Weltmeister seit Stefan Dörflinger (1985 in der 80-ccm-Kategorie). «Die ganze Saison war fast ein Spiegelbild davon, was Le Mans als einzelnes Rennen gewesen war. Fast alles funktionierte und kam unverhofft. Auch das nötige Glück hatte ich auf meiner Seite», so Lüthi. Er begegnet vielen Leuten, die 2005 an seinem Erfolg beteiligt waren, auch eineinhalb Jahrzehnte später im GP-Paddock noch regelmässig. Einer der Mechaniker von damals darf sich mittlerweile sogar der Lüthi-Familie zugehörig fühlen, «schliesslich hat er (Stefan Fuhrer) meine Schwester geheiratet», sagt der Emmentaler.

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