Eigentlich mögen sie alle diesen Kimi Räikkönen. Er hat sich nie verbogen, ist immer seinen Kurs gefahren. Er wurde Weltmeister mit Ferrari, er sorgte aber auch noch für ganz andere denkwürdige Anekdoten und Geschichten. Nun fährt er sein letztes Formel-1-Rennen.
Einen plötzlichen Gefühlsausbruch wollte Kimi Räikkönen dann doch nicht ganz ausschliessen. «Ich weiss es nicht, ich glaube aber nicht», sagte der Finne mit Blick auf überbordende Emotionen bei seinem letzten und laut Formel 1 349. Rennen. Emotionswallungen sind auch nicht unbedingt das, wofür dieser mittlerweile 42 Jahre alte Mann, geboren in Espoo, Finnlands zweitgrösster Stadt, in der Öffentlichkeit bekannt ist. Räikkönen ist nicht umsonst: Der Iceman.
Ein cooler Typ, den eigentlich alle im Fahrerlager mögen und verehren. «Es ist unglaublich, was er geleistet hat», meint der künftige Mercedes-Pilot George Russell. Als Räikkönen am 4. März 2001 in Melbourne gleich bei seinem Debüt auf Platz sechs im damaligen Sauber rast, ist Russell drei Jahre alt. Als Räikkönen in die Formel 1 einsteigt, fährt er auch noch gegen Jos Verstappen. Den Vater von Max Verstappen. Als Räikkönen debütierte, war Michael Schumacher auf dem Weg zu seinem vierten WM-Titel. In diesem Jahr fährt er auch gegen dessen Sohn Mick.
«Ich finde das nicht komisch, mir gefällt das», sagte Räikkönen in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur: «Ich finde, das ist ziemlich schön, alt komme ich mir nicht vor. Man kommt sich erst alt vor, wenn man im Kopf alt ist. Ich fühle mich aber nicht alt.»
Auch seine beiden Kinder halten Räikkönen jung. Zusammen mit Ehefrau Minttu sind sie mitgereist zum Finale der Formel 1. Schön sei das, betonte Räikkönen, auch wenn er glaubt, dass die Kinder eher ihre helle Freude am Pool und den hochsommerlichen Temperaturen hätten.
Feierbiest ohne Rücksicht auf Verluste
Auch denen kann der Iceman widerstehen. Unvergessen sind die Bilder, wie Räikkönen nach einem Defekt seines damaligen Ferrari-Rennwagens 2017 durch die glühend heisse Wüste von Sakhir in Bahrain bei 37 Grad stapfte – im feuerfesten roten Overall und mit dem Helm noch auf dem Kopf.
Genau wie die Szenen viele Jahre vorher, die sein Image ebenfalls lange prägten, als Räikkönen bei einer Party auf einer Jacht stürzte oder 2006 beim Monaco-Rennen nach einem feurigen Aus wegen eines Defekts an seinem damaligen McLaren schnurstracks auf ein Luxus-Boot spazierte und mit nacktem Oberkörper den Rest des Rennens verfolgte.
In seiner Biografie steht, wie er 2012 16 Tage lang durchgetrunken habe, ehe er in Barcelona Dritter wurde. Darauf angesprochen meinte Räikkönen gegenüber dem «Tages Anzeiger»: «Nun, ich lebte mein Leben über Jahre so, wie ich es wollte. Es ist für manche Leute vielleicht schwierig, sich so etwas vorzustellen, aber für mich war das kein Problem.»
Räikkönen hat sich nie um Etiketten geschert. Räikkönen blieb immer Kimi Räikkönen.
Weltmeister mit Kult-Sprüchen
Räikkönen gelang es in seiner Ferrari-Zeit auch, Weltmeister mit der Scuderia zu werden – auch weil er sich 2007 vom bitterbösen Zoff-Duell zwischen den damaligen McLaren-Kollegen Lewis Hamilton und Fernando Alonso nicht aus der für ihn so typischen Ruhe bringen liess.
21 Siege schaffte Räikkönen in der Formel 1, er fuhr für Sauber, McLaren, Ferrari, machte 2010 und 2011 ein Pause in der Königsklasse und kehrte zu Lotus zurück, ehe es noch mal zu Ferrari ging und noch mal zum Sauber-Nachfolger Alfa Romeo. Allein das sagt einiges aus: So ganz kamen Räikkönen und seine Teams nicht voneinander los.
So wie seine Fans weltweit. Mit ihm geht eine der absoluten Kultfiguren. Seine Sprüche, wenn er denn mal redete, sind legendär. So wie 2012 in Abu Dhabi, als er seinem 20. Grand-Prix-Erfolg entgegenfuhr und genervt von den Hinweisen und Tipps seines Renningenieurs zurück funkte: «Lasst mich in Ruhe, ich weiss, was ich tue.» Darauf reagierte sein jetziges Team und schickt ihn mit dem Spruch auf dem Alfa in sein letztes Rennen: «Lieber Kimi, wir lassen dich jetzt in Ruhe.»
Was jetzt kommt, nach dem zweiten, endgültigen Abgang? Vorab will Räikkönen Zeit mit seiner Familie in seinem Heim in Baar im Kanton Zug verbringen. Sonst habe er keine Pläne und mache auch keine Pläne, hat er dieser Tage gesagt. Und hätte er Pläne, er hätte sie mit Sicherheit nicht preisgegeben.