Bruno Kernen: «Beat Feuz ist nun der grösste Schweizer Abfahrer»

Von Martina Baltisberger und Tobias Benz

7.2.2022

Kernen: «Feuz ist nun der grösste Schweizer Abfahrer»

Kernen: «Feuz ist nun der grösste Schweizer Abfahrer»

Beat Feuz krönt sich zum Olympiasieger in der Abfahrt von Yanqing. Bruno Kernen analysiert Feuz' Goldfahrt. Der Abfahrtsweltmeister von 1997 weiss genau, wo der Emmentaler den Sieg herausgefahren hat.

07.02.2022

Beat Feuz krönt sich auf der Abfahrtspiste von Yanqing zum Olympiasieger. Mit der Goldmedaille setzt der Berner seinem unglaublichen Palmares die Krone auf. Macht ihn das zum grössten Schweizer Abfahrer aller Zeiten? Bruno Kernen schätzt ein.

Von Martina Baltisberger und Tobias Benz

7.2.2022

«Als Erstes muss man einfach einmal gratulieren für seine beherzte und phänomenale Fahrt», so die lobenden Worte von blue-Experte Bruno Kernen nach Feuz’ Teufelsritt auf der Olympia-Strecke in Yanqing. «Er ist überall ein bisschen länger in der Hocke geblieben, hat stets auf die Aerodynamik geachtet. Aber vor allem in den Hochgeschwindigkeitskurven beim Eingang zum Canyon, da hat er mit 135 Stundenkilometer den Ski hingelegt und die Kurve durchgezogen, als wäre es nichts, als wäre es das Einfachste auf der Welt.»

Wie schwierig der Abschnitt tatsächlich ist, zeigt sich anhand der restlichen Fahrer. Im Ziel kann die Weltspitze einmal mehr nicht mit dem 34-Jährigen mithalten, der nun alles gewonnen hat, was es im Skizirkus für einen Abfahrer zu gewinnen gibt. Kam die Schweiz schon einmal in den Genuss eines solchen Speed-Genies?

«Da muss ich jetzt schauen, dass ich nicht mit Didier Cuche ins Gehege komme», lacht Kernen. «Oder mit Franz Heinzer oder Didier Defago.» Die Liste mit grossen Schweizer Abfahrern ist lang. Trotzdem gibt es für Kernen eigentlich keinen Grund, weshalb der Name Feuz nicht ganz oben stehen sollte.

«Feuz ist der Fahrer, der im Speed-Bereich alles gewonnen hat. Aus Schweizer Sicht kann man definitiv sagen, dass er der Grösste ist», legt sich der blue-Experte fest. «Das freut mich für ihn, weil er einfach ein cooler Typ ist und total auf dem Boden geblieben ist. Es ist schön, so etwas zu sehen.»



Lehrgeld für Odermatt

Nachdem Marco Odermatt in Kitzbühel noch zusammen mit Feuz auf dem Treppchen stand, reicht es in China nicht ganz nach oben. Der 24-jährige Shootingstar kann zwar über weite Strecken mit seinem Teamkollegen mithalten, am Schluss fehlen aber doch 71 Hundertstel. Trotzdem kein Grund, jetzt den Kopf in den Schnee zu stecken, schliesslich stehen Odermatts Parade-Disziplinen mit dem Super-G und dem Riesenslalom ja erst noch an.

«Wenn man das Podest anschaut – und ich habe vorhin noch kurz nachgerechnet – dann ist das Durchschnittsalter 36. Da ist Odermatt natürlich noch weit weg», deutet Kernen auf die noch fehlende Erfahrung des Nidwaldners hin. «Er hat sicherlich auch noch etwas Lehrgeld bezahlt, war vielleicht etwas übermotiviert und ist fast zu sehr auf der Linie gefahren.»

«Sicherlich hat er sich auch über die Absagen im Vorfeld aufgeregt. Das sind alles kleine Mosaiksteine, die ein ganzes Bild ergeben und da hat es nicht ganz gestimmt» so der Bronzemedaillengewinner der Olympischen Spiele 2006 weiter. «Was aber nicht heisst, dass er nicht noch zwei Goldmedaillen holen könnte. Diese Chance hat er. Und ich rechne eigentlich auch damit, dass Marco mit einer Goldmedaille heimkehrt. Im Super-G ist er der absolute Favorit, im Riesenslalom ist er der Favorit schlechthin. In der Abfahrt wäre es für ihn wohl noch wie eine Zugabe gewesen, wenn er da auch noch eine Medaille geholt hätte.»