Professionelle Strukturen Die Schweiz als Pionier-Nation im europäischen Beachvolleyball

sda

6.8.2021 - 18:01

Joana Heidrich (links) und Anouk Vergé-Dépré freuen sich über die  Bronzemedaille.
Joana Heidrich (links) und Anouk Vergé-Dépré freuen sich über die Bronzemedaille.
Bild: KEYSTONE

Die Schweiz gehört zu den Pionier-Nationen im Beachvolleyball. Heute zählt sie noch immer zur Weltspitze – dank einer Vision und auch dank im internationalen Vergleich professioneller Strukturen.

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Nach der Jahrtausendwende waren bei den Männern zeitweise drei Duos in den Top Ten der Welt klassiert: die Brüder Martin und Paul Laciga, Sascha Heyer/Markus Egger und Patrick Heuscher/Stefan Kobel. Letztere hatten 2004 mit Bronze die bislang einzige Schweizer Beachvolleyball-Olympiamedaille geholt. Die Schweiz war, dank eigenwilliger Charaktere, die Pionier-Nation im europäischen Beachvolleyball.

Heute wird die Sportart auf der ganzen Welt auf Topniveau gespielt. Längst müssen die einst alleine dominierenden USA und Brasilien um ihre Vormachtstellung kämpfen. Die Schweiz hat sich aber in der Spitze etabliert und ist wieder die Nummer 1 in Europa – nicht mehr bei den Männern, dafür bei den Frauen. Die ehemaligen Junioren-Weltmeisterinnen Joana Heidrich und Anouk Vergé-Dépré bestätigten mit dem Gewinn der Bronzemedaille in Tokio diesen Status, den sich die Athletinnen und Swiss Volley in den letzten Jahren erarbeitet haben.

Erst zweite Frauen-Olympiamedaille für Europa

Die erste olympische Medaille eines Schweizer Frauen-Duos im Beachvolleyball ist insofern auch historisch, dass es vor Heidrich/Vergé-Dépré erst ein europäisches Duo auf das Olympia-Podium geschafft hatte, 2016 die Deutschen Laura Ludwig/Kira Walkenhorst als Olympiasiegerinnen. Die restlichen 19 Olympiamedaillen teilen sich die USA, Brasilien und Australien sowie China (Silber und Bronze bei den Heimspielen 2008 in Peking) untereinander auf.

Sebastian Beck, der langjährige Nationaltrainer und heutige Direktor Beachvolleyball im Schweizer Verband, bezeichnet es als «eine Vision», den der Verband einst gehabt habe: mit den Frauen dasselbe Niveau zu erreichen wie damals mit den Männern. Aus der Vision ist Realität geworden. Wieder prägen erfolgreiche Charakterköpfe und selbstbewusste Athletinnen eine Ära. Statt Laciga, Heyer oder Heuscher heissen sie nun Heidrich und Vergé-Dépré.

Die Männer waren einst erfolgreich, weil sie autonom und praktisch ausserhalb der Verbandsstrukturen agierten. Das ist heute anders. Die Duos werden eng begleitet und finden in Bern, direkt beim Verbandssitz, ein professionelles Leistungszentrum vor. Für Philippe Saxer, Becks Vorgänger und heute CEO von Swiss Volley, ist das 2009 eröffnete Zentrum «der Grundstein dafür, dass wir den Anschluss nicht verloren haben».

Gstaad als wichtiges Zugpferd

Dass die Schweiz den Anschluss an die Weltspitze halten kann und immer wieder junge Athletinnen und Athleten nachkommen, hat auch mit Gstaad zu tun. Das traditionsreiche Turnier, das weltweit einzige, das seit der Premiere der World Tour im Jahr 2000 überlebt hat, ist das Zugpferd der Sportart – und ein weiterer Erfolgsfaktor nebst dem unbestrittenen Talent der Spielerinnen und den professionellen Bedingungen.

Bereits vor fünf Jahren waren die Schweizerinnen nahe am Exploit. Nur Zentimeter fehlten, und Heidrich wäre bereits damals (zusammen mit Nadine Zumkehr) in den Olympia-Halbfinal eingezogen. Seither investierten die Athletinnen und der Verband noch einmal viel – unter anderem in verstärktes Mentaltraining. Auch dies zahlte sich aus, Heidrich/Vergé-Dépré blieben nach der Klatsche im Halbfinal ruhig und fokussierten sich rasch wieder.

Beachvolleyball hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt, gerade bei den Frauen. Von der Athletik und den Bedingungen her sei man mittlerweile «weit weg vom Modesport», so Saxer. «Für ein kleines Land wie die Schweiz ist dieser Medaillengewinn deshalb umso schöner und eine extrem tolle Geschichte.» Der Verband erkannte früh die Entwicklungen, reagierte darauf und wurde nun für seine konsequente Arbeit belohnt.