Der Rundkurs für das olympische Strassenrennen der Männer ist anspruchsvoll und ähnelt Lüttich-Bastogne-Lüttich. Auf den 234 km sind 4800 Höhenmeter zu bewältigen.
Erst am vergangenen Sonntag ging in Paris die Tour de France zu Ende. Trotz stressigen drei Wochen durch Frankreich bestiegen danach viele Fahrer noch am gleichen Abend das Flugzeug nach Tokio. Es bleibt ihnen nur ganz wenig Zeit, sich an die (Hitze-)Verhältnisse in Japan zu gewöhnen und sich mit der fast schon gebirgigen olympischen Strecke vertraut zu machen.
Vom Schweizer Quartett bestritten mit Leader Marc Hirschi und den zwei Helfern Stefan Küng und Michael Schär drei Fahrer die Grande Boucle. Küng und Schär landeten am Montagabend in Tokio, Hirschi gar erst einen Tag später. Etwas länger konnte sich Co-Leader Gino Mäder akklimatisieren, der Mitte Juni nach der Tour de Suisse zu Gunsten eines Höhentrainingslagers eine längere Rennpause einschob.
Rennhärte wichtiger als volle Energietanks?
Stefan Küng gewichtet dabei die bei der Frankreich-Rundfahrt erarbeitete Rennhärte höher als die potenziell prall gefüllten Energietanks derjenigen Fahrer, die auf die Tour de France verzichtet haben. Der Thurgauer, der vier Tage nach seinen Helferdiensten im Strassenrennen im olympischen Zeitfahren zu den Mitfavoriten auf eine Medaille gehört, prognostiziert deshalb: «Olympiasieger wird ein Fahrer, der die Tour de France bestritten hat.»
Tadej Pogacar wird allenthalben als Topanwärter auf Gold im Strassenrennen angesehen. Zu dominant trat der erst 22-jährige Slowene, der die Tour de France mit über fünf Minuten Vorsprung gewann, in den letzten Wochen auf. Er gehöre sicherlich zu den ganz grossen Favoriten, sagt auch Marc Hirschi über seinen Teamkollegen bei UAE Emirates.
«Doch auf diesem Parcours ist Tadej bestimmt nicht unschlagbar. Die Tour war für ihn ebenfalls sehr hart und stressig.» Das sah man beim letzten Zeitfahren am vorletzten Tour-Tag, als Pogacar nur Achter wurde. Alles hänge, sagt Hirschi, «auch bei Tadej ab, wie gut er sich in den letzten Tagen erholen konnte und wie gut er die Hitze hier erträgt».
Belgien mit Van Aert und Evenepoel
Das Gleiche wie für Pogacar, heuer auch Sieger des Eintagesklassikers Lüttich-Bastogne-Lüttich, gilt für Wout van Aert. Der Belgier demonstrierte bei der Tour de France seine enorme Vielseitigkeit. Er gewann zunächst solo die Berg-Etappe, als zweimal der Mont Ventoux zu bewältigen war, danach entschied er auch das Zeitfahren in St-Emilion am zweitletzten und den Massensprint am letzten Tour-Tag zu seinen Gunsten.
Sowohl Belgien (mit Youngster Remco Evenepoel) wie auch Slowenien (mit dem wiedergenesenen Tour-Sturzopfer Primoz Roglic) verfügen über einen kletterstarken Co-Leader. Auch für die Topnationen, die nur je fünf Fahrer stellen dürfen, wird es allerdings schwierig, das Rennen zu kontrollieren. Leader bei Italien ist Vincenzo Nibali, bei Spanien Alejandro Valverde und bei Deutschland Maximilian Schachmann.