Eisschnelllauf Livio Wenger will abermals Geschichte schreiben

sda

5.2.2022 - 18:00

Livio Wenger strebt im Massenstartrennen zum Ende der Spiele eine Medaille an.
Livio Wenger strebt im Massenstartrennen zum Ende der Spiele eine Medaille an.
Keystone

Livio Wenger startet am Sonntag mit dem Rennen über 5000 m in seine zweiten Olympischen Spiele. Am zweitletzten Olympia-Tag im Massenstart gehört er zu den Medaillenkandidaten.

Keystone-SDA, sda

Am 9. Januar 2021 schrieb Livio Wenger Schweizer Eisschnelllauf-Geschichte, als er an der EM in Heerenveen im Massenstart Silber gewann. Noch nie zuvor hatte ein Schweizer in dieser Sportart an internationalen Meisterschaften in einer Einzeldisziplin auf dem Podest gestanden. «Das bedeutet mir schon viel und war eine Erleichterung», sagt der 29-jährige Luzerner im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Eine Erleichterung deshalb, da Wenger Anfang Dezember während des Weltcups in Salt Lake City positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Zuerst wollte er es nicht wahrhaben und dachte, dass nach zwei Tagen alles wieder gut sei. Doch weit gefehlt: Er verlor den Geschmack- und Geruchssinn, hatte Schweissausbrüche, litt zum Teil an sehr starken Kopfschmerzen und konnte sich phasenweise kaum mehr vom Bett in die Küche bewegen. Insgesamt war er elf Tage positiv. Nach der Rückkehr in die Schweiz am 17. Dezember musste er es zunächst extrem ruhig angehen. Im neuen Jahr versuchte er dann, wieder normal zu trainieren, er merkte jedoch, dass er länger für die Erholung benötigte.

Wenger blieb ruhig

Von daher gewinnt die EM-Medaille noch zusätzlich an Wert. Unerwartet kam sie für ihn allerdings trotz des verlorenen Monats nicht. «Ich liess mich nicht aus der Ruhe bringen», blickt Wenger zurück. «Im Massenstart ist ein gutes Resultat auch dann möglich, wenn man nicht den besten Tag hat. Es spielen nicht immer nur die Beine die Hauptrolle, die Taktik ist ein weiterer Faktor und natürlich der Kopf. Mental war ich bereit.»

Wenger, vor vier Jahren Olympia-Vierter im Massenstart, hatte schon zuvor negative Erfahrungen mit Corona gemacht. Nach der Saison 2019/20 reiste er für Ferien nach Guatemala, von wo seine Freundin Dalia Soberanis, ebenfalls eine Eisschnellläuferin, stammt. Aus den geplanten zweieinhalb Wochen wurden aufgrund des Lockdowns drei Monate, in denen die beiden sozusagen in einem Haus eingesperrt waren. Statt normal trainieren zu können, verbrachte Wenger jeden Tag drei, vier Stunden auf einem Indoor-Velo, mental eine Herausforderung.

Es war für ihn jedoch eine prägende Zeit. Zwar ging es den beiden den Umständen entsprechend gut, er sah aber auch die andere Seite, die enorme Armut. «Es war ziemlich schockierend, als ich in die Schweiz zurückgekommen bin und sich die Leute darüber aufregten, nicht in eine Bar oder in Restaurants gehen zu dürfen», sagt Wenger. «Ich dachte, seid doch froh, dass ihr euch frei bewegen könnt, dass ihr Jobs und Essen auf dem Tisch habt. Wir jammern in der Schweiz auf einem unglaublich hohen Niveau.»

Er fühlt sich wohl

In Peking hat er sich gut eingelebt, er fühlt sich wohl – «ich kann mich nicht beklagen.» Obwohl er sich im olympischen Dorf frei bewegen kann, ist er aufgrund der aktuellen Situation dennoch mehr im Zimmer als sonst. Die Eishalle findet er «wunderschön. Die Chinesen haben einen grossartigen Job gemacht, wie das hatte erwartet werden können.» Das Eis bezeichnet Wenger als «Arbeitereis. Es ist nicht sehr schnell. Für den Massenstart spielt es aber ohnehin keine grosse Rolle, wie das Eis ist.»

Ändert die nicht optimale Vorbereitung etwas an den Erwartungen? «Über 5000 m schon. Da muss ich realistisch sein. Bis ich Corona bekam, hatte ich mir Aussenseiterchancen ausgerechnet. Es wird schwierig, in die Top Ten zu laufen. Mein Ziel ist, ein noch besseres Gefühl für die Bahn zu bekommen. Das Rennen wird im Hinblick auf den Massenstart wertvoll sein. In diesem wäre alles andere als eine Medaille eine Enttäuschung.»