Kanton Bern als Skicross-Mekka Mike Schmid und Ryan Regez – zwei höchst unterschiedliche Olympiasieger

sda

18.2.2022 - 12:02

Olympiasieger unter sich: Ryan Regez (links) und Mike Schmid, der 2010 im Skicross triumphierte
Olympiasieger unter sich: Ryan Regez (links) und Mike Schmid, der 2010 im Skicross triumphierte
Bild: Keystone

Ryan Regez wird Skicross-Olympiasieger und tritt in die Fussstapfen von Mike Schmid. Rund 20 km beträgt die Luftlinie zwischen den beiden Berner Olympiasiegern, die charakterlich so verschieden sind.

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Der eine kommt aus Frutigen, der andere aus Wengen. Der eine misst 1,95 m, der andere 1,92 m. Der eine heisst Mike, der andere Ryan. Mike Schmid ist Olympiasieger 2010, Ryan Regez Olympiasieger 2022. Der Kanton Bern entpuppt sich als Brutstätte der Schweizer Skicross-Olympiasieger. Regez und Schmid sind die einzigen Schweizer, die es in der jungen Sportart auf den Olymp geschafft haben, in der die Schweizer seit jeher ganz vorne mitmischen. Der eine ist inzwischen einer der Trainer des anderen.

Schmid triumphierte 2010 in Vancouver vor einem Österreicher und einem Norweger. Regez setzte in Peking noch eine Schippe drauf. Zwölf Jahre nach Schmid feierte er mit Alex Fiva einen historischen Schweizer Doppelsieg.



Das Glück der Spätberufenen

Sowohl Schmid als auch Regez sind Spätberufene – Quereinsteiger, wie viele andere im Skicross-Kosmos. Schmid verdingte sich zeitweise auf dem Bau, ehe seine sportliche Laufbahn eine unverhoffte Wende an die Weltspitze nahm. Regez hatte dem Leistungssport während drei Jahren abgeschworen, bevor er seine Berufung als Skicrosser fand. Als Junior hatte er sich als alpiner Skirennfahrer versucht. Nachdem der Erfolg auf FIS-Stufe ausgeblieben war, hörte er mit 18 Jahren auf.

Ende 2015 debütierte Regez als Skicrosser im Weltcup. Wie Schmid erreichte er seine Höchstform zum genau richtigen Zeitpunkt: im Olympiawinter sechs Jahre später. Beide traten als Favoriten an und hielten dem Druck stand. Regez erlebte seine olympische Sternstunde 24 Stunden nach dem Drama um Fanny Smith, die Frau im Schweizer Skicross-Team mit dem englischen Vornamen.



Rund 20 km Luftlinie liegen zwischen den Herkunftsorten der beiden bislang einzigen Schweizer Olympiasieger. Aber dazwischen türmen sich einige Gipfel: das Drättehorn, der Dreispitz, das Gehrihorn, alle zwischen 2100 und 2800 m hoch. Etwa so weit liegen Ryan Regez und Mike Schmid in ihrem Wesen auseinander. Die beiden stämmigen Berner Olympiasieger könnten unterschiedlicher kaum sein.

Der Introvertierte und der Extrovertierte

Mike Schmid war (und ist) die Ruhe in Person, sein Auftreten war in allen Lagen geradezu stoisch. Der bodenständige Strassenbauer fühlte sich im Scheinwerferlicht nie richtig wohl. Stets blieb er wortkarg. Schmid fiel primär durch seine Postur auf.

Ryan Regez dagegen fällt auf alle möglichen Arten auf. Der 29-jährige Wengener ist extrovertiert, präsentiert sich in den sozialen Medien auch einmal nackt in der Natur, tritt im Sportpanorama mit violett-pink gemusterten Leggings auf. Er klopft Sprüche am Laufmeter, schert sich nicht darum, was andere über ihn denken.

Anecken und unterhalten

Regez kann anecken, Unterhaltung ist aber garantiert. In einem süffisanten Podcast ging er auf eine Wette ein: Gewinnt er 2022 Olympiagold und den Gesamtweltcup, lässt er sich am Hintern tätowieren. Vier gute Weltcuprennen trennen ihn noch von der Tätowierung. Natürlich werde er den Wetteinsatz einlösen, sollte er auch noch den Gesamtweltcup gewinnen, bekräftigt der neue Olympiasieger.

Schmid blieb immer cool, Regez ist bisweilen ungeduldig und von Zweifeln geplagt – so wie zu Beginn dieser Saison, als er nach einer Verletzung zuerst hinterherfuhr. So wie zu Beginn in China, als er in den Trainings schwächelte und während Tagen eine starke Nervosität verspürte. Schmid und Regez zeigen: Der Erfolg hat viele Schattierungen.