Abgang bei Man Utd provoziert Ronaldos Frust-Interview kann für beide Seiten eine Erlösung sein

Von Syl Battistuzzi

14.11.2022

Cristiano Ronaldo hat eine schwierige Zeit hinter sich. 
Cristiano Ronaldo hat eine schwierige Zeit hinter sich. 
Getty

Cristiano Ronaldo hat sich mit brisanten Aussagen womöglich endgültig bei Manchester United ins Abseits gestellt. Die Trennung ist aber für beide Seiten die Möglichkeit für eine Neuorientierung.

Von Syl Battistuzzi

14.11.2022

In einem Interview sagte der Portugiese, er fühle sich «verraten». Der Torjäger bezog dies auf Trainer Erik ten Haag und «zwei, drei andere Leute rings um den Club».



Ten Hag war vor dieser Saison zu Manchester United gekommen und setzt Ronaldo nicht mehr regelmässig als Stammspieler ein. Der Europameister von 2016 hatte daraufhin sogar einmal seine Einwechslung verweigert. 

Der Rundumschlag von CR7

Die Menschen sollten die Wahrheit hören, sagte Ronaldo nun. Für seinen niederländischen Vorgesetzten habe er keinen Respekt, weil dieser ihn auch nicht respektiere.

Über den einstigen Interimstrainer Ralf Rangnick, der vor seinem Amtsantritt als Nationaltrainer Österreichs auch als Berater für United tätig war, spottete der 37-Jährige: «Wenn Du nicht mal Trainer bist, wie kannst Du dann der Boss von Manchester United sein? Ich hatte noch nie von ihm gehört.»

Ronaldo ging auch auf seinen ehemaligen Teamkameraden Wayne Rooney ein und fragte, warum der Engländer ihn immer kritisiere. Er sagte: «Ich weiss nicht, warum er mich so schlecht kritisiert ... wahrscheinlich, weil er seine Karriere beendet hat und ich immer noch auf hohem Niveau spiele. Ich werde nicht sagen, dass ich besser aussehe als er. Was ja auch stimmt ...»

Die früheren Teamkollegen Cristiano Ronaldo und Wayne Rooney haben das Heu nicht mehr auf der gleichen Bühne. 
Die früheren Teamkollegen Cristiano Ronaldo und Wayne Rooney haben das Heu nicht mehr auf der gleichen Bühne. 
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In dem 90-minütigen Interview – welches im Verlauf der Woche in voller Länge veröffentlicht wird – betonte Ronaldo, er liebe Manchester United, die Fans seien immer auf seiner Seite. 

Seit der einstige Erfolgstrainer Alex Ferguson den Club verlassen habe, sehe er keine Entwicklung mehr. Der Verein sei auf einem Weg, den er nicht verdiene. Das wisse Ferguson, das wisse jeder. «Die Leute, die das nicht sehen – das ist so, weil sie es nicht sehen möchten. Sie sind blind», hielt Ronaldo fest.

Ersatzspieler Ronaldo meldet sich krank

Blind – zumindest vor Wut –  war offenbar auch der Portugiese, als er hinter dem Rücken seines Arbeitgebers das Interview mit Piers Morgan aufgleiste. Mit dem umstrittenen TV-Host – der 57-jährige Engländer sorgte auf der Insel immer wieder für Kontroversen – pflegt er seit mehreren Jahren eine Freundschaft. 

Die Frust-Aussagen haben die Verantwortlichen von Manchester United auf dem falschen Fuss erwischt. Ten Hag – aber auch die Spieler selbst – sollen sehr enttäuscht über die Art und Weise und den Zeitpunkt des Interviews sein, wie «Sky»-Reporter Kaveh Solhekol berichtet.

Erik ten Hag (links) hatte mit Cristiano Ronaldo öfters Zoff. 
Erik ten Hag (links) hatte mit Cristiano Ronaldo öfters Zoff. 
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Gemäss dem Insider habe Ten Hag am Donnerstag CR7 informiert, dass er am Sonntag gegen Fulham nicht in der Startaufstellung sei, aber zum Kader gehöre. Die (erneute) Nicht-Berücksichtigung kam offenbar nicht gut an beim Empfänger: Ronaldo habe sich krank gemeldet. 

Die Trennung ist eine Chance

Die Mätzchen des fünffachen Weltfussballers kann der Klub nun schlicht nicht ignorieren, zumal CR7 Wiederholungstäter ist. Sein Vertrag im Old Trafford läuft im Sommer aus, rein buchhalterisch fällt der Verlust nicht ins Gewicht. Und auf dem Platz zeigt der einst so treffsichere Stürmer schon länger Ladehemmung, was bei seinen beiden Vorgängerklubs Juventus Turin und Real Madrid praktisch nie vorkam. Für den Klub kommt das «Schock-Interview» mutmasslich gar nicht mal ungelegen. So kann man seinen aufmüpfigen Star-Spieler elegant entsorgen, ohne in der Öffentlichkeit Schelte zu beziehen. Im Gegenteil: Alles andere als ein Rauswurf würden viele Fans nicht goutieren, so zumindest der Tenor in den sozialen Medien. 

Ronaldo will hingegen anderswo seinen Wert beweisen. Zunächst mal mit dem Nationalteam in Katar. Die Chancen, dass er ein tolles Turnier zeigt, stehen dabei trotz der zuletzt ausbleibenden Tore gut. In Drucksituationen blühte Ronaldo fast immer auf – speziell, wenn er zuvor attackiert wurde. Die Kritik prallte nicht nur an ihm ab, sondern schien jeweils auch seine Motivation noch zusätzlich anzukurbeln. Getreu dem alten Jäger-Spruch: «Angeschossene Löwen sind am gefährlichsten.»

Mit starken Auftritten würde Ronaldo sich zwangsläufig für andere Vereine interessant machen. Doch der sportliche Aspekt ist inzwischen wohl fast nebensächlich. Bereits im vergangenen Sommer war ein Transfer nicht zustande gekommen, weil einerseits viele Top-Klubs schon ihre Positionen in der Offensive besetzt hatten und andererseits vor allem das Risiko für die meisten schlicht zu gross war. Damit ist nicht nur das fortgeschrittene Alter und das üppige Gehalt subsumiert, sondern vor allem das Scheinwerferlicht, welches der Mega-Star unweigerlich auf sich zieht. 

Cristiano Ronaldo hat bei Portugal beeindruckende Zahlen auf dem Konto. 
Cristiano Ronaldo hat bei Portugal beeindruckende Zahlen auf dem Konto. 
Keystone

Ihre Bedenken erweisen sich aktuell nicht als falsch. Den richtigen Umgang mit Superstars erfordert von Trainern, aber auch von den Vereinsverantwortlichen viel Fingerspitzengefühl. Die gekränkte Seele von Ronaldo unterstreicht – das zweite Kapitel bei den Red Devils war nach ansprechendem Start ein Misserfolg. 

Ein Klub, der im 2023 Ronaldo verpflichtet, weiss spätestens jetzt: Es kann bei negativem Ausgang schmutzig werden. Die toxische Beziehung von CR7 mit Man Utd ist also auch eine Warnung an alle potenziellen Interessenten, sich auf ihn einzulassen. Solche Warnzeichen wirken trotzdem nicht bei allen Kandidaten abschreckend, im Gegenteil. So wird sicher schon bald ein Klub das Gefühl haben, mit ihm den «Richtigen» gefunden zu haben.

Eine neue Liebe könnte auch Ronaldo beflügeln. Denn wenn einer im fortgeschrittenen Alter zu neuen Höhenflügen ansetzen kann, dann er. Mit Schmetterlingen im Bauch fliegt es sich bekanntlich leichter. Und Man Utd kann den Neuanfang ohne den Ex machen, der lange die Liebe seines Lebens schien. Und nun die Trennung fordert. Eine interne Reformation ist im Klub dringend nötig. Unabhängig von den persönlichen Rachefeldzügen von Ronaldo – seine Kernbotschaft war korrekt. Die Entwicklung beim englischen Rekordmeister zeigt seit knapp zehn Jahren nach unten. 

«Ich will das Beste für den Club»

Cristiano Ronaldo

Der Fussball-Star über Manchester United


Anm.d.Red.: Mit Material von DPA