Die Schweizer Speed-Spezialisten starten in Lake Louise mit guten Vorzeichen in den neuen Winter. Beat Feuz ist in der Abfahrt der Gejagte, Mauro Caviezel gehört im Super-G zu den Favoriten.
Reto Nydegger, der neue Schweizer Speedtrainer, verzeichnete einen erfreulichen Einstand. Zwar zwangen Schnee- und Wetterverhältnisse die Mannschaft über den Sommer zu einigen Umstellungen und zum Verzicht auf den Abstecher in den Winterschnee der chilenischen Anden. Weil sich aber der Gletscher von Saas-Fee als gute Alternative erwies, fanden die Schweizer vor den weiteren Speedtrainings in Nordamerika bessere Bedingungen vor als manch anderes Team. Kommt hinzu, dass sich keiner verletzte. Auch das ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr angesichts immer höherer Tempi in den Kurven und den teils prekären Sicherheitsstandards auf temporären Trainingsstrecken.
Nydegger, der 44-jährige Berner Oberländer, der in den letzten drei Jahren die pflegeleichte norwegische Equipe als Chef betreute, kann vor dem Saisonauftakt in den kanadischen Rocky Mountains mit einer Abfahrt am Samstag und einem Super-G am Sonntag also festhalten: «Der erste Eindruck ist sehr positiv.» Seine Equipe steigt zuversichtlich in den neuen Winter, allen voran natürlich dank Beat Feuz, dem Abfahrts-Weltcupsieger der letzten zwei Saisons, dessen Vorbereitung ohne Komplikationen verlaufen ist. Aber auch dank Mauro Caviezel, der sich in der letzten Saison definitiv in der Weltspitze etabliert hat und im Sommer Detailarbeit betreiben konnte.
«Ziel ist es, noch besser abzuschneiden als letzte Saison», sagt Männerchef Tom Stauffer. Zu hoffen ist diesbezüglich, dass der chronische Rückenpatient Carlo Janka die Lücke nach vorne wieder etwas schliessen kann, dass sich Marc Gisin von seinem schlimmen Sturz in Val Gardena gänzlich erholen wird, und dass Gilles Roulin, Niels Hintermann, Marco Odermatt und Co. Schritte nach vorne machen können.
Während der Rücktritt von Marcel Hirscher die Ski-Gemeinde aufrüttelte, verabschiedete sich Aksel Lund Svindal an der letzten WM vergleichsweise leise. Wobei die Umstände nicht vergleichbar sind: Mit 30 Jahren zog Hirscher im Zenit seiner Schaffenskraft die Reissleine. Svindal dagegen, der die Szene während fast 15 Jahren massgeblich prägte, konnte wegen seines geschundenen Körpers bereits seit längerem nur noch vereinzelt Akzente setzen. Der Abgang des charismatischen Norwegers war einer mit Ansage.
Dominik Paris erster Herausforderer
Feuz, den seine lange Krankenakte mit Svindal verband, wird seinen Verbündeten und Rivalen vermissen. Sportlich wird sich indes nicht viel ändern. Bereits in der letzten Saison waren seine Hauptgegner andere, allen voran der Italiener Dominik Paris. Der Südtiroler liess sich mit Fortdauer der Saison nur noch schwer bezwingen. Anders als Feuz, der in der Abfahrt mit seiner Konstanz bestach, im Super-G aber Probleme bekundete, mischte Paris in beiden Speed-Disziplinen zuvorderst mit. Es würde überraschen, wenn der 30-Jährige mit dem markanten Akzent und dem Flair für harte Töne nicht erneut zu den Favoriten zählt. Seine Physis ist prädestiniert für die Abfahrt, dazu bringt der 100-kg-Athlet ausgezeichnete technische Fähigkeiten mit.
Als weitere Herausforderer von Feuz gelten die Österreicher Vincent Kriechmayr und Matthias Mayer, die im Super-G von Lake Louise seit Jahren tonangebenden Norweger mit Aleksander Kilde und Kjetil Jansrud sowie Teamkollege Mauro Caviezel. Mit dem deutschen Kitzbühel-Sieger Thomas Dressen sowie dem Kanadier Manuel Osborne-Paradis kehren zudem zwei Kreuzband-Patienten zurück, die zu einigem fähig sind.
Um sich als bester Abfahrer zu behaupten, muss Feuz ähnlich konstant fahren wie in der letzten Saison, als er in sechs von acht Weltcup-Abfahrten auf dem Podest stand und er nie schlechter als Sechster war. Zupass kommt ihm, dass die Belastung in einem Winter ohne WM und Olympische Spiele geringer ist. Und zuversichtlich stimmt, dass er seine Knieprobleme dauerhaft in den Griff bekommen hat. Der Emmentaler weiss die Signale seines elfmal operierten linken Knies inzwischen richtig zu deuten und die Belastung entsprechend anzupassen. Für seine Verhältnisse konnte er optimal trainieren. Zwar sind seine Einheiten auf Schnee kürzer als jene der Teamkollegen, dass er aber zum Beispiel in Saas-Fee an sieben von acht Tagen habe mitmachen können, sei unüblich und erfreulich, liess er verlauten.
Die grössten Umwälzungen spielten sich in der Zwischensaison auf Trainerebene ab. Wohl auch wegen Carlo Jankas öffentlich geäusserter Kritik an der letzten WM räumte Andy Evers seinen Posten nach zwei Jahren wieder. Der fachlich angesehene, für manche zu leise Österreicher amtet nun bei den Deutschen. Im Schweizer Team ist Nydegger der erste Einheimische seit 15 Jahren, dem Swiss-Ski die Aufgabe als Chef der Speedfahrer anvertraute.