Seit dieser Woche können die Langläufer in und um das Nationale Leistungszentrum in Davos wieder in der Gruppe trainieren. Für Dario Cologna und Co. ein wichtiger Schritt zurück in die Normalität.
Der Sommer ist noch nicht richtig angekommen in Davos. Gerade mal 6 Grad zeigt das Thermometer im idyllischen Sertigtal an. Immerhin regnet es nicht, und Schnee liegt nur etwas weiter oben am Berg. Die eher garstigen Bedingungen bremsen den Trainingseifer der Schweizer Spitzen-Langläufer kein bisschen. Auch der vierfache Olympiasieger Dario Cologna ist mit 34 Jahren noch topmotiviert.
Im Pulk wuchten die Athleten der Trainingsgruppe A ihre Rollski den Berg hinauf. Einmal, zweimal, dreimal. Ab und zu stört das Auto eines Ausflüglers die Stille, manchmal das Bimmeln von Kuhglocken und zweimal kreuzt das Postauto den Weg der Sportler. Es ist eine besondere Woche im Landwassertal: Erstmals seit der Aufhebung der meisten Corona-Restriktionen trainieren die Schweizer wieder zusammen. Für Cologna ist es sozusagen der Auftakt in seine 15. Weltcupsaison. Eine, von der noch nicht sicher ist, wie sie aussehen wird.
Fragen zum nächsten Winter
«Wir hatten ja bisher Glück», betont Cologna im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Tatsächlich: Nur die letzten drei Weltcup-Stationen in Kanada und den USA fielen dem Coronavirus zum Opfer. Stattdessen konnte der Münstertaler in seiner Wahlheimat Davos noch lange bei guten Wetter auf Schnee trainieren. Für sich selber natürlich. Doch wie sieht es für die kommende Saison aus? Cologna hofft auf das beste – und bereitet sich entsprechend vor. «Man hört viele Szenarien», sagt er. «Von möglichen Verschiebungen und dass der Kalender eventuell etwas anders aussieht. Aber Stand jetzt findet die Saison statt.» Rennen ohne Zuschauer könnte sich der Bündner zwar vorstellen, «aber es wäre natürlich schade.» Zwar gebe es Wettkämpfe, bei denen es sowieso nur wenige Fans habe, doch «draussen in der Natur wäre es vielleicht schwierig, die Zahl der Zuschauer einzuschränken, wenn ich zum Beispiel an Norwegen denke.»
Auch bezüglich Dopingkontrollen normalisiert sich die Lage nach und nach. Dass während der Lockdowns nicht oder viel weniger als üblich kontrolliert wurde, macht Cologna keine Sorgen. «Die Saison war ja vorbei, da wird auch sonst nicht so viel kontrolliert.» Nun werde aber langsam wieder hochgefahren. Dass Konkurrenten im Ausland die kontrollfreie Zeit ausgenützt haben könnten, befürchtet der 34-Jährige nicht. «In anderen Ländern wird ja auch in Nicht-Corona-Zeiten anders kontrolliert als bei uns», meint er dazu. «Bei uns wird das immer sehr genau genommen, da habe ich keine Angst.»
Sprinter und Distanzläufer in einer Gruppe
Immer wieder hupt der mit Swiss-Ski angeschriebene Minibus, der dem kleinen Tross von Läufern folgt. Es ist das Zeichen, das Tempo beim Intervall-Training zu erhöhen oder sich wieder für eine kurze Phase zu erholen. Am Steuer des Busses sitzt Kein Einaste. Der Este ist nur ein Jahr älter als Cologna und wurde in diesem Frühling zum Cheftrainer der Männer befördert. Er soll unter anderem für neue Reize für den Star des Teams sorgen und als ehemaliger Sprintcoach soll er Cologna in dieser Disziplin, in der er zuletzt den Anschluss an die Weltspitze verloren hat, wieder nach vorne bringen. Auch Massenstartrennen über längere Distanzen werden angesichts der Leistungsdichte im Feld zunehmend in Sprints einer Spitzengruppe entschieden.
Unter Einaste und dem neuen französischen Trainer François Faivre gibt es für die Weltcup-Läufer nur noch eine Trainingsgruppe, für Sprinter und Distanzspezialisten. Und seit dieser Woche dürfen sie auch wieder gemeinsam trainieren. Jovian Hediger, der aktuell beste Schweizer Sprinter, verbrachte die Zeit des Lockdowns zuhause im waadtländischen Bex. «Ich habe Glück und wohne in einem Haus mit Garten, nahe am Wald», erzählt der 29-Jährige. Da diesmal keine Ferienreise möglich war, sei der Wiedereinstieg sogar einfacher gefallen als sonst. Nun ist wieder fast alles wie normal. «Es gibt noch ein paar Regeln, mit denen wir nun Erfahrungen sammeln», sagt Hediger. «Wir passen auf, aber wir können wieder zusammen trainieren und zusammen Bus fahren.»
Als sie beim Berg-Gasthaus am Ende des Sertigtals ankommen, können die Langläufer deshalb in den warmen Bus steigen. Eine rasante Talfahrt auf den Rollski wäre etwas kühl. Das Sommertraining mag begonnen haben, doch das Wetter hat davon noch nicht viel mitbekommen.