Die WM-Premiere des Parallel-Rennens sollte für Spannung und Spektakel sorgen. Was am Ende bleibt, ist kollektives Kopfschütteln. Das Rennen verkommt zur Farce.
«Das zu hundert Prozent faire Skirennen hat es noch nie gegeben und wird es auch nie geben. Wir sind es uns gewohnt: Die Piste verändert sich, das Wetter, der Schnee, der Wind verändern sich. Es sollte nur wenn möglich ein gewisses Ausmass an mangelnder Fairness nicht überschreiten», so der Kommentar vor SRF-Mann Stefan Hofmänner, der am Dienstag wohl eines der verrücktesten WM-Rennen der Ski-Geschichte kommentierte.
Ein Rennen, das mit seinem speziellen Format für Spannung sorgen sollte – und dieses Versprechen auch halten konnte. Dies leider jedoch auf Kosten der Fairness. Und auf Kosten der schnellsten Fahrerinnen und Fahrer der Qualifikation.
Loïc Meillard stellte bei den Männern mit 31,79 Sekunden die beste Quali-Zeit auf. Der Neuenburger fuhr auf der roten Piste, die sich bei den Finalläufen schliesslich als die deutlich schnellere herausstellen sollte. Meillards grosser Nachteil: Als Qualisieger muss er in den Finalläufen immer als Erster auf die rote Piste, wo er stets den Maximalvorsprung von 50 Hundertstel herausfahren kann.
Dieser Maximalvorsprung soll die Spannung im Rennen bewahren. So geht der im ersten Lauf unterlegene Fahrer nur eine halbe Sekunde nach dem Führenden in den zweiten Durchgang, auch wenn er im ersten deutlich mehr verloren hat. Meillard holt sich sowohl im Achtel- als auch im Viertel- und Halbfinal diesen Maximalvorsprung im ersten Lauf.
Meillard im Halbfinal viel schneller und doch ausgeschieden
Den Nachteil, als Zweiter auf der langsameren blauen Piste zu fahren, bekommt der Schweizer dann erst im Halbfinal zu spüren: Auf rot nimmt er dem Kroaten Filip Zubcic handgestoppt fast eine Sekunde ab. Weil er dann aber nur mit einem Vorsprung von 5 Zehntel in den zweiten Lauf kann, reicht es für Meillard am Ende wegen 2 Hundertstel nicht für den Final –, obwohl er in beiden Läufen rund eine halbe Sekunde schneller fuhr als Zubcic.
Der Kroate ist dann im Final gegen den Franzosen Mathieu Faivre klar unterlegen. Immerhin geht der Sieg von Faivre absolut in Ordnung. Im Final ist der Franzose sogar auf der blauen Piste schneller als Zubcic und schaukelt den Vorsprung auf rot dann locker ins Ziel. Für Meillard springt am Ende immerhin noch die Bronzemedaille heraus. Ein schwacher Trost für den Westschweizer, der in der Quali 72 Hundertstel schneller fuhr als der spätere Sieger Faivre und bei fairen Bedingungen wohl kaum zu schlagen gewesen wäre.
«Es ist eine WM-Medaille, das ist schön. Aber es muss sich noch viel verbessern, damit das ein schöner Wettkampf wird und alle die gleichen Chancen haben. Heute war das nicht ganz fair und es wird sicher noch Diskussionen geben», sagt der 24-Jährige. Auch SRF-Experte Marc Berthod meint: «Meillard ist am Regelwerk gescheitert. Das darf nicht sein.»
«Das unfairste Rennen meines Lebens»
Marta Bassino, in der Quali nur die 17. Schnellste, ist bei den Frauen die grosse Profiteurin des umstrittenen Rennens. Im Viertelfinal geht sie gegen Landsfrau Federica Brignone dank dem «Maximalvorsprung» nur mit 50 Hundertstel Rückstand auf die inzwischen viel schnellere rote Piste und setzt sich schliesslich knapp mit 12 Hundertstel Vorsprung durch.
Brignone wütet nach ihrem Aus: «Das war das unfairste Rennen meines Lebens und das an einer WM! Ich bin wirklich sehr sauer. Ja, so sind die Regeln. Aber so etwas darf es an einer Weltmeisterschaft nicht geben, tut mir leid. Ich hoffe, die FIS wird auf die Athleten hören. Bis jetzt interessierte es sie eigentlich nie, was wir meinen.»
Bassino ist das egal, sie profitiert weiter von den umstrittenen Regeln: Im Halbfinal hält sie im ersten Durchgang zwar mit einem Rückstand von 48 Hundertstel ganz gut mit. Diesen kann sie dann auf der roten Piste wettmachen. Am Ende sind tatsächlich beide gleich schnell – und weil die Regel will, dass die Fahrerin weiterkommt, welche im zweiten Lauf schneller war, steht Bassino im Final und nicht Worley.
Im Final dann verliert die Italienerin gegen Katharina Liensberger aus Österreich im ersten Lauf sogar mehr als eine Sekunde – eigentlich. Doch wegen des «Maximalvorsprungs» kann Bassino dann auf der roten Piste wiederum die 50 Zehntel Rückstand aufholen und kommt erneut mit der gleichen Zeit wie ihre Konkurrentin ins Ziel. Und gewinnt das Rennen deshalb tatsächlich.
Glück für Liensberger: Weil sie ihren Vorsprung verteidigen kann und sich im Final keinen Rückstand einfängt, erhält auch sie eine Goldmedaille. Zum verrückten Rennen passt, dass der österreichische Skiverband sich aber zuerst an die Jury wenden muss, um diese auf die Regeln aufmerksam zu machen. Liensberger begnügt sich zuerst mit Silber, strahlt nach der grossen Verwirrung aber doch noch über Gold.
Ein fader Beigeschmack bleibt, wie auch «blue»-Ski-Experte Michael Bont festhält (s. Video am Anfang des Artikels).