Die Schweizer Skispringer reisen mit einem Mini-Aufgebot und geringen Ambitionen an die Vierschanzentournee. Manche Schwierigkeiten sind erklärbar, andere mysteriös.
Skispringen ist oft schwer erklärbar. «Es ist eine sehr, sehr komplizierte Sportart», sagt die grösste Schweizer Nachwuchshoffnung Dominik Peter. «Und wenn es mal nicht läuft und der Wurm drin ist, wird es mit mehr Kraft und noch mehr Wollen meist noch schlimmer.» Der Wurm ist bei den flügellahmen Schweizern aktuell definitiv drin.
Im Fall des 21-jährigen Peter, Dritter der Junioren-WM 2021, und von Killian Peier, der eigentlich der Teamleader sein sollte, ist dieser Wurm erklärbar. Peter musste sich im Frühling zweimal am rechten Knie operieren lassen (nach dem linken im letzten Jahr) und konnte deshalb im Sommer kaum trainieren. Peier, der WM-Dritte von 2019, litt im Herbst an einer Entzündung an der Patellasehne. «Ich hatte nur etwa zehn Prozent der Sprünge», erklärte der 27-jährige Waadtländer beim Heim-Weltcup vor Weihnachten in Engelberg. «So fehlt mir das richtige Gefühl, die Sprünge sind noch nicht flüssig.»
Im Sommer top, im Winter flop
Bleibt Gregor Deschwanden. «Das ist etwas mysteriös», rätselt auch der Schweizer Skisprung-Chef Berni Schödler. Denn Deschwanden sprang im Sommer auf den Mattenschanzen im Kreis der Besten. Im Weltcup-Winter schaffte er dann aber nur zweimal den Sprung in die Punkte (25. zuletzt in Engelberg, 28. in der Woche davor in Titisee-Neustadt). «Das genügt für seinen Aufwand sicher nicht», findet Schödler.
Auch Deschwanden selber kann sich die Diskrepanz nicht erklären. «Ich hatte den besten Sommer meiner Karriere», sagt der 31-jährige Luzerner kopfschüttelnd. «Da habe ich natürlich von anderen Resultaten geträumt.» Er habe die Lockerheit nach dem Absprung nicht mehr. Das Problem ist, dass aktuell zu viele Details nicht stimmen. «Wenn du wenige Punkte hast, an die du denken musst, hast du den Kopf freier», erklärt er. «Wenn es mehr Punkte sind, ist alles etwas zu kontrolliert und zu wenig frei.» Dennoch müsse er all diese Punkte abrufen, ansonsten würde es auch nicht gehen.
Womit wir wieder bei der Kompliziertheit des Skispringens sind. Wenn es läuft, geht vieles automatisch. Wenn nicht, ist es ganz schwierig, die nötige Lockerheit wiederzufinden. «Gring ache u seckle», mal eine kernige Grätsche oder ein Puck, der mit letztem Einsatz über die Linie gestochert wird – all das funktioniert im Skispringen nicht. Zudem fehlt in der aktuellen Konstellation ein Teamleader, dem es gut läuft und der die anderen mitzieht.
Nur Deschwanden an der Vierschanzentournee
«Es wäre natürlich auch für die Trainer entspannter», weiss Deschwanden. «Es ist für alle nicht schön. Alle sind unter Druck.» So wird Gregor Deschwanden am Mittwoch, wenn mit der Qualifikation in Oberstdorf die Vierschanzentournee – neben der WM oder Olympia der alljährliche Höhepunkt der Saison – beginnt, als einziger Schweizer vom Bakken abstossen. Immerhin zeigt er sich nach den Fortschritten in Engelberg zuversichtlich. «Es fehlt nicht viel, mit der nötigen Lockerheit kann ich den nötigen Schritt machen.» Er will nicht mehr um die Qualifikation für den zweiten Durchgang zittern müssen.
Einen wichtigen Schritt wollten die Schweizer in der Woche vor Weihnachten mit ein paar Trainingstagen in Oberstdorf machen, wo sie auch die deutschen Springer als Messlatte hatten. Noch backen die Athleten von Swiss-Ski aber kleinere Brötchen. Ausser Deschwanden will man am Dienstag und Mittwoch bei Wettkämpfen des Continental-Cups in Engelberg wieder Selbstvertrauen holen. Auch der 41-jährige, vierfache Olympiasieger Simon Ammann will da nochmals einen Anlauf nehmen.
Plätze in den Top 5 oder Top 10 sind gefordert, um allenfalls noch in die Vierschanzentournee einsteigen zu können. Vor allem Killian Peier möchte am 4. Januar in Innsbruck, auf der Schanze, auf der er WM-Bronze gewann, unbedingt dabei sein.