Die Bündnerin Talina Gantenbein war auf dem Weg, ein ewiges Skicross-Talent zu bleiben. In ihrer fünften Saison schafft sie den Durchbruch und gehört mit 22 Jahren noch immer zu den Jüngsten.
Mitte Dezember hatte sich das Schweizer Radio SRF in einem Beitrag der Frage gewidmet, was im Schweizer Skicross-Team der Frauen passieren würde hinter Fanny Smith, der 28-jährigen Dominatorin, mit 114 Weltcup-Starts, 54 Podestplätzen, davon 29 Siege. Die Sorge der Journalisten war nicht ganz unbegründet, verfügen die Frauen im Vergleich zum Männer-Team doch über einen viel kleineren Pool an Topfahrerinnen. Smith federt das ab, ist aber auch ein Klumpenrisiko. Was also passiert, wenn die Waadtländerin einmal ausfällt oder ihre eindrückliche Karriere einst beendet, wollte SRF wissen?
Eine Antwort gab es vonseiten Swiss-Ski postwendend, sie heisst Talina Gantenbein. Beim zweiten Weltcup-Rennen anlässlich des verspäteten Saisonstarts in Arosa fuhr die 22-jährige Bündnerin im Sog von Smith erstmals in ihrer Karriere auf das Podest. Für Aussenstehende kam der 3. Rang beim Heimweltcup wie ein überraschender Exploit daher, teamintern hatte man längst auf einen solchen Befreiungsschlag gehofft. «Ich wusste, dass sie gut Skifahren kann, sie beweist es in den Trainings immer wieder», sagte Teamleaderin Smith. Und Gantenbein selber fand: «Endlich ging auch im Rennen alles auf.»
In der Weltspitze angekommen
Seit jenem Podestplatz Mitte Dezember ist Gantenbein in der Weltspitze angekommen, ein weiteres Weltcup-Podest ist in dieser Saison dazugekommen. Im schwedischen Idre Fjäll wurde sie wieder Dritte, auf der längsten und wohl anspruchsvollsten Strecke im Weltcup, nur geschlagen von Smith und der kanadischen Olympiasiegerin Marielle Thompson. Rund drei Wochen später verpasste Gantenbein auf gleicher Strecke eine WM-Medaille als Vierte knapp. Ein weiterer Höhepunkt in dieser Saison, die für die Siegerin der Olympischen Jugendspiele 2016 auf Elitestufe den Durchbruch bedeutete.
Gantenbein ist mit ihren 22 Jahren um ein Jahr jünger als die Französin Jade Grillet-Aubert (9.), die im Gesamtklassement dieser Saison hinter der Schweizerin (7.) klassiert ist und dennoch als Rookie des Jahres ausgezeichnet wurde. Die neue Swiss-Ski-Hoffnungsträgerin stand diesbezüglich gar nicht zur Auswahl, weil sie mit ihren 42 Weltcup-Starts der Elite längst angehört. Von «einem Routinier mit 22 Jahren», schrieb die Südostschweiz im Hinblick auf den Saisonstart in Arosa.
Doch trotz der Rennerfahrung, noch vor einem Jahr hinterliess Gantenbein im Weltcup manchmal den Eindruck, dass sie sich bei den Alpinen, wo Rennen ohne Zwei-, Drei- oder Vierkämpfe stattfinden, weitaus wohler fühlen würde. Heuer präsentierte sie sich entschlossener und durchaus selbstkritisch, wenn sie wie beim Saisonfinale von der routinierten Katrin Ofner auf der Zielgeraden noch abgefangen wird. «Sie hatte so viel mehr Speed als ich und so wird man dann eben abgefangen. Das muss ich nochmals anschauen», sagte sie.
Peking 2022 als grosses Ziel
Mit den Ansprüchen an ihr eigenes Fahren haben sich bei Gantenbein auch die Ziele verschoben. Im Hinblick auf die kommende Saison, die der Olympischen Spiele, sagt sie: «Wenn ich zurückschaue und sehe, dass ich an der WM im grossen Final stand, ist das auch mein Ziel für die Olympischen Spiele – im Minimum.»
Der Knopf löste sich bei Gantenbein in einer Saison, die von vielen Unsicherheiten geprägt war. Geschehen konnte dies, weil sich bei der Davoserin die Dinge entgegen der allgemeinen Entwicklung vereinfachten. Als Rekrutin der Spitzensport-RS fand Gantenbein in Magglingen geöffnete Trainingsanlagen vor, während sie anderswo wegen Corona geschlossen waren. «Mir tat es persönlich aber auch mega gut, dass ich für mein Training nicht mehr ständig pendeln musste», sagt sie. Gantenbein hat die Antworten für ihr Erfolgsrezept gefunden, nun kann sie für die Schweiz zur Antwort werden.