Nach mehr als zwei Jahren kehrt Lara Gut-Behrami in der Abfahrt von Crans-Montana zum Siegen zurück. Für die 28-Jährige ist der 25. Weltcup-Triumph in erster Linie eine Bestätigung auf dem Weg zurück.
Um acht Zehntelssekunden und mehr distanziert Lara Gut-Behrami am Freitag die gesamte Konkurrenz und gewinnt die erste Abfahrt in Crans-Montana in überlegener Manier. Zum ersten Mal seit Januar 2018 steht die Tessinerin damit wieder zuoberst auf einem Weltcup-Podest. Von einer Erlösung will Gut-Behrami im Interview mit «SRF» aber nicht sprechen. «Ich war einfach sehr zufrieden, als ich ins Ziel fuhr. Ich hatte während der Fahrt ein gutes Gefühl. Endlich mal die Eins zu sehen war einfach die Bestätigung, dass es vorwärts geht.»
Dennoch kommt der Triumph überraschend, waren doch die zwei 10. Plätze in Bansko und Zauchensee in diesem Winter die besten Klassierungen in der Abfahrt. Dementsprechend zurückhaltend äussert sich Gut-Behrami am Tag vor dem Rennen: «Meine Ambition ist es, gut Ski zu fahren. Das ist das Wichtigste. Die Kurven so fahren zu können, wie ich möchte. Ich arbeite schon seit einiger Zeit daran.» Manchmal dauere es eben sehr lange, bis man Feinabstimmung und Vertrauen zurückgewinne. «Ich glaube, ich habe gefunden, was ich suche. Jetzt möchte ich die Puzzleteile zusammensetzen können.»
Ein starkes Team als zusätzliche Motivation?
Gesagt, getan! Obwohl sie noch immer Luft nach oben habe: «Heute – auch wenn es keine perfekte Fahrt war – konnte ich die Ski von oben bis unten laufen lassen.» Hinter Gut-Behrami fährt Corinne Suter auf den zweiten Platz und sorgt so für ein glänzendes Schweizer Teamergebnis – einmal mehr in diesem Winter.
Auf die Frage, ob die starken Resultate des Teams eine zusätzliche Motivation sind, sagt die 28-Jährige: «In erster Linie ist es immer noch ein individueller Sport, das Einzelergebnis steht an erster Stelle. Aber klar ist es gut, ein starkes Team zu haben – zumal es viele Frauen gibt, die diesen Erfolg verdienen. Es ist auch wichtig, sich daran zu erinnern, dass meine Mannschaftskameraden und ich ein ganzes Leben für diesen Sport geopfert haben.»
Denn die angesprochene Wertschätzung vermisst Gut-Behrami vor allem nach missglückten Auftritten immer wieder. «Ich denke, es ist einfacher und macht mehr Spass, zu kritisieren. Das macht Schlagzeilen. Wenn es dann andererseits gut läuft, gibt es nichts mehr, worüber man schreiben könnte. Dabei geht es nicht nur um mich.»
«Die Teamkolleginnen konnten von mir profitieren»
Es sei schade, dass die Leute zu vergessen scheinen, was man in der Vergangenheit geleistet hat. «Ich habe auch meine Siege und Kugeln eingebracht. Diese Erfolge haben die anderen Fahrerinnen, wie Corinne Suter, motiviert», glaubt Gut-Behrami. «Und jetzt ist sie diejenige, die ihre Teamkolleginnen tragen wird. Ich bin seit über zehn Jahren in diesem Team und ich glaube, dass meine Teamkolleginnen von mir profitieren konnten.»
Umgekehrt habe auch sie selbst vom Team profitiert – insbesondere in schlechten Zeiten: «Es war gut für mich, in ihrer Nähe zu sein und mit ihnen zu sprechen, wenn es nicht gut lief.» Deshalb appelliert die ehemalige Gesamtweltcup-Siegerin: «Man muss also Respekt haben vor der Arbeit dieses Teams. Es ist nicht so leicht wie es vor dem TV aussieht, einen Berg hinunter zu fahren. Aber es ist sehr einfach, die Athleten und den Trainer vom Sofa aus zu kritisieren.»
An diesem Tag allerdings lässt es die Tessinerin während ihrer Fahrt in der Tat einfach aussehen. Und die nächste Chance folgt zu Gut-Behramis Erleichterung gleich morgen: «Wir hatten in diesem Jahr oft nur ein Rennen pro Weekend. Es tönt vielleicht blöd, aber im Vergleich zum üblichen Ablauf ist das schon ein Unterschied. Von dem her bin ich glücklich, dass wir morgen eine zweite Chance auf dieser Piste haben.» Die zweite Abfahrt in Crans-Montana steigt am Samstag ab 10:30 Uhr.