Die Favoriten wie Marcel Hirscher und Mikaela Shiffrin sind an der WM in Are gewarnt. Die Herausforderer haben im Weltcup praktisch flächendeckend den Aufstand geprobt.
Natürlich stehen viele bekannte Namen auch in diesem Winter in den Siegerlisten des Weltcups. Doch unter sich waren die Arrivierten nicht mehr, die Ausgeglichenheit an der Spitze hat zugenommen. Diese Erfahrung hatte sogar Marcel Hirscher machen müssen – bevor er am Dienstag in Schladming die Hierarchie auch im Slalom wieder zurecht gerückt hat.
Hirscher stapelt gerne tief. Seine Gegner stark zu reden, ist für ihn Programm. Mit seinen zehn Siegen in der laufenden Saison hat er ein weiteres Mal stichhaltige Argumente im Überfluss geliefert, solchen Wortmeldungen mit Skepsis zu begegnen, sie sogar als Absurdität abzutun.
Hirscher bleibt der Chef
In einem Punkt ist Hirscher allerdings bedingungslos beizupflichten. Längst hat er prognostiziert, dass die Zahl seiner Herausforderer in diesem Winter steigen wird, dass es «da einige Junge gibt, die Druck machen werden». Primär einer aus der jungen Garde macht ihm gewaltig Druck – zuletzt mehr, als ihm lieb sein konnte: Clément Noël. Die Art, wie der Franzose die Slalom-Klassiker in Wengen und in Kitzbühel gewonnen hat, hat auch den Dominator der Szene beeindruckt.
Aber eben: Hirscher hat auf die für kurze Zeit abhanden gekommene Souveränität reagiert. Er und sein Team haben, wie Hirscher es nennt, den «Störfaktor» eliminieren können. Die in den vergangenen zwei Woche kaum stillgestandene Maschinerie hat die erhoffte Wirkung gezeigt. Die Abstimmung des Materials passt wieder. Hirscher fühlt sich auch auf den Slalom-Ski wieder wohl, das Vertrauen und damit der Mut zum Risiko sind zurück.
Hirscher im Riesenslalom nahezu unschlagbar
In der anderen Hälfte seines Hoheitsgebiets ist Hirscher unantastbar geblieben. Im Riesenslalom käme alles andere als die Wiederholung seines Goldmedaillen-Gewinns vor zwei Jahren in St. Moritz einer Überraschung gleich. Vier der fünf Rennen – den «geerbten» Sieg in Beaver Creek eingeschlossen - hat er gewonnen und ist dabei in Val d'Isère, Alta Badia und Adelboden unantastbar geblieben.
Spannende Ausgangslage in der Abfahrt und im Super-G
Völlig offen präsentiert sich die Situation in den Speed-Disziplinen. Die Liste mit den Namen der Titel- und Medaillenanwärter hat, gemessen an den Ergebnissen im Weltcup, eine stattliche Länge. In den sechs Abfahrten hat es fünf verschiedene Gewinner gegeben. Einzig der Südtiroler Dominik Paris war zweimal erfolgreich, nämlich in Bormio und in Kitzbühel. Im Super-G, in dem mit dem zurückgetretenen Kanadier Erik Guay der Titelverteidiger in Are fehlen wird, war das Wechselspiel noch ausgeprägter. Einen Doppelsieger sucht man nach fünf Rennen vergebens.
Österreichs Frauen als Abfahrts-Macht
Bei den Frauen zeigt sich ein anderes Bild. Die Österreicherinnen Nicole Schmidhofer, Titelverteidigerin im Super-G, und Ramona Siebenhofer dominierten bei den Doppelveranstaltungen in Lake Louise in Kanada beziehungsweise in Cortina d'Ampezzo in beiden Abfahrten. Die beeindruckende Stärke der ÖSV-Equipe unterstrich Stephanie Venier mit ihrem Sieg am Sonntag in Garmisch zusätzlich. Alle drei hatten vor diesem Winter im Weltcup noch nie gewonnen.
In die Phalanx vermochte einzig die Slowenin Ilka Stuhec einzubrechen. Die Titelverteidigerin gewann die Abfahrt in Val Gardena – und doppelte tags darauf im Super-G nach. Den Super-G drückte allerdings eine andere den Stempel auf, sofern sie denn am Start war. Mikaela Shiffrin trat dreimal an – und siegte dreimal.
Wie viele WM-Starts für Shiffrin?
Zwei Super-G liess Shiffrin aus. Von ihrer minutiösen Planung rückte die Amerikanerin kein Jota ab. Wie ihr persönlicher Kalender beim Saisonhöhepunkt in Schweden aussehen wird, steht noch nicht fest. Es ist nicht auszuschliessen, dass sie in allen fünf Disziplinen am Start stehen wird.
Shiffrin und ihr Umfeld werden allerdings genau abwägen, welche Belastung es in der ersten WM-Woche erträgt, um im Riesenslalom und im Slalom in Hochform antreten zu können. Auch für die Rekordsiegerin im Stangenwald ist der Weg zum vierten WM-Titel hintereinander kein Selbstläufer. Dass sie sich im letzten Weltcup-Slalom in Flachau Petra Vlhova geschlagen geben musste, wird ihr Warnung genug sein. Umso mehr die Slowakin ihr das Leben schon zuvor oft schwer gemacht hatte. Bei den Siegen der Amerikanerin in den ersten fünf Slaloms des Winters war Petra Vlhova stets Zweite geworden und war ihr dabei zweimal zeitlich relativ nahe gerückt.