FIS-Präsident Johan Eliasch bezeichnet die zu Ende gegangene WM in Courchevel und Méribel plakativ als «die beste aller Zeiten».
Der schwedisch-britische Milliardär, der seit Juni 2021 an der Spitze des Internationalen Ski- und Snowboard-Verbandes steht, sieht es im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA als eine seiner obersten Prioritäten an, globaler zu werden und die Dominanz von Alpenländern wie der Schweiz und Österreich zu durchbrechen.
Johan Eliasch, wie lautet Ihr Urteil zu der am Sonntag zu Ende gegangenen WM in Courchevel und Méribel?
«Das waren die besten Weltmeisterschaften in der Geschichte der FIS. Ich hatte das Gefühl, dass die Leute sehr, sehr glücklich waren, seien es Athleten, Trainer oder Zuschauer. Es hätte nicht besser sein können. Auch die TV-Quoten waren überaus gut.»
Selbst wenn es denn die besten Weltmeisterschaften waren: Um den Team-Wettbewerb und die Parallelrennen gab und gibt es durchaus Diskussionen.
«Ja. Das habe ich mitgekriegt. Was interessant ist: Die vielen Zuschauer hier, die ganze Atmosphäre, die Fahrer – sie alle fanden die Rennen toll. Das macht den Entscheid nicht leichter.»
Sie meinen den womöglich baldigen Entscheid des FIS-Vorstands, das künftige WM-Programm anzupassen und diese Wettbewerbe abzuschaffen?
«Es handelt sich um eine schon länger laufende Diskussion. Hier in Méribel haben wir gesehen, dass der Team-Wettkampf wie auch die Parallelrennen populäre Events sind und für viele Leute attraktiv sind. Nun müssen wir sehen, was wir damit machen.»
Wie ist der Stand bei der seit Jahren umstrittenen Kombination?
«Wenn wir Athleten haben, die sowohl im Slalom als auch im Super-G konkurrenzfähig sind, ist es eine tolle Disziplin. Aber Fakt ist: Auf der Startliste dieser Rennen waren zu wenige Fahrer und die Entscheidung im zweiten Lauf war schon nach nur fünf Fahrern gefallen. Wenn wir mit der Kombination weiterfahren wollen, dann müssen wir das richtige Format dafür finden.»
Was zum Beispiel?
«Es sind nun Diskussionen im Gang, dass wir eine Team-Kombination durchführen (mit je einem Fahrer für Super-G und Slalom, wie es auf Stufe Junioren-WM schon zur Anwendung kam – Red.). Wir müssen das noch mehr testen.»
Ihr Generalsekretär Michel Vion hat in den letzten Tagen dahingehend Aussagen gemacht, als sei diese Änderung praktisch schon definitiv.
«Nein. Das wird aktuell in den zuständigen Gremien diskutiert.»
Die Medaillen gingen an dieser WM an Fahrerinnen und Fahrer aus nur neun Ländern.
«Genau deshalb ist es mein Bestreben, den Skirennsport globaler zu machen. Nicht nur im alpinen Bereich und in Österreich oder der Schweiz. In Österreich und der Schweiz fährt ja eh schon jeder Ski.»
Dem ist auch nicht mehr so.
«In beiden Ländern ist mit unserem Sport nicht viel Wachstum zu erwarten. Wachstum müssen wir also an anderen Orten generieren.»
Wo?
«In Asien. Ländern wie China. Aber auch in den USA. Dort fahren zwar Leute Ski, aber sie sind nicht an den Weltcup-Rennen interessiert.»
Denken Sie wirklich, dass die Amerikaner neben American Football, Basketball und Baseball künftig auch begeistert Skirennsport verfolgen werden?
«Wir müssen es versuchen. Denn wir sind auch in den Ski-Kernländern, also Deutschland, Schweiz und Österreich, bedroht und müssen mit anderen Sportarten um unser Publikum wetteifern. Diesen Kampf müssen und wollen wir gewinnen.»
Können Sie das näher erklären?
«Es geht um viele Dinge, die besser zusammenspielen müssen. Nehmen wir die TV-Übertragungen von Skirennen: Diese müssen aufregender werden. Deshalb kommen nun Drohnen und mehr Daten zum Einsatz. Auch Telemetrie. Coole Gadgets halt. Doku-Serien über die Athleten. Wir wollen interaktiver mit dem Zuschauer vor dem Fernseher sein. Unser Ziel ist es, auch für die Fans vor Ort attraktiver zu sein, sodass diese zahlreicher an die Rennen kommen.»
Gibt es weitere Punkte?
«Wir müssen auch mehr in die nationalen Skiverbände auf der ganzen Welt investieren, um ihnen zu helfen, dass der Skisport in ihren Ländern wachsen kann. Die FIS hat 142 Mitgliederverbände.»
Allerdings sind nur rund die Hälfte davon vollwertige Mitglieder.
«Das spielt keine Rolle. Wir von der FIS müssen ganz allgemein besorgt sein, dass wir unseren Mitgliedern mehr Ressourcen zur Verfügung stellen können als bisher.»
Es ist Ihr erklärtes Ziel, mehr Rennen in den USA, in Asien und sogar in Südamerika auszutragen. Gleichzeitig wollen Sie den CO₂-Fussabdruck reduzieren. Wie soll das aufgehen?
«Es scheint gegensätzlich. Aber dank dem Sport ist man als Mensch trainierter und gesünder, auch ernährt man sich wohl gesünder. Gerade die gesunde Ernährung hat eine immense Auswirkung auf unseren globalen CO₂-Fussabdruck. Also je mehr Leute wir für den Sport überzeugen, desto besser.»
Der alpine Weltcup-Kalender, der in diesem Winter bei den Männern einen zweiten Abstecher von Europa nach Nordamerika vorsieht, könnte aber wohl schon besser geplant werden – finden Sie nicht auch?
«Tatsächlich müssen wir bestrebt sein, den Kalender so effizient wie möglich zu gestalten, sodass wir nicht unnötig herumreisen. Auch müssen wir unsere Muster sehr genau hinterfragen, wann wir wohin gehen.»
Wann wird dieser Kalender denn veröffentlicht? In der Vergangenheit geschah dies viel früher.
«Es gab und gibt hinter den Kulissen viel zu tun.»
Im Moment erhält man als Aussenstehender den Eindruck, dass die FIS wenig geeint ist. Es gibt grosse Landesverbände, die mit dem von Ihnen eingeschlagenen Weg nicht zufrieden sind. Wie sieht Ihr Konzept aus, diese Verbände wieder ins Boot zu holen?
«Es sind drei Verbände, also die Schweiz, Österreich und Deutschland, die eine unterschiedliche Sicht der Dinge darüber haben, in welche Richtung sich die FIS entwickeln soll.»
Sind es denn nur drei?
«Vielleicht ein paar mehr. Aber wir wissen, dass eine wirklich grosse Mehrheit der Mitglieder mit der Richtung, in welche sich die FIS nun bewegt, übereinstimmt. Und viele fragen mich: Warum gibt es Verzögerungen und warum geht es nicht schneller vorwärts?»
Was antworten Sie denen?
«Dass es in jeder gesunden Demokratie verschiedene Meinungen gibt. Aber wenn dann der Richtungs-Entscheid durch die Mehrheit gefallen ist, dann müssen auch die Anderen mitmachen und dieser Richtung folgen. Bei uns ist das nun leider nicht der Fall. Aber wir bei der FIS müssen das Beste für den Sport tun, nicht das, was am besten für bestimmte Personen oder bestimmte Verbände ist.»
Falls die Unstimmigkeiten anhalten und vielleicht sogar noch grösser werden: Befürchten Sie eine Spaltung der FIS, falls zum Beispiel die Organisation der Alpenländer-Skiverbände, in welcher 13 Nationen vereinigt sind und die baldigen Zuwachs erhalten soll, immer grösser und grösser wird?
«Am Ende spielt es keine Rolle, wie viele Verbände sich in Unterorganisationen zusammenschliessen. Es geht um die Mehrheits-Vision der FIS-Mitglieder, die die Richtung bestimmen. Wer an den FIS-Weltmeisterschaften, dem FIS-Weltcup oder den Olympischen Spielen teilnehmen will, der muss bei der FIS sein.»
Wie beschreiben Sie Ihr Verhältnis zu Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann?
«In einer Organisation wie der FIS könnte man erwarten, dass jemand dazu beiträgt, dass es vorwärtsgeht. Es ist enttäuschend zu sehen, dass das bei Urs Lehmann nicht so ist.»
Ein Streitpunkt ist auch die von Ihnen angestrebte Zentralisierung bei den Medienrechten. Sie als FIS-Präsident wollen Verträge, die teils noch mehrere Jahre gültig sind, einfach nicht mehr beachten.
«Lassen Sie es mich erklären: Diese Rechte gehören der FIS. Es ist die FIS, die diese Rechte – und zwar Jahr für Jahr – weitergibt, zum Beispiel an Swiss-Ski, den ÖSV oder DSV. Wenn die FIS nun hier und jetzt entscheidet, dass das in der Zukunft nicht mehr so ist, dann haben diese Verbände die Rechte nicht mehr zum Weitergeben.»
Die von Ihnen genannten Verbände sehen das aber klar anders.
«Es gibt bereits ein Urteil eines Gerichts in Zug, die unsere Sicht der Dinge stützt. Das heisst, die FIS hat den Spielraum, mit diesen Rechten zu machen, was immer sie mit ihnen machen will.»
Viele Versprechungen, wenig Konzepte
Die Situation zwischen der FIS und insbesondere deren Präsident Johan Eliasch sowie mehreren grossen nationalen Verbänden ist komplett verfahren. Eine Lösung in diesem Machtkampf scheint momentan weit entfernt.
Lange, sehr lange, mochte Johan Eliasch, der seit Juni 2021 gewählte Präsident des Internationalen Ski- und Snowboard-Verbandes, keine Interviews geben. Was die zunehmende Anzahl an Kritikern sagte, interessierte ihn zu Beginn seiner Amtszeit nicht. Vor einigen Wochen hat der schwedisch-britische Milliardär seine Meinung geändert, seither gibt er kommunikativ Gegensteuer und versucht er sich in Image-Korrektur.
Von der «Bilanz» über den «Sonntags-Blick» hin zu diversen österreichischen Medien und auch der Nachrichtenagentur Keystone-SDA – allen gewährte der 61-Jährige längere Interviews, um über seine teils forsche Vorgehensweise zu informieren.
Streitpunkt Medienrechte
Der grösste Streitpunkt im immer grösser werdenden Konflikt mit den Skiverbänden aus der Schweiz, Österreich und Deutschland dreht sich um die Frage, wem die Medien- und Werberechte gehören. Eliasch stellt sich auf den Standpunkt, dass die Rechte uneingeschränkt der FIS gehören und «diese damit machen kann, was immer sie mit ihnen machen will». Swiss-Ski, ÖSV und DSV sehen das klar anders. Diese wollen an der historisch gewachsenen Struktur festhalten und die Medienrechte nicht beim Weltverband zentralisieren.
Für eine zentralisierte Vermarktung sei man allerdings sehr wohl, so Urs Lehmann. «Aber auch da», sagt der langjährige Swiss-Ski-Präsident, «wollen wir grosse Nationen, die das in den vergangenen Jahren nicht so schlecht gemacht und unser System aufgebaut haben, natürlich erfahren, wie die FIS das Ganze anpacken will, wie die Verteilung unter den Verbänden aussehen wird.» Das sei ein legitimes Anliegen. «Unser Problem ist jedoch, dass wir noch nie Antworten erhalten haben.»
Genau gleich äusserte sich in der vergangenen Woche in Méribel auch die ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober. Es sei definitiv die FIS «am Zug, ein Konzept zu liefern». Lehmann wie Stadlober betonen zudem immer wieder: «Wir sind bereit für Gespräche.»
Clinch Eliasch – Lehmann
Im Clinch steht Eliasch insbesondere auch mit Urs Lehmann. Der Aargauer, seit 2008 Präsident von Swiss-Ski, präsentierte sich vor zwei Jahren auch als Kandidat für das FIS-Präsidium, unterlag jedoch bei der Wahl deutlich. Auf die Angriffe auf persönlicher Ebene mag Lehmann nicht eingehen.
Er sagt aber, dass er in den «vergangenen 18 Monaten so viele Ideen gesehen hat, die nicht ausgereift waren», dass er deshalb statt schönen Versprechungen «durchdachte Konzepte» sehen wolle. Dass sich nur wenige Verbände explizit äussern, bedauert Lehmann. «Aber es gibt sehr viele weitere Verbände, deren Zufriedenheit mit dem, was bei der FIS momentan geht, nicht gross ist.»