Gilles Roulin läuft es in diesem Winter noch nicht wie gewünscht. Der Zürcher, in der letzten Saison einer der Aufsteiger, sieht die aktuelle Situation als Lernprozess.
Da war vorerst seine Geschichte, die für Aufsehen sorgte. Die Geschichte des neunjährigen Buben, der im Rahmen eines Sponsor-Anlasses einen ganzen Tag mit Bruno Kernen Ski gefahren war und danach auf Anraten des früheren Abfahrts-Weltmeisters dem Skiklub in seinem Ferienort Lernheide-Valbella beigetreten war. Es war der sanfte Beginn des Skirennfahrers Gilles Roulin – und nur ein kleiner Teil der spannenden Geschichte eines Emporkömmlings, der auch ein Student der Rechtswissenschaft ist und der trotz seines französisch klingenden Namens mit der Romandie nichts am Hut hat.
Da war dann aber auch der Skirennfahrer Gilles Roulin, der für Furore sorgte. Nach der am Skigymnasium Stams in Österreich erlangten Matura war er zwar aus dem C-Kader von Swiss-Ski aussortiert worden. Doch danach startete der Zürcher aus Grüningen durch. Im vorletzten Winter entschied er im Europacup Gesamt-, Abfahrt- und Super-G-Wertung für sich, in der vergangenen Saison überzeugte er mehrfach auch im Weltcup und war er in Gröden als Vierter in der Abfahrt nahe dran an seinem ersten Podiumsplatz.
Fehlende Ergebnisse
In diesem Winter, seinem zweiten vollständigen im Weltcup, tut sich Roulin bisher um einiges schwerer. In je drei Abfahrten und Super-G erreichte er lediglich einmal Zählbares – mit Platz 25 in der Abfahrt in Beaver Creek in Colorado. Konkrete Gründe kann oder will er nicht nennen. Roulin spricht von Vermutungen. «Wenn ich es genau wüsste, würde es schon jetzt besser laufen.»
Bei der Abstimmung von Ski, Schuhen und Bindung habe er «einige Sachen gefunden und verändert», sagt Roulin. Die Veränderung war grundsätzlich. Nach den zwei Rennen Mitte Dezember in Val Gardena wechselte er wieder auf sein bisheriges Material zurück. Er ist zuversichtlich, dass dies den erhofften Effekt haben wird. «Es ist ein Puzzle mit vielen Teilen und daher sehr komplex. Um über alles im Klaren zu sein, dauert es halt ein bisschen.»
Auch das Beheben der Schwächen beim Start dauert. Um die Schlittschuhschritte und das Abstossen mit den Stöcken zu verbessern, hat sich Roulin im Sommer mit einem Langlauf-Trainer zusammengetan. «Im Vergleich zum letzten Winter ist der Ablauf noch nicht besser geworden.» Will heissen: Der Zeitverlust auf den ersten Metern ist nach wie vor zu gross.
Fehlender Fluss
Roulin geht nach eigener Einschätzung im Moment die Lockerheit etwas ab. Der Fluss fehlt und damit auch die Selbstverständlichkeit. An den nach dem letzten Winter gestiegenen Erwartungen will er die ausbleibenden Ergebnisse nicht festmachen. Die Gefahr, zu viel zu wollen, die eigenen Ansprüche zu hoch angesetzt zu haben, sieht er nicht. Ebenso wenig macht er für seine Baisse die Doppelbelastung durch das (Fern-)Studium verantwortlich. «Der Aufwand ist in etwa gleich wie im letzten Jahr.» Eine Bachelor-Arbeit hat Roulin im Sommer abgeschlossen, im neuen Jahr folgen Prüfungen. «Irgendwann im Januar. Der Termin steht allerdings noch nicht.»
Die aktuelle Situation beunruhigt Roulin nicht sonderlich. Er sieht sie vielmehr als lehrreiche Phase. «Meistens lernt man in Zeiten mehr, in denen es nicht wie gewünscht läuft.» Er sagt es unaufgeregt und bestimmt. Der Besonnene mit dem grossen Trainingsfleiss ist bereit zu kämpfen, um in die Spur zurückzufinden.