WM-Hoffnung Endet Lara Gut-Behramis Gold-Fluch in Cortina?

jos, sda

8.2.2021 - 04:30

Vier Siege in Folge, hohe Favoritin an der WM in Cortina d'Ampezzo: Lara Gut-Behrami hat nach zähen Jahren zu alter Stärke zurückgefunden. Endet der Gold-Fluch an den Titelkämpfen in den Dolomiten?

Plötzlich ist sie wieder da. Plötzlich ist sie wieder die grosse Favoritin an Titelkämpfen, fährt sie den Gegnerinnen im Super-G wieder um die Ohren. Wie in ihren besten Zeiten vor 2017. Als hätte sie sämtlichen Ballast abgeworfen, der in den letzten Jahren wie eine tonnenschwere Last auf sie gedrückt hatte.

Vier Siege reihte Lara Gut-Behrami in ihrer Paradedisziplin zuletzt aneinander. Die WM in Cortina d'Ampezzo mit dem Super-G am Dienstag und der Abfahrt am Samstag kündigt sich als DIE Chance an, mit einem WM-Titel die grösste Lücke in ihrem Palmarès neben Olympiagold zu schliessen. Fünfmal fuhr die nunmehr 30-fache Weltcupsiegerin bei sieben WM-Teilnahmen schon aufs Podest, der Sieg blieb ihr aber stets verwehrt. An Olympischen Spielen steht Abfahrts-Bronze 2014 in Sotschi als Bestergebnis.

Lara Gut-Behrami und Titelkämpfe – es ist eine komplizierte Beziehung. An dem Punkt, an dem sie nun mit vier Saisonsiegen und sieben Podestplätzen wieder steht, war die 29-Jährige schon einmal. 2017 trat sie an der Heim-WM in St. Moritz als Favoritin in mehreren Disziplinen an. In der Vorsaison hatte sie den Gesamtweltcup gewonnen, im WM-Winter bis Ende Januar fünf Weltcupsiege und neun Podestplätze errungen.

Erinnerungen an 2017

Vieles erinnert in diesen Tagen an 2017. Aber ein womöglich entscheidender Punkt ist anders: Lara Gut-Behrami hat zur inneren Ruhe gefunden. Sie ist ausgeglichener geworden und fühlt sich befreit. Und es scheint, als könnte sie diese Leichtigkeit nun auch an einer WM beibehalten. «Ich bin wieder frei im Kopf», sagt sie. Und: «Ich habe nichts zu beweisen. Natürlich will ich gewinnen. Aber ich kann nichts verlieren, nur gewinnen. Wenn es nicht ganz nach vorne reicht, weiss ich, dass ich trotzdem viel erreicht habe in meiner Karriere und dass ich es geschafft habe, nach 2017 wieder zurückzukommen.»

Vor vier Jahren war das anders. «Da hatte ich viel mehr Druck als jetzt», sagt Gut-Behrami. Es kam der Punkt, an dem ihr der Hype zu viel wurde. Beim Einfahren für den Kombi-Slalom passierte, was sie später als Wink mit dem Zaunpfahl interpretierte. Weil sie mental so ausgelaugt war, habe der Körper «Stopp» gesagt. Sie knickte bei einem Rechtsschwung weg, zog sich einen Kreuzbandriss und Meniskusschaden im linken Knie zu. Der Traum von Gold an der Heim-WM platzte. Dritte war sie drei Tage zuvor im Super-G geworden.

Der Weg zurück zu alter Stärke war steinig. Die geborene Siegerin musste das Verlieren lernen und viel Kritik einstecken. Es gab Rennen, da fuhr sie den Schnellsten um Längen hinterher, Riesenslaloms, in denen sie die Qualifikation für den zweiten Lauf verpasste.

In ihrem Eifer verrannte sie sich auch. Den Schweizer Verband, dem sie einiges zu verdanken hatte, kritisierte sie öffentlich und trat nach. Swiss-Ski reagierte auf die rar gewordenen Top-Ergebnisse, indem er ihre Sonderstellung mit dem Privatteam beschnitt. Dinge, die ihr zusetzten. Die sie aber auch anstachelten.

Jetzt, vor ihrer siebten WM, ist Lara Gut-Behrami wieder die Instinktfahrerin, welche die Super-G dieser Welt so leicht und geschmeidig aussehen lässt wie keine andere. Vier Siege in einem Monat sind das Resultat.

In vielen kleinen Etappen zurück

Der Doppelsieg in Crans-Montana vor einem Jahr oder der 3. Rang in Bansko kurz zuvor, der erste Podestplatz in jener Saison, scheinen die inneren Zweifel beseitigt zu haben. Doch Gut-Behrami selbst betont: «Es gibt diesen einen Schlüsselmoment nicht, der alles änderte. Vielmehr waren es viele kleine Etappen.» Der Weg zurück zur Leichtigkeit führte über kontinuierliche harte Arbeit, dem Feilen an Details in jedem Bereich, an Technik, Physis und Material und dem Zusammenspiel.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass sich der Knopf im Corona-Winter richtig gelöst hat. Die Ruhe um die Geisterrennen kam gelegen. Oft hatte sich Gut-Behrami am Rummel um ihre Person aufgerieben. Auch Kommentare im Internet setzten ihr zu, weshalb sie sich 2018 aus den sozialen Medien zurückzog. Interviews reduzierte sie auf ein Minimum, Einblicke in ihre Welt gewährte sie stattdessen in einem Film über sie, bei dessen Entstehung sie die volle Kontrolle über die Inhalte hatte.

Mit der Liebe zu Valon Behrami fand sie auch im Privaten Stabilität. Seit sie mit dem noch aktiven ehemaligen Schweizer Fussball-Nationalspieler liiert ist, änderte sich auch ihre Perspektive. Das private Glück war der vielleicht entscheidende letzte Schritt zu jener Ausgeglichenheit, die sie an Titelkämpfen wieder zur ersten Gold-Anwärterin machte. Es liess sie erst richtig erkennen, dass Zufriedenheit nicht von Resultaten abhängen muss. Und dass beim Streben nach Perfektion zu viel Verbissenheit nicht förderlich ist.

Zurück zur StartseiteZurück zum Sport

jos, sda