Pirmin Zurbriggen «Marco Odermatt wird meinen Rekord brechen»

Von Peter Staub

5.2.2023

Ein Helm gehörte damals im Riesenslalom noch nicht zur Standardausrüstung: Pirmin Zurbriggen gewinnt 1988 Olympia-Bronze.
Ein Helm gehörte damals im Riesenslalom noch nicht zur Standardausrüstung: Pirmin Zurbriggen gewinnt 1988 Olympia-Bronze.
Imago

Pirmin Zurbriggen verzückte die Schweizer Ski-Fans in 1980er Jahren mit seinen grossen Erfolgen und seiner Bodenständigkeit. Im Gespräch mit blue News zeigt er sich schwer beeindruckt von Marco Odermatt.

Von Peter Staub

5.2.2023

210 Mal stand Pirmin Zurbriggen am Start eines Weltcuprennens, 40 davon hat er gewonnen. Viermal gewann er den Gesamtweltcup, dazu zieren vier WM-Goldmedaillen und der Abfahrts-Olympiasieg 1988 in Calgary sein eindrückliches Palmarès. Die Walliser Ski-Ikone ist aber überzeugt, dass Marco Odermatt seine Rekorde brechen wird.

Pirmin Zurbriggen, Sie waren in den 80er Jahren der umjubelte Skistar in der Schweiz, so wie das heute Marco Odermatt ist. Erkennen Sie im Nidwaldner Überflieger ihren Nachfolger?

Es ist irgendwie verrückt. Ich habe im Frühjahr 1990 meine Karriere beendet. Und jetzt, über 30 Jahre später, ist Marco Odermatt in aller Munde. Und ich sehe einige Gemeinsamkeiten, die man sich gar nicht richtig erklären kann. Aber es ist schon so, er hat einen ähnlichen Charakter wie ich, und einen ähnlichen Fahr-Stil wie ich damals.

Wann ist Ihnen Marco Odermatt das erste Mal aufgefallen?

Das ist eine lustige Geschichte. Wir führten im Wallis im Jahr 2002 viele Diskussionen, wie wir Ausbildung und den Sport besser miteinander verbinden könnten. Unter anderem aus meinem Konzept «Schule und Schneesport» entstand später die Ski-Akademie Brig, eines der damaligen Leistungszentren von Swiss Ski. In diesem Jahr, es war 2002, kam Marcos Vater Walti auf mich zu, weil er sich dafür interessierte in der Zentralschweiz etwas Ähnliches aufzubauen. Man muss sich das vorstellen. Marco war damals erst 5 Jahre alt. Walti und ich tauschten uns in der Folge intensiv aus, philosophierten miteinander. Uns war klar: Jede Region in der Schweiz ist anders und wir wussten auch, ‹was Hansli nicht lernt, lernt Hans nimmermehr›.

Geht es nach Pirmin Zurbriggen, wird Marco Odermatt noch zahlreiche Siege bejubeln.
Geht es nach Pirmin Zurbriggen, wird Marco Odermatt noch zahlreiche Siege bejubeln.
Bild: Keystone

Wie ging es dann weiter?

Im Wallis hatten wir Talente wie Daniel Yule, Justin Murisier, Ramon Zenhäusern, Tanguy Nef, mein Sohn Elia oder Luca Aerni, der einen Teil seiner Jugend in Crans-Montana verbracht hat. Man traf sich immer wieder und trainierte auch zusammen. Diese Athleten, natürlich auch Marco, sind schon früh aufgefallen. Sie hatten in jungen Jahren so viele Qualitäten.

Marco Odermatt verzichtet auf die Slaloms, sie sind in allen Disziplinen angetreten. Ein Grund, weshalb sie schon im Alter von 27 Jahren aufgehört haben?

Alle Disziplinen zu fahren, das ist kaum mehr möglich. Was Marco heute leistet, ist der Hammer. Ich bin überzeugt, dass er auf die 40 Siege kommt, Marco Odermatt wird meinen Rekord brechen. Zu meiner Zeit sah ein Tag oft so aus: Am Morgen Pisten-Besichtigung, anschliessend Abfahrts-Training und Mittagessen, am Nachmittag Slalom-Training, gegen Abend noch Fitness. Meine Batterien waren so oft im roten Bereich. Heute wird viel mehr Wert auf die Erholung gelegt, das ist wichtig. Es braucht mehr Erholung, es braucht mehr Power, um überhaupt gewinnen zu können. Was sich nicht geändert hat: matchentscheidend ist immer noch der Sport, nicht das rundherum.

Die grössten Erfolge von Pirmin Zurbriggen

  • Olympiasieger in der Abfahrt, 1988 in Calgary
  • Weltmeister in der Abfahrt, 1985 in Bormio
  • Weltmeister in der Kombination, 1985 in Bormio
  • Weltmeister im Super-G, 1987 in Crans-Montana
  • Weltmeister im Riesenslalom, 1987 in Crans-Montana
  • Insgesamt neun WM- und zwei Olympia-Medaillen
  • 40 Weltcupsiege
  • Vierfacher Sieger des Gesamtweltcups
  • Elf Siege in diversen Disziplinenwertungen

Was zeichnet Marco Odermatt speziell aus?

Wenn er im Flow ist, so wie jetzt, ist er überragend. Ich sehe weder in den Trainings noch in den Rennen einen Athleten, der eine solche Beschleunigung erreicht wie er. Rennfahrer wie er, dürfen sich auch Fehler erlauben, sie sind immer noch vorne dabei. Es gibt nicht viele im Weltcup, die diese Fähigkeit besitzen.

Sie erlitten 1985 in Kitzbühel beim Zielsprung eine Meniskusverletzung, drei Wochen lang beschäftigte ihr Knie die ganze Nation. Dann, nach einer Schnell-Heilung, wurden Sie in Bormio Abfahrts-Weltmeister. Kamen Erinnerungen auf, als sich Marco kürzlich bei der Abfahrt in Kitzbühel eine Meniskus-Quetschung zuzog?

Ich habe seinem Vater geschrieben, dass Marco hoffentlich nicht die gleiche Geschichte erleben wird wie Pirmin. Zum Glück lief der Zwischenfall bei Odi glimpflicher ab als bei mir.

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Am Montag beginnt die 47. Alpine Ski-WM in den französischen Stationen Courchevel und Méribel. Was trauen Sie dem Schweizer Team zu?

Ich schaue nicht gerne zu weit voraus, zudem kenne ich die Pisten von Courchevel nicht wirklich. Warten wir einmal die Abfahrtstrainings ab. Das Potenzial bei den Männern ist da, es ist gross. Fakt ist: Wir hatten noch nie so ein starkes Slalom-Team mit so interessanten Persönlichkeiten. Bei den Frauen haben wir einige Top-Shots, aber es braucht auch Glück für einen Medaillen-Gewinn.

Paul Accola ist 1992 als Saison-Dominator zu den Olympischen Spielen nach Albertville gereist, und kehrte ohne Medaille zurück. Könnte das Marco Odermatt auch passieren?

So etwas kann jedem passieren. Bei Odi kann ich mir das aber nicht vorstellen. Er ist ein starker Charakter und trägt diese Sieges-Mentalität in sich. Sonst wäre Marco ja auch nicht Olympiasieger geworden.

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