Durch Rücktritte von arrivierten Kräften ist dem Schweizer Speed-Team viel Routine verloren gegangen. Nun herrscht eine neue Dynamik.
Carlo Janka verabschiedete sich im Januar 2022 vom Profi-Sport, im vergangenen Winter traten mit Beat Feuz und Mauro Caviezel zwei weitere Leader des Speed-Teams zurück. Sie hinterlassen eine Lücke. «Es hat sich einiges verändert», sagt Marco Odermatt, der sich trotz seiner erst 26 Jahren bereits «ein wenig als Routinier» fühlt. «Lange war die Hierarchie klar, jetzt kommt eine neue Generation.»
Das zeigt auch das Aufgebot für die ersten beiden Abfahrt-Rennen der Saison. Für die elf Schweizer Startplätze machten nicht weniger als 15 Athleten die Reise nach Zermatt mit. Neun davon sind 25 Jahre alt oder jünger.
Neben Weltmeister Odermatt, der im Weltcup aber noch auf seinen ersten Abfahrtsieg wartet, haben auch Niels Hintermann, Stefan Rogentin und Justin Murisier ihren Startplatz in den Top 30 auf sicher. Sie stehen in der Pole-Position, um als neue Team-Leader einzuspringen. Allerdings gilt bei Odermatt und Murisier anzumerken, dass die beiden die Vorbereitung mehrheitlich mit der Riesenslalom-Equipe bestritten haben.
Mehrere Junge in Lauerposition
Hinter den Gesetzten stehen mehrere Athleten bereit, die ebenfalls die Top-Gruppe erreichen oder sich ihr zumindest nähern wollen. Zum Beispiel Josua Mettler und Marco Kohler, beide 25 Jahre alt, sowie der 22-jährige Franjo von Allmen, die dank ihrer Europacup-Leistungen in der letzten Saison die für Samstag (das Rennen wurde abgesagt; Red.) und Sonntag vorgesehenen Abfahrten bestreiten können.
Während Gesamtsieger Mettler seine Punkte auf zweithöchster Stufe vor allem im Riesenslalom und Super-G gewann, belegten die Berner Kohler und von Allmen in der Abfahrt die Ränge 1 und 2. «Nun versuche ich mich auf Weltcup-Niveau zu etablieren und meinen Weg zu machen», sagt Kohler, der sich im vergangenen Winter bei sieben Europacup-Abfahrten vier Mal auf dem Podest (davon ein Sieg) klassiert hatte.
Seine erste Weltcup-Saison bereits hinter sich hat Alexis Monney. Dabei konnte der 23-jährige Freiburger einige Male sein Können aufblitzen lassen und erreichte bei den Abfahrtsklassikern in Wengen und Kitzbühel die Plätze 10 und 11. Im einzigen Training in Zermatt/Cervinia klassierte sich Monney am Mittwoch als viertbester Schweizer hinter Hintermann (3.), Rogentin (8.) und Odermatt (16.) im 19. Rang. Er steht der Top-Gruppe bereits nahe.
Das galt einst auch für Urs Kryenbühl. Doch der 29-jährige Schwyzer, der schon in drei Weltcup-Abfahrten auf dem Podest gestanden hatte, wird in diesem Winter keine Rennen bestreiten. Nach einem im Dezember erlittenen Kreuzbandriss blickt er auf einen privat und körperlich schwierigen Sommer zurück.
Neue Konstellation, neue Chancen
«Es ist eine neue Konstellation, die auch neue Chancen mitbringt», fasst Stefan Rogentin zusammen. Mit seinen 29 Jahren gehört der Bündner, der letzte Saison mit dem 2. Platz im Super-G von Wengen seinen ersten Podestplatz im Weltcup feierte, plötzlich zu den erfahrensten Athleten im Schweizer Speed-Team. Als Leader sieht er sich jedoch nicht. «Vielleicht braucht es das aber auch nicht unbedingt», fügt Rogentin an. «Ich versuche, meine Aufgaben gut zu erledigen und Spass zu haben. Super, wenn dabei jemand mitgerissen wird. Aber ich bin weit davon entfernt, vorzuschreiben, wie die Dinge laufen.»
Auch Odermatt verweist darauf, dass Skifahrer in erster Linie Einzelsportler sind. «Dennoch ist eine gute Gruppendynamik wichtig für die allgemeine Stimmung.» Entsprechend gefordert wird Reto Nydegger sein, der seine fünfte Saison als Schweizer Speed-Trainer in Angriff nimmt. Es gilt die richtige Mischung zu finden, damit die Equipe auch punktet, wenn Trumpf Odermatt mal nicht sticht.