Langlauf Schädliche Dominanz von Norwegens Männern

hle, sda

29.12.2022 - 14:56

Johannes Hösflot Klaebo, hier kurz vor dem Sieg beim Sprint in Kuusamo, schaut zurück. Er sieht fast nur Teamkollegen im roten Dress.
Johannes Hösflot Klaebo, hier kurz vor dem Sieg beim Sprint in Kuusamo, schaut zurück. Er sieht fast nur Teamkollegen im roten Dress.
Keystone

Die Vorherrschaft von Norwegens Männern im Langlauf schadet der Sportart. Es herrscht Langweile statt Spannung.

Keystone-SDA, hle, sda

Der Sieger der Tour de Ski wird aus Norwegen stammen. Mit dieser Prognose kann kaum etwas schiefgehen. Zuletzt beim Rennen in Davos über 20 km belegten die Norweger die ersten sechs Plätze. In der Weltcup-Disziplinenwertung über die langen Distanzen tauchen sie zu neunt in den Top 12 auf, in der Sprint-Wertung sieht es mit einer Doppelführung und einem weiteren Mann in den Top 6 etwas weniger gravierend aus.

Für die Tour de Ski, die vom 31. Dezember bis zum 8. Januar den besten Allrounder sucht, stehen die Dominatoren aus Skandinavien gleich mehrfach in der ersten Reihe. Selbst wenn der Titelverteidiger Johannes Hösflot Klaebo ausfallen sollte, stünde ein Landsmann bereit. Kein Wunder also, stösst das Etappenrennen bei den Männern ausserhalb Norwegens auf geringes Interesse.

Die Russen fehlen

Der Hauptgrund für die Misere liegt im Fehlen Russlands. Bei den Olympischen Spielen in Peking unmittelbar vor Kriegsbeginn in der Ukraine hatten die nun ausgeschlossenen Athleten um Alexander Bolschunow der Equipe von Klaebo und Co. noch eine empfindliche Niederlage zugefügt. Russlands Männer gewannen fünfmal Gold und holten insgesamt acht Medaillen, die Kollegen aus Norwegen mussten sich mit zweimal Gold und fünf Podestplätzen begnügen.

Der Russe Alexander Bolschunow war vor den Sanktionen der Stärkste im Feld. 
Der Russe Alexander Bolschunow war vor den Sanktionen der Stärkste im Feld. 
KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Die Abwesenheit der Russen ist nicht im Sinne des Sports, gleichzeitig wäre eine Rückkehr aus sportpolitischer Sicht nicht vertretbar. Es ist zwar bedauernswert für die ausgeschlossenen Athleten und für die Spannung in den Wettkämpfen, aber wer kann sich schon einen Russen vorstellen, der auf dem Podium die Arme hebt? Es liegt an anderen Läufern, die Norweger herauszufordern. Derzeit deutet allerdings wenig darauf hin, dass wie bei den Frauen neue Hierarchien entstehen.

Dass Norwegens Männer dominant in den Winter starten, hat Tradition. Das Reservoir an Weltklasse-Läufern garantiert, dass sich selbst die Besten von Beginn an in Topform präsentieren müssen. Ansonsten droht der Verlust des Tickets für den Saisonhöhepunkt – in diesem Winter sind es die Weltmeisterschaften in Planica. Zudem profitiert das Gastgeberland bei den Heimrennen von einer nationalen Quote, was den anderen Nationen jeweils Norwegens Breite schmerzlich vor Augen führt.

Gleich doppelt im Vorteil

Norwegen darf für die sehr gut geleistete Arbeit im Nationalsport nicht bestraft werden. Aber die FIS diskutiert schon seit Längerem Massnahmen, die schwächere Nationen heranführen könnte. Der Ansatzpunkt liegt bei der Skipräparation. Norwegen stellt derzeit nicht nur die besten Läufer, sondern es verschafft ihnen dank der Ressourcen für den ganzen Tross einen weiteren Vorteil. Mehr Service-Leute oder mehr Ski-Tester bedeutet auch öfters den besseren Ski als bei der Konkurrenz.

Eine Standardisierung in diesem Bereich wäre aus Sicht der Chancengleichheit und im Kampf gegen die übermässige Dominanz hilfreich. Bei den Sprint-Rennen Ende Saison in Tallinn wird deshalb im Rahmen eines Pilotprojekts versucht, eine gemeinsame Präparation von begrenztem Skimaterial auf einer einheitlichen Basis zu etablieren.

Das ist aber Zukunftsmusik. Solange die Russen ausgeschlossen bleiben und kein neuer Athlet der Klasse von Dario Cologna auftaucht, bleibt bei den Männern ein Tour-de-Ski-Sieger aus Norwegen gesetzt.