Wenn dieses Wochenende im US-Bundesstaat Colorado der erste Halfpipe-Weltcup der Saison zu Ende geht, wird aus Schweizer Sicht ein wichtiger Name in der Rangliste fehlen.
Während andere Wettkämpfe bestreiten, arbeitet Iouri Podladtchikov in der Heimat am Comeback.
Pepe Regazzi glaubt in seinem Sport nicht an Zufälle. Ebenso wie Erfolge für den Cheftrainer der Schweizer Freestyle-Snowboarder das Ergebnis guter Arbeit sind, so haben Stürze und Verletzungen ihre Ursache nicht einfach im fehlenden Wettkampfglück. Passieren Stürze, sucht Regazzi deshalb mit seinen Athleten nach Ursachen statt nach Ausreden. Gemeinsam mit Pat Burgener tüftelte er an der Strategie, als dieser in jungen Jahren oft mit Verletzungen haderte, David Hablützel verordnete er nach dessen folgenschweren Stürzen in Laax und Vail letzte Saison einen Neustart, und auch zuletzt hielt er an seiner Doktrin fest: bei Olympiasieger Iouri Podladtchikov.
Seit bald drei Jahren wiederholt sich die Geschichte des 31-jährigen Zürchers: Kreuzbandriss an den Freestyle-Weltmeisterschaften 2017, Schädel-Hirn-Trauma an den X-Games 2018, Riss der Achillessehne während den Titelkämpfen 2019 in Park City. Drei Verletzungen innerhalb von 23 Monaten, wobei jede das Karriereende des Olympiasiegers von 2014 in Sotschi hätte bedeuten können, sprechen für Regazzi eine deutliche Sprache: «Iouris Motto: 'Ich kann es, ich schaffe es, ich gewinne!', funktioniert nicht mehr», sagt der Coach. Statt eines weiteren raschen Comebacks hält er seinen Schützling darum dazu an, Ruhe zu bewahren.
Podladtchikov sagte gegenüber der NZZ, er habe sich im September beim Training in der Halfpipe gefühlt, als wäre er nie verletzt gewesen. Auch Regazzi war von dem beeindruckt, was der Zürcher in seinen Trainingsläufen zeigte. Dennoch hält er einen Strategiewechsel für erforderlich. Erste Indizien, dass auch Routinier Podladtchikov die mit Regazzi analysierten Probleme erkannt hat, lieferte jüngst der Trainingsblock im Vorfeld des Weltcup-Auftakts in Colorado. Der Halfpipe-Weltmeister von 2012, der seit Herbst ein Kunststudium in New York besucht, hätte für einen Trainingsblock mit seinen Teamkollegen nach Copper Mountain reisen sollen. Er entschied sich für die Rückreise in die Schweiz, wo er in Laax an seinem Comeback arbeiten will. Fernab vom Druck, neben dem Rest des Weltcup-Trosses zu trainieren.
Auch ohne Podladtchikov verfügt Regazzi im Hinblick auf den Saisonstart am Samstag in Copper über eine schlagkräftige Truppe. Mit Pat Burgener, dem WM-Dritten vom Februar, und dem Toggenburger Jan Scherrer haben zwei Athleten das Potenzial für Podestplätze. Beide sollen in dieser Saison einen weiteren Schritt in Richtung absoluter Weltspitze machen, sagt Regazzi. Wobei er auch sogleich einen Namen nennt: Scotty James. Der 25-jährige Australier kürte sich in Park City zum dritten Mal in Folge zum Weltmeister, «weil er zwar nicht in den einzelnen Bereichen der Beste ist, aber das Gesamtpaket am meisten überzeugt», sagt Regazzi. Hinter James ist derzeit vieles möglich: für Burgener, für Scherrer und zu einem späteren Zeitpunkt auch wieder für Podladtchikov.
Auch bei den Frauen steht in Copper Mountain eine Schweizerin am Start. Für Verena Rohrer gelten jedoch noch nicht die gleichen Ziele wie für ihre Landsmänner. Das Ziel der 23-Jährigen, die es letzten Winter zweimal auf ein Weltcup-Podest schaffte, ist jeweils die Finalteilnahme. «Sie ist gut drauf, aber ihr fehlt noch ein Big-Trick», sagt Regazzi.