Im Schatten der Stars So kämpft sich Ski-Profi Schmidiger nach dem Rauswurf von Swiss-Ski durch die Saison

Von Sandro Zappella

20.1.2023

So kämpft Ski-Profi Schmidiger für seine Karriere

So kämpft Ski-Profi Schmidiger für seine Karriere

Reto Schmidiger ist im April 2022 aus den Kadern von Swiss-Ski geflogen. Nun dokumentiert er in einer Videoreportage, wie er es zurück an die Spitze schaffen will.

19.01.2023

Reto Schmidiger ist im April 2022 aus den Kadern von Swiss-Ski geflogen. Im Interview mit blue News erklärt er, wie er sich jetzt finanziert und warum der Slalom eine Psycho-Disziplin ist.

Von Sandro Zappella

Bei einem Skiprofi aus dem Kanton Nidwalden denkt man sofort an Marco Odermatt. Der amtierende Gesamtweltcupsieger prägt die Skiszene wie nur wenige Fahrer vor ihm. Im Schatten des Glamours gibt es im Skizirkus aber auch andere Athleten. Solche wie Reto Schmidiger. Ebenfalls aus Nidwalden, aber derzeit weit weg vom Rampenlicht.

Reto Schmidiger ist 30 Jahre alt. Nach einer schwierigen, von Verletzungen geprägten Zeit kehrte er in der letzten Saison in den Weltcup zurück. Doch die Resultate waren nicht gut genug. Zumindest nicht für den schweizerischen Skiverband. Swiss-Ski warf Schmidiger deshalb im April aus den Kadern. Seit der aktuellen Saison ist er nun auf sich alleine gestellt. Wie er das macht, was es finanziell für ihn bedeutet, und warum er sich zutraut, im Weltcup aufs Podest zu fahren, erklärt Schmidiger im Interview mit blue News.

Reto Schmidiger, ich habe fast vergessen, dass es Sie noch gibt. Ist dies das grösste Problem, wenn man nicht mehr im Weltcup fährt?

Reto Schmidiger: Wer sich intensiv mit dem Skisport auseinandersetzt, der hat mich nicht vergessen. Aber klar, die grosse Bühne ist der Weltcup, es ist schon möglich, dass mein Name bei vielen nicht mehr so präsent ist.

Sie haben im April 2022 erfahren, dass Sie nicht mehr zum Kader von Swiss-Ski zählen. Kam das überraschend?

Ich musste grundsätzlich ein wenig damit rechnen, weil die Resultate ein Stück weit gefehlt haben. Auf der anderen Seite war ich natürlich trotzdem enttäuscht, weil ich eine Comeback-Saison hatte und weil ich dennoch bewiesen habe, dass ich sehr, sehr schnell und damit vorne dabei sein kann. Das habe ich in Wengen und in Schladming gezeigt.

In Wengen sind Sie im ersten Lauf auf Rang 11 gefahren und danach im zweiten Durchgang auf Platz 23 zurückgefallen. In Schladming sind Sie nach starkem ersten Lauf im zweiten Durchgang ausgeschieden. Warum ist Konstanz im Slalom so schwierig?

Sich im Slalom zurückzukämpfen, ist definitiv eine verstärkte Herausforderung. In erster Linie musst du Gas geben. Du musst, speziell mit hinteren Nummern viel riskieren und dennoch ist der Ausfall nirgends so nah wie beim Slalom. Aber das ist das Spiel beim Slalom. Der Slalom wird scherzhaft nicht von ungefähr als «Psycho-Disziplin» bezeichnet. Aber mit dem musst du umgehen können.

Ist die Konstanz also vielmehr eine Sache des Kopfes als der Beine?

Genau. Grundsätzlich ist es eine mentale Geschichte, aber auch eine Vertrauenssache, die durch das Training kommt oder durch gute Resultate in den Rennen. Es ist ein Aufschaukeln, welches dir Sicherheit gibt, damit du auf einem anderen Level deine Leistung bringen kannst und auch mehr Risiko eingehen kannst.

Was hat sich für Sie geändert, seit Sie nicht mehr im Kader von Swiss-Ski stehen?

In erster Linie bedeutet das einen Mehraufwand. Das geht vom Organisieren des Trainings, Hotels, der Vorbereitung und des Erstellens des Rennplans. Man muss selbst wegen Physiotherapie schauen und auch für das Material ist man selbst zuständig. 

Sie präparieren Ihren Ski also selbst?

Genau.

Können Sie da überhaupt mithalten gegen Athleten, die ihre eigenen Servicemänner haben?

Ich spüre ehrlich gesagt keinen grossen Unterschied. Ausser natürlich, dass du mehr Stunden im Skikeller verbringst als bei der Regeneration. Es ist aber auch ein grosser Vorteil, für mich ist das fast schon eine meditative Angelegenheit. Du setzt dich mit dem Material auseinander, du präparierst die Ski so, wie du das Gefühl hast, dass du das Optimum rausholst. In den letzten Rennen bin ich bessere Resultate gefahren als Athleten, die einen Servicemann haben. So schlecht kann es also nicht sein.

Welche finanziellen Auswirkungen hat es auf Sie, nicht mehr im Swiss-Ski-Kader zu stehen?

Auf sich alleine gestellt zu sein, hat deutliche finanzielle Konsequenzen. Beispielsweise die gesamte Organisation und Finanzierung der Reisen sowie die Thematik im ganzen Trainingsbetrieb.

Das heisst, Sie müssen jetzt alle Kosten selbst tragen.

Ja. Zum Glück konnte ich all meine Sponsoren zusammenhalten, dazu unterstützten mich auch mein Fanklub und mein Skiklub finanziell. Dafür bin ich sehr dankbar, ohne sie alle wäre es nicht möglich, die Saison zu finanzieren.

Wie hoch sind denn die Ausgaben für einen Ski-Winter?

Für solch eine Saison legst du gut und gerne 100'000 Franken hin.

Haben Sie denn keine Massnahmen ergriffen, um die Kosten tief zu halten?

Natürlich schon. Ich muss auf jeden Fall auf die Kosten schauen. Es ist für mich wichtig, diese tief zu halten. Ich muss zum Beispiel schauen, in welches Hotel ich gehe, es ist dann halt nicht mehr das Hotel, in welches man beim Weltcup mit Swiss-Ski gegangen ist, sondern ein einfacheres.

Als Einnahme haben Sie hauptsächlich Sponsorengelder. Welch Rolle spielen Preisgelder?

Ich kann nicht mal sagen, wie viel an Preisgeldern ich bisher erhalten habe. In der Budgetplanung ist das ein kleiner Teil. Das Problem ist halt die Verteilung. Wenn es dir mal aufs Podest reicht, hast du sofort einen schönen Betrag, danach geht es auf den Plätzen dahinter aber schnell runter.

Die Preisgelder im Weltcup

  • 1. Rang: 50'000 Franken
  • 2. Rang: 22'000
  • 3. Rang: 11'000
  • 4. Rang: 7500
  • 5. Rang: 5500
  • 6. Rang: 4500
  • 7. Rang: 3500
  • 8. Rang: 2600
  • 9. Rang: 2200
  • 10. Rang: 2000
  • 11. Rang: 1800
  • 12. Rang: 1550
  • 13. Rang: 1500
  • 14. Rang: 1400
  • 15. Rang: 1350
  • 16. Rang: 1300
  • 17. Rang: 1200
  • 18. Rang: 1150
  • 19. Rang: 1100
  • 20. Rang: 1050
  • 21. Rang: 1000
  • 22. Rang: 950
  • 23. Rang: 900
  • 24. Rang: 850
  • 25. Rang: 800
  • 26. Rang: 750
  • 27. Rang: 700
  • 28. Rang: 650
  • 29. Rang: 600
  • 30. Rang: 550

Haben Sie überlegt, sich für den Sommer einen zusätzlichen Job zuzulegen?

Ich habe es nicht nur überlegt, ich habe es getan. Im letzten Sommer habe ich als Gartenbauer ausgeholfen.

Skifahren ist ein Einzelsport, aber auch ein Teamsport. Wie ist das für Sie, plötzlich ohne Team unterwegs zu sein, fühlen Sie sich alleingelassen?

Nein, ganz und gar nicht. Ich habe einen Kollegen, der jetzt mein Trainer ist, zu dem habe ich einen starken Bezug. Wir tauschen uns regelmässig über mein Skifahren aus. Videos schicke ich zum Beispiel ihm und wir besprechen das dann zusammen. Ausserdem bin ich in regelmässigem Kontakt mit anderen Athleten, mit denen ich vorher unterwegs war.

Was sind denn ihre konkreten Pläne in dieser Saison?

Es ist ein Jahr, bei dem es darum geht herauszufinden, ob es noch so funktioniert, wie ich mir das vorstelle. Jetzt gilt es, nochmals alles reinzuhauen. Für etwas habe ich auch alle Jahre davor etwas auf die Seite gelegt. Das war genau für solche Situationen, wo man sich nochmals sagen kann: Jetzt versuchst du es nochmals.

Alles oder nichts? Also zurück in den Weltcup oder Rücktritt?

Es ist sicher eine entscheidende Saison. Das ist klar. Ich habe mir klare Ziele gesetzt für diese Saison. Wenn ich diese erreiche und dann die Perspektive habe, nächste Saison im Weltcup zu fahren, dann ist das eine Situation, bei der ich sagen kann: Doch, das ist interessant. Wenn ich aber sehe, ich fahre nicht mehr so, wie ich mir das vorstelle oder dass ich nicht mehr an diese Leistungen herankomme, dann wird sich ein anderer Weg hinaus kristallisieren.

Wie schafft man es denn zurück in den Weltcup? 

In erster Linie geht es darum, im Weltcup eine tiefere Startnummer zu bekommen. Das heisst, tiefe FIS-Punkte herauszufahren über Kontinentalcups wie den Europacup oder den Nor-Am-Cup.

Dann liegt nächste Saison also eine tiefe Startnummer für den Weltcup drin?

So einfach geht das leider nicht. Ohne Weltcup-Rennen bin ich ziemlich limitiert, mir eine gute Position herauszufahren. Über die Kontinentalcups könnte ich mich, wenn es gut läuft, irgendwo um Position 50 herum hineinkämpfen.

Der Schweizer Slalomfahrer Urs Imboden wechselte 2006/07 die Nation und startete nach dem Rauswurf aus den Swiss-Ski-Kadern für Moldawien. Haben Sie ebenfalls solche Überlegungen?

Das war für mich nie ein Thema. Ich habe mir immer gesagt: Entweder klappt es für die Schweiz oder gar nicht. Ausserdem habe ich ja nicht gerade irgendwo einen zweiten Pass im Hosensack, das kommt natürlich auch noch dazu. Es wäre für mich einfach nicht das richtige.

Der Schweizer Urs Imboden startete nicht nur im Weltcup, sondern auch an den Olympischen Spielen für Moldawien.
Der Schweizer Urs Imboden startete nicht nur im Weltcup, sondern auch an den Olympischen Spielen für Moldawien.
Keystone

Wer ist für Sie der beste Slalomfahrer der Gegenwart?

Sehr schwierig zu sagen. Es kann alles passieren, der Slalom ist eine brutale Wundertüte. Jeder kann so schnell fahren. 

Einen Namen möchte ich dennoch gerne hören.

Für mich ist Lucas Braathen momentan sehr stark. Er überzeugt mich am meisten.

Schauen Sie solchen Fahrern zu und analysieren Sie, was diese besser machen?

Das ist auf jeden Fall so. Ich sehe vor allem Agilität, die bei jedem Lauf vorhanden ist. Das ist genau, was ich ebenfalls anstrebe. Ich weiss haargenau, ich kann sowas ebenfalls zeigen. Ich weiss, wie schnell ich Ski fahren kann. Es geht einfach darum, diese Leistung konstant zu zeigen.

Ihr bestes Weltcup-Resultat ist der 8. Platz in Lenzerheide aus dem Jahr 2011. Schaffen Sie es nochmals so weit nach vorne?

Resultatemässig habe ich mir keine Ziele gesetzt, weil das generell schwer ist, ein Resultat als Ziel zu definieren. Das Ziel ist, im Weltcup nochmals Gas zu geben und dort dann diese Leistung abzurufen, die ich mir vorstelle.

Und was liegt drin, wenn das so klappt, wie Sie sich das vorstellen?

Wenn ich die Agilität in den Lauf reinbringe, wenn mein Skifahren stimmt, dann kann das für eine Top 3 oder Top 10 Platzierung reichen. Es kommt aber natürlich auch immer auf die Konkurrenz drauf an, was die für einen Tag erwischen. 


Die zweite Episode von Reto Schmidigers Videoreportage zu seinem Weg zurück gibt es hier auf Youtube zu sehen.