Die Biathleten lancieren ihre WM-Saison heute in Kontiolahti. Die Finnen empfangen den Tross coronabedingt gleich an zwei Wochenenden, so wie vier weitere Gastgeber im Verlaufe des Winters auch.
Der Weltverband IBU hat gegenüber den Veranstaltern das Sagen – jedenfalls mehr als die FIS bei den Alpinen oder den Nordischen. Dieser Eindruck entsteht zumindest beim Blick auf die Wettkampfkalender. Die IBU-Funktionäre schränken anders als ihre Kollegen bei der FIS die Reisewege wegen der Coronavirus-Krise drastisch ein. Einzig an den Biathlon-Hochburgen Antholz und Oslo verweilt der Tross nur eine Woche. Ansonsten dauert der Aufenthalt analog zu Kontiolahti auch in Hochfilzen, Oberhof, bei der WM in Pokljuka und in Nove Mesto knapp vierzehn Tage.
Über die Klinge springen mussten wegen der Pandemie unter anderem der Klassiker in Ruhpolding oder Peking mit der Hauptprobe für die Olympischen Spiele 2022. Aber, und das freut die Athletinnen und Athleten, gelaufen und geschossen wird gleich oft wie in den vergangenen Jahren.
Die Schweizer Equipe jubelte bereits zwei Wochen vor Saisonbeginn. Die Vergabe der WM 2025 nach Lenzerheide wird die hiesige Szene beleben. «Da haben sich plötzlich Horizonte verschoben», sagt die Frauen-Trainerin Sandra Flunger. Einzig für die Schweizer Biathlon-Pionierin Selina Gasparin ist der Anlass als Aktive kein Thema mehr.
Lena Häcki hingegen erklärte: «Ich plane jetzt fix bis 2026.» Und der durch das Fernziel beflügelte Nachwuchs, der an Jugend- und Junioren-Weltmeisterschaften bereits mit Podestplätzen aufhorchen liess, wird in dieser Saison Druck auf die arrivierten Kräfte ausüben. Sebastian Stalder (22) oder Niklas Hartweg (20) beispielsweise stehen in Kontiolahti bereits im Weltcup-Team – für Hartweg ist es eine Premiere.
Die Schweizer Männer starten mit einem neuen Cheftrainer in die Saison. Der Deutsche Alexander Wolf, dessen Wege sich schon als Profisportler mit Benjamin Weger gekreuzt hatten, übernahm von Jörn Wollschläger. Nach einer mässigen Saison müssen Weger und Co. wieder Fuss fassen. Eine solide Basis eröffnet die Möglichkeit, der Konkurrenz Nadelstiche zu versetzen. Denn für Podestplätze, so Wolf, würden rund 40 Männer in Frage kommen.
Lena Häcki als stärkster Trumpf
Im Gegensatz zu den Männern stehen die Schweizer Frauen vor der Aufgabe, die Erfolge des vergangenen Winters zu bestätigen. Drei Staffel-Podestplätze und je ein Einzel-Podest von Häcki und Selina Gasparin erhöhen die Erwartungen. Insbesondere Häcki steht unter Druck, mit starken Resultaten Ruhe ins Team zu bringen. Die Frau aus Engelberg, die aber dank ihrem Verlobten Marco Gross mehrheitlich in Ruhpolding lebt und trainiert, hat sich gemäss Flunger weiter entwickelt: «Sie ist cooler geworden am Schiessstand und hat Fortschritte erzielt im Umgang mit ihren Emotionen.» Das überbordende Temperament beförderte der Obwaldnerin zu oft auf die Strafrunde.
Die Analyse des vergangenen Winters offenbarte bei Häcki ein weiteres Manko. Die Formsteuerung klappte mässig, bei der WM im Februar war der Leistungszenit bereits überschritten. Da die Innerschweizerin sehr schnell und sehr gut auf intensive Trainingsreize reagiert, hat Flunger diese Einheiten vorerst weniger akzentuiert.
Mit 36 Jahren und als Mutter von zwei Kindern sucht Selina Gasparin, die älteste und erfolgreichste der drei Biathlon-Schwestern aus dem Engadin, weiterhin den Vergleich mit den Weltbesten. «Wir werden heute als Trendsportart und nicht mehr als Randsportart wahrgenommen», sagt sie mit Blick auf ihre Karriere.
Wann genau für sie Schluss sein wird, legt die Bündnerin erst 2021 fest. «Bis zur WM mache ich mir keine Gedanken zum Rücktritt», betont sie. Danach entscheidet die Olympia-Zweite von Sotschi 2014, ob es eine Verlängerung bis zu den Olympischen Spielen 2022 gibt. Klar ist einzig: Es soll keine Saison als Abschiedstournee geben. «Das würde mich höchstens melancholisch machen und das will ich nicht».
Fourcade fehlt
In der kommenden Saison dürfte im Feld der Männer weiterhin Johannes Thingnes Bö den Ton angeben. Die Herausforderer des Norwegers kommen nach dem Rücktritt von Martin Fourcade mit Quentin Fillon Maillet und Emilien Jacquelin weiterhin aus Frankreich. Bei den Frauen strebt die Südtirolerin Dorothea Wierer den erneuten Gewinn der grossen Kristallkugel an.
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