Markus Segessenmann, Chef der Schweizer Biathleten, spricht von der «mit Abstand besten Saison im Schweizer Biathlon». Einziger Wermutstropfen ist die fehlende WM-Medaille.
Während die Sportwelt praktisch überall bereits still stand, liefen und schossen die Biathleten am Samstag im Osten Finnlands noch um Weltcuppunkte – mit einem 2. Platz von Selina Gasparin in der abschliessenden Verfolgung als glanzvollem Schlusspunkt. «Es war schon skurril und ein komisches Gefühl, wenn man all die anderen Meldungen verfolgte», erzählt die Schweizer Frauentrainerin Sandra Flunger. Sie war als Jury-Mitglied massgeblich daran beteiligt, dass die Staffel-Wettkämpfe am Sonntag doch noch abgesagt wurden. «Viele Teams und Athleten wollten nicht mehr laufen, weil sie Angst hatten, angesichts der zunehmend strenger werdenden Einreise-Verbote nicht mehr nach Hause zu kommen.» So wurden auch die Biathleten am Ende noch vom Coronavirus eingeholt, kamen aber insgesamt mit einem blauen Auge davon.
Es war eine Saison, in der vor allem die Schweizer Frauen erstmals so richtig in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit rückten. Für den Swiss-Ski-Biathlonchef Markus Segessenmann war es sogar die «mit Abstand beste Saison für den Schweizer Biathlonsport». Besser auch als bei Gasparins Olympia-Silber 2014 und ihren zwei Weltcupsiegen. «Da war einfach Selina überragend, jetzt sind wir breiter aufgestellt.»
Rosige Zukunft?
Er denkt dabei nicht nur an die fünf Podestplätze im Weltcup (dreimal die Frauenstaffel, je einmal Lena Häcki und Selina Gasparin), sondern auch an die drei Medaillen bei der Junioren-WM und die Tatsache, dass mit Niklas Hartweg und Amy Baserga zwei Schweizer die Gesamtwertung des IBU-Juniorencups gewannen. Zudem seien auch bei den Jahrgängen 2002 und 2003 einige vielversprechende Talente dabei. Die Zukunft sieht also durchaus positiv aus.
Eher enttäuschend verlief allerdings die WM im Südtirol, die gerade noch vor dem dramatischen Anstieg der Coronavirus-Ansteckungen in Norditalien zu Ende gebracht wurde. «Wir wollten eine Medaille mitnehmen», nimmt Sandra Flunger kein Blatt vor den Mund. «Zweimal war es knapp. Man muss aber auch sagen, dass wir im Weltcup in den Staffelrennen auch viel Glück hatten. Das gleicht sich über eine Saison wieder aus.» Ziel bleibe aber auch in den kommenden Jahren die erste Schweizer WM-Medaille im Biathlon.
Am Druck zu knabbern gehabt
Vor allem bei Lena Häcki zeigte die Formkurve nach einem glänzenden Dezember spätestens ab Ende Januar klar nach unten. Die 24-jährige Engelbergerin wurde mit ihren Erfolgen und ihrer offenen Art zu einem Poster-Girl für die Schweizer Biathletinnen – und bezahlte dafür nicht zuletzt an der WM einen Preis. «Dieser Druck war eine neue Situation», stellt auch Flunger fest. «Lena hatte schon daran zu knabbern, sie war sehr aufgeregt.» Ausserdem war sie zum Jahreswechsel und Ende Januar auch noch leicht krank.
Häcki war aber schon in vergangenen Jahren oft zu Beginn einer Saison besser als am Ende. Von einem falschen Formaufbau will Flunger nichts wissen. Eher sieht sie den Grund in der Emotionalität Häckis. «Sie schwappt sehr schnell von extremen Hochs in extreme Tiefs. Das braucht viel Energie. Sie muss da eine Mitte finden.» Die Österreicherin bewertet die Saison der Schweizer Frauen als «summa summarum gut». «Wir haben die Latte hoch gelegt, aber wichtig sind jetzt die nächsten Schritte.» Es gebe auf jeden Fall noch Luft nach oben und Verbesserungspotenzial.
Neuer Männerchef bis Ende Monat
Die gibt es auch bei den Männern. Ein neuer Cheftrainer soll dabei neue Impulse liefern. Wegen der aktuellen Einschränkungen wegen des Coronavirus ist man bei der Suche noch nicht ganz fündig geworden. «Viele Interviews sind derzeit nur per Skype möglich», erklärt Segessenmann. «Es gibt aber ein paar gute Kandidaten. Ich denke, dass wir bis Ende Monat zum Abschluss kommen.»